Die berühmteste Puppe der Welt im Thalia Theater: Ausbruch aus der pinken Traumwelt
Auch letztes Jahr war die Welt nicht in Ordnung, aber immerhin stand der Sommer damals ganz im Zeichen von „Barbie“ (und ein bisschen Ken). Der Film war ein Blockbuster, die Farbe war Pink, die Musik war Pop – und hatte Pep! Barbie war „in“ und erlebte eine Renaissance.
Insofern ist es kaum verwunderlich, dass sich das auch in anderen Kunstsparten niederschlägt. Regisseur Emre Akal hat vermutlich daraufhin irgendwann den Geistesblitz gehabt, den Untertitel von Henrik Ibsens berühmtem Stück „Nora“ einfach mal sehr wörtlich zu nehmen: „Ein Puppenheim“. Im Thalia in der Gaußstraße führt er Klassik nun mit Plastik zusammen, und zwar sehr konsequent.
„Barrrbie. Ein Puppenhaus“ – Barbie trifft auf Ibsen
Zu Beginn blicken wir in die totale „Barbie World“: Auf die Wände und das Dach des Häuschens projiziert das Künstlerduo Mehmet & Kazim den buntesten Zuckerguss, den man sich vorstellen kann. Es wabert, fließt und strahlt, dass es eine wahre Freude ist. Die Figuren darin sind jenseits der Wirklichkeit – mit starren Riesenperücken, steifen Grellkleidern, blechernen Stimmen. Rund 20 Minuten lang wird hier eine Künstlichkeit ausgestellt, die erst beeindruckt, bald sämtliche Sinne überreizt (auch sehr laut ist) und so manchen nervt.
Erst dann fängt die Handlung an, die sich sowohl im Figurentableau als auch in der Szenenfolge stark am Ibsen’schen Original orientiert. Hausfrau Barbie/Nora hat sich vor vielen Jahren einer Urkundenfälschung schuldig gemacht, die für ihren Mann von Vorteil war. Nun droht leider alles aufzufliegen, weil ein Angestellter der Bank, in der Noras Mann Geschäftsführer ist, nach seiner Kündigung auf Rache aus ist. Ein Brief enthüllt alles, der Gatte vergibt Nora. Doch sie sieht ein, dass es ihm nur darum geht, die bürgerliche Fassade aufrechtzuerhalten, und verlässt ihn. Denn in einem solchen „Puppenheim“ möchte sie nicht leben.
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Die gleiche Emanzipation wie Nora durchläuft auch die Inszenierung: Sie ist ein stetiger Prozess der Ent-Puppung. Am Schluss sind Nora, ihr Mann und die zwei Kinder natürliche Menschen, die sich in unserer Umgangssprache streiten. Die 90 Minuten sind also durchaus schlüssig, dabei sehr ansehnlich und toll gespielt. Ob es der überbordenden Barbiefizierung am Anfang wirklich bedurft hätte, ist vielleicht einfach nur Geschmackssache. Genauso wie die Original-Barbie.
Thalia in der Gaußstraße: 23.11., 21., 28.12., Karten 28 Euro, Tel. 32814444, thalia-theater.de
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