HSV-Trainer Merlin Polzin lacht an der Seitenlinie

HSV-Trainer Merlin Polzin hatte in Karlsruhe viel Grund zum Lachen. Foto: WITTERS

Sein Video-Trick machte die Profis heiß: Bleibt Polzin jetzt HSV-Trainer?

Spiel eins nach Steffen Baumgart – gespielt. Und nach zuletzt vier Zweitliga-Partien in Folge ohne Sieg hat der HSV mal wieder gewonnen. Sehr verdient. Die Profis setzten den Plan des Trainerteams um, sie fühlten sich in der in dieser Woche ausgearbeiteten taktischen Ausrichtung wohl. Und sie durften am 1. Advent schließlich jubeln, nachdem ein Video-Trick der Coaches sie heißgemacht hatte. Merlin Polzin und seine Kollegen hatten eine spezielle Idee vor der Reise nach Karlsruhe. Nach dem 3:1 (1:1)-Sieg stellt sich die Frage: Bleibt er weiter HSV-Trainer?

Sie alle mussten in den Katakomben des BBBank Wildpark lachen, als sie auf das Motivationsvideo angesprochen wurden, das sie vor dem Anpfiff zu sehen bekamen. Polzin habe „jedem einzelnen Spieler“ vor der Partie beim KSC „gezeigt, was er schon in seiner Karriere erreicht hat“, berichtete Daniel Elfadli. Es seien „Kurzbilder“ präsentiert worden, untermalt mit Musik. „Das“, so der Abräumer, „hat auf jeden Fall gepusht.“ Nicht nur Libyens Nationalspieler Elfadli, dem auch sein Aufstieg vom Oberliga- zum Zweitliga-Spieler erneut vor Augen geführt wurde. Sondern alle.

HSV-Trainer Polzin setzte auf Motivation: „Hat gepusht“

„Von mir war zu sehen, dass ich ja schon Drittliga-Meister mit Dynamo Dresden geworden bin“, erzählte Ransford Königsdörffer. „Und ich wurde ja auch ghanaischer Nationalspieler. Das stand bei mir.“ Und dass Silvan Hefti in seiner Karriere schon mal gegen Cristiano Ronaldo spielte, wusste der Stürmer bis zum Motivationsvideo auch nicht. „Ich fand es lustig, auch von den anderen zu sehen, was die schon so erreicht haben“, sagte Königsdörffer, der mit den Kollegen am Sonntag einen Auswärtssieg erreichte. Eine Befreiung. Verbunden mit dem Sprung auf Platz zwei.

Stefan Kuntz war schon eine Viertelstunde vor dem Anpfiff gut gelaunt. „Ich hoffe“, sagte der HSV-Sportvorstand bei Sky, „dass ich gleich oben sitze und genieße.“ Und Interimscoach Polzin kündigte an: „Wir wollen den Jungs und Mädels, die uns wieder zahlreich hinterhergereist sind, ein geiles Spiel bieten.“ Der 34-Jährige setzte in Karlsruhe auf Veränderung, auf eine neue taktische Idee und neues Personal. Konkret: auf vier neue Startelf-Profis im Vergleich zum 2:2 gegen Schalke 04, Steffen Baumgarts Abschiedsspiel vor acht Tagen.

HSV begann in Karlsruhe mit vier Neuen in der Startelf

Dennis Hadzikadunic, Adam Karabec, Bakery Jatta und Jean-Luc Dompé begannen für Lukasz Poreba, für Jonas Meffert, der wegen seiner anhaltenden Arm-Schmerzen im Kader fehlte, für den unerwartet aus dem Kader gestrichenen Noah Katterbach sowie für Davie Selke. Der diese Woche leicht erkältete Torjäger saß erstmals seit mehr als zwei Monaten zu Beginn auf der Bank, Polzin setzte im altbewährten 4-3-3-System dafür auf eine andere klassische Ein-Mann-Spitze: Königsdörffer, flankiert von Jatta und Dompé auf den Außen.

William Mikelbrencis (r.) zeigte in Karlsruhe eine gute Leistung. WITTERS
William Mikelbrencis im Duell mit Marvin Wanitzek
William Mikelbrencis (r.) zeigte in Karlsruhe eine gute Leistung.

Der Gambier und der Franzose durften erstmals seit dem 1:1 gegen Hertha BSC (10. August) gemeinsam starten, sollten auf dem offensiven Flügel ihr Tempo ausspielen, während Elfadli als alleiniger Sechser stabilisieren sollte – genauso wie Hadzikadunic in der Viererkette neben Sebastian Schonlau. Der Plan ging auf. „Wir haben es viel in der Woche trainiert“, erklärte Elfadli hinterher, „haben die Abläufe einstudiert – und das hat uns heute geholfen.“ Schonlau unterstrich: „Wir haben uns wohlgefühlt.“ Spätestens nach 23 gespielten Minuten.

HSV setzte offensiv und defensiv auf dieselbe Ausrichtung

Dompé nahm einen Fehlpass von KSC-Keeper Max Weiß dankend auf und traf aus dem Fußgelenk aus rund 16 Metern zum 1:0 (13.). Zuvor hatte Königsdörffer zweimal nach einer Ecke vergeben (9./13.). „Ich bin sehr zufrieden mit der Mannschaft“, sagte Polzin. „Gerade mit den ersten 30 Minuten.“ Danach gab es einen kleinen Bruch im HSV-Spiel, „eine Phase“, so Polzin, „mit der wir nicht ganz so einverstanden haben“. Keeper Daniel Heuer Fernandes rettete noch gegen Bambasé Conté (26.), war beim Kopfball von Fabian Schleusener zum 1:1 aber machtlos (36.).

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„Die Jungs waren aber zu jeder Zeit in der Lage, offensiv Akzente zu setzen“, lobte Polzin. Die von ihm und Assistent Loic Favé ausgearbeitete Idee sah identische Formationen mit und gegen den Ball vor, es gab klare Rollen und anders als zuletzt keine Positionsverschiebungen im Offensiv- beziehungsweise Defensivspiel. „Ich glaube auch, dass wir vorher klare Abläufe hatten, diese aber nicht umsetzten konnten“, dachte Schonlau noch mal an die Prinzipien unter Baumgart zurück. Der Abwehrchef sagte mit Blick auf das erste Spiel nach der Entlassung des Ex-Cheftrainers aber auch: „Das ist dieses Dominante, wohin wir zurückkehren wollen, was wir ausstrahlen wollen.“

Zwei Tore, ein Assist: Dompé glänzt bei HSV-Auswärtssieg

Das gelang vor allem im ersten Durchgang sehr gut. Im zweiten hatte der HSV erst Glück, dass vorm vermeintlichen 1:2 durch Marvin Wanitzek eine Abseitsstellung vorlag (49.). Auf der Gegenseite hämmerte Doppelpacker Dompé den Ball nach einer strammen Flanke von Elfadli in den Winkel (55.). Auf das Hamburger Führungstor folgte beinahe der erneute Ausgleich, aber Conté traf nach einer Ecke nur die Latte (57.). Der HSV war offensiv um Entlastung bemüht, hatte hinten vor allem bei Schleuseners Volley-Versuch Glück (84.). Danach glänzte noch einmal Dompé.

Jean-Luc Dompé traf für den HSV in Karlsruhe doppelt. WITTERS
Jean-Luc Dompé jubelt für den HSV in Karlsruhe.
Jean-Luc Dompé traf für den HSV in Karlsruhe doppelt.

Der Matchwinner legte für den eingewechselten Selke auf – und der Angreifer traf frei vor dem Tor zum 3:1-Endstand (87.). Jubel vor der Gästekurve – und kollektives Aufatmen. Durch den Dreier ist der HSV am KSC vorbei auf einen direkten Aufstiegsplatz gesprungen. „Wir freuen uns über eine geschlossene Leistung, die in dieser Woche sehr wichtig war“, sagte Polzin, dessen kurzfristige Trainer-Zukunft offen ist. Vor dem Spiel hatte Kuntz bei Sky betont: „Merlin ist unser Trainertalent. Der hat jetzt auch die Chance.“ Und Polzin hat diese fürs Erste genutzt.

Labbadia oder erneut Polzin? HSV-Boss Kuntz entscheidet

Ob er am kommenden Sonntag auch gegen Darmstadt 98 noch einmal als Chef an der Seitenlinie stehen wird? „Das können wir uns vorstellen, ja“, antwortete Elfadli auf eine entsprechende Frage. Schonlau meinte: „Dafür bin ich der falsche Ansprechpartner.“ Kuntz muss entscheiden. Die Gespräche zwischen HSV-Boss und Bruno Labbadia sollen fortgeschritten sein, Kuntz könnte sich bei der Frage nach dem Chefcoach der Zukunft aber noch etwas mehr Zeit verschaffen, wenn er Polzin zumindest noch die Partie gegen Darmstadt anvertraut. Und der Interimschef selbst?

„Ich habe Bock, mit den Jungs weiter gemeinsam erfolgreich zu sein“, sagte Polzin bei Sky, ohne auf seine konkrete Rolle einzugehen. Dass er in der Lage ist, die Mannschaft abzuholen und ihnen die richtigen Werkzeuge an die Hand zu geben, hat er nach dem Baumgart-Aus an diesem Wochenende bewiesen – auch mithilfe des Video-Tricks. Der Einfall kam ursprünglich von Videoanalyst Eduard Riesen und fand Gefallen. Noch ein Beispiel: Schonlau bekam Fotos zu sehen, auf denen er in der Saison 2019/20, noch als Bundesliga-Profi des SC Paderborn, gegen Ex-BVB-Star Jadon Sancho verteidigte. „Das war eine schöne, emotionale Geschichte und auch ein bisschen lustig, wenn du dann die alten Bilder gesehen hast“, sagte der 30-Jährige mit einem Lächeln.

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„Unser Fokus im Trainerteam lag darauf, die Überzeugung in die eigenen Stärken wieder ein bisschen zurückzugewinnen, die vielleicht bei dem einen oder anderen nicht mehr so ganz da war“, erklärte Polzin. „Die Jungs noch mal abzuholen, was sie bisher in ihrer Karriere schon geleistet haben. Auch so ein bisschen das Bewusstsein beim Nebenmann zu schaffen: Mit wem habe ich es hier eigentlich zu tun?“ Der Coach frohlockte zum Abschluss: „Das war eine richtig coole Aktion. Das sind Momente, wo wir als Trainer noch mal probieren, die Jungs zu packen.“ Hat geklappt – siehe die lachenden Profis.

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