Aus für Russland bei größter Maschine der Welt – Folgen auch für Hamburg
Jahrzehntelang arbeiteten am europäischen Kernforschungszentrum Cern in Genf Wissenschaftler aus Russland mit. Damit ist nun Schluss. Was bedeutet das für die Forschung? Die Folgen sind bis Hamburg zu spüren.
Beim weltweit größten Forschungsinstitut für Teilchenphysik in Genf endet am Samstag die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit Russland. Die Europäische Organisation für Kernforschung (Cern) reagiert damit auf den russischen Überfall auf die Ukraine, sie hatte den Schritt angekündigt. Negative Folgen für die Wissenschaft sind nicht auszuschließen, warnte Beate Heinemann, Direktorin für den Bereich Teilchenphysik am Deutschen Elektronen-Synchrotron Desy in Hamburg.
Cern: Leistungsstärkster Teilchenbeschleuniger
„Russland hat starke Expertise im Ingenieurswesen“, so Heinemann. „Es ist nicht so, dass bestimmte Forschung durch das Ende der Zusammenarbeit nun unmöglich wird, aber es macht die Sache schwieriger und es könnte zu Verzögerungen kommen.“
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Das Cern mit heute 24 Mitgliedsländern betreibt den leistungsstärksten Teilchenbeschleuniger (LHC) der Welt. Viele Tausend Wissenschaftler aus Dutzenden Ländern arbeiten dort an Experimenten. Die Organisation feierte kürzlich 70-jähriges Bestehen. Der ringförmige LHC rund 100 Meter unter der Erde bei Genf ist mit 27 Kilometern Länge die größte Forschungsmaschine der Welt. Darin werden Kollisionen von Protonen mit beinahe Lichtgeschwindigkeit erzeugt, um den Ursprung des Universums zu erforschen.
Zusammenarbeit mit Russland seit dem Kalten Krieg
Aus Russland waren etwa 1000 Wissenschaftler beteiligt, wie der Cern-Forschungsdirektor Joachim Mnich der dpa sagte. Sie hätten sehr dabei geholfen, ihre Expertise vor dem Ausscheiden so weit wie möglich weiterzugeben. „Eine Detektor-Komponente können wir nicht weiterbetreiben, aber das ist keine große Lücke. Wir hoffen, dass es keinen größeren Verlust in der Wissenschaftsausbeute geben wird.“
„Wir haben am Cern mit Russland auch im Kalten Krieg zusammengearbeitet, getrieben von wissenschaftlicher Neugier, in friedlichem Umfeld. Das scheint nicht mehr möglich zu sein, und das ist extrem schade“, sagt Markus Klute, Leiter des Instituts für experimentelle Teilchenphysik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Das KIT arbeitet wie das Desy, ein Zentrum zur Erforschung von Materie, eng mit dem Cern zusammen.
Russische Institute politisch instrumentalisiert
Sowohl das Desy als auch das KIT haben die Zusammenarbeit mit russischen Instituten ebenfalls auf Eis gelegt. Die meisten Kollegen aus Russland seien fantastisch, problematisch sei die Leitung ihrer Institute, die oft nicht in wissenschaftlichen Händen liege, sagte Klute. Man sei besorgt gewesen, dass die russischen Forschungsinstitute anders als früher politisch instrumentalisiert werden, erklärte Heinemann.
Betroffen davon waren auch Desy-Arbeiten zur technischen Verbesserung der Cern-Detektoren. Der Plan, dafür russische Ingenieure nach Hamburg zu holen, wurde gestoppt. „Wir haben andere Lösungen gefunden“, sagte Heinemann. Auch Klute ist in die Bresche gesprungen und führt nun am KIT Arbeiten aus, die eigentlich von russischen Instituten geleistet werden sollten. „Wir schneiden hier zum Beispiel Metallplatten. Das sind Präzisionsgegenstände, das macht man nicht mal eben so nebenbei“, sagt er. „Ich bin aber guter Hoffnung, dass wir es schaffen.“
Neue Jobs für russische Wissenschaftler in Karlsruhe
Für einige Dutzend russische Kollegen am Cern, die nicht nach Russland zurückkehren können oder wollen, seien Lösungen gefunden worden, sagte Mnich. Sie kamen in anderen Ländern unter. Klute bezeichnete es als Glück, dass drei russische Doktoranden, die am Cern waren, nun am KIT promovieren. Für andere Kolleginnen und Kollegen werde weiter an Lösungen gearbeitet. Auch das Desy hat einen russischen Kollegen vom Cern übernommen.
Probleme gab es beim Cern auch wegen russischer Komponenten für den Beschleuniger und die Experimente. Einige Teile konnten wegen der europäischen Sanktionen gegen Russland nicht mehr geliefert werden. Insgesamt habe das einen Umfang von umgerechnet gut 50 Millionen Euro, rund drei Prozent der Gesamtkosten, sagte Mnich.
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Dadurch müssten nun andere Geldgeber tiefer in die Tasche greifen, darunter das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung in Berlin. Die Zusammenarbeit mit dem in Russland sitzenden Joint Institute for Nuclear Research geht am Cern unterdessen weiter. Dabei handele es sich um eine internationale Organisation, erklärte Mnich. (dpa/mp)