„Würde mich als Karlsruher ärgern“: War der HSV wirklich im Schiri-Glück?
Ehrlichkeit gab es auf beiden Seiten. Im Lager des HSV wusste man nach dem 3:1-Sieg, dass es nach 49 Minuten auch 1:2 hätte stehen können – wenn die Schiedsrichter-Entscheidung anders ausgefallen wäre. Das räumten gleich mehrere Hamburger ein. Der unterlegene KSC-Trainer Christian Eichner urteilte ebenfalls offen, lobte sogar den Referee und schwärmte von einem Profi des HSV, der in betroffener Szene im Fokus stand.
Merlin Polzin hatte vor der Reise noch explizit vor Marvin Wanitzek gewarnt. „Wir müssen ihn mit besonderen Augen verfolgen und im besten Fall verteidigen, weil das sehr viel Qualität für die Liga ist“, hatte der HSV-Trainer gemahnt. Aber kurz nach der Pause war es dann doch die Nummer 10 des KSC, die zum Jubeln abdrehte. Schon wieder ein Gegentor zu Beginn der zweiten Hälfte, konnte man denken. Es wäre für den HSV das 13. in dieser Saison gewesen.
Marvin Wanitzek traf – aber HSV-Gegentreffer zählte nicht
Doch Schiedsrichter Sascha Stegemann nahm den Treffer nach wenigen Momenten zurück. Der Regelverstoß: Abseits. Aber wie konnte das sein? Schließlich war der Ball vom Fuß des grätschenden Daniel Elfadli zu Wanitzek gesprungen. Und nicht von einem KSC-Profi. Dzenis Burnic hatte zuvor geflankt und beim Zeitpunkt dieses Abspiels stand Wanitzek wirklich in der verbotenen Zone. Aber direkt vor dem Abschluss des Karlsruhers ins lange Eck war eben noch Elfadli an der Pille. Doch das aus Sicht des Schiris in einer Art, bei der man nicht sagen kann, dass Elfadli den Ball kontrolliert spielen konnte. Vielmehr, so die Deutung des Schiris, klärte der Abräumer in höchster Not.
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Wenn eine Verteidigungsaktion derart unkontrolliert aussieht, dann sieht eine nicht allzu neue Regel vor, dass keine neue Spielsituation vorliegt – und dass eine Abseitsstellung vorliegen kann, selbst wenn ein Verteidiger direkt vor dem treffenden Angreifer zuletzt am Ball war. Komplex, aber allen Beteiligten bekannt. „Wir hatten ein bisschen Glück, was das Abseitstor anging“, gestand Merlin Polzin trotzdem. Stürmer Ransford Königsdörffers stimmte dem Interimstrainer zu, hielt nach dem Abpfiff fest: „Wir hatten bei dem 1:2 ein bisschen Glück, dass es da Abseits war.“
HSV-Kapitän Schonlau: „Es gibt mittlerweile diese Regel“
HSV-Kapitän Sebastian Schonlau sagte bei Sky gar: „Ganz ehrlich, wir nehmen das Ding heute mit, aber wenn ich beim KSC spielen würde, würde ich mich schon über die Situation ärgern.“ Der Abwehrchef war in der Szene in der Nähe und weiß: „Es gibt mittlerweile die Regel, wenn du ihn nicht kontrolliert spielst, dann kann es Abseits sein. Und so haben sie es entschieden. Ich will da gar nicht zu viel sagen, aber wir nehmen das heute mit.“ Andernfalls wäre die Partie womöglich in die ganz andere Richtung gelaufen und der HSV wäre einem Rückstand hinterhergelaufen.
Es kam anders. Und damit haderte Eichner durchaus. „Ich weiß nicht, wer sich diese Regel überlegt hat. Ich fand die alte eigentlich ganz cool: Der Ball kommt vom Gegner, dann ist es kein Abseits“, sagte der KSC-Coach. „Da haben wir es uns ein bisschen schwerer gemacht, aber dafür kann der Schiedsrichter nichts.“ Vielmehr lobte Eichner den Schiri trotz der Niederlage für sein Team explizit: „Wir haben heute eine super Schiedsrichter-Leistung gesehen.“
Eichner lobt HSV-Profi Elfadli: „Er ist einfach sehr clever“
Der 42-Jährige berichtete von einem offenen Austausch mit Stegemann, auch zu besagter Szene. Er resümierte jedoch sehr wohltuend: „Vielleicht eher über die Regel diskutieren. Die Schiedsrichter-Leistung sollte aber im Vordergrund stehen – die war nämlich richtig gut.“ Und noch jemanden fand Eichner sehr gut: HSV-Profi Elfadli.
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Auch vor dem vermeintlichen KSC-Treffer präsentierte sich der am Sonntag sehr starke Mittelfeldmann hellwach, nur wegen seiner starken Antizipation konnte er Burnic’ Flanke überhaupt abfangen. „Ich finde, Elfadli ist einer der spielintelligentesten Spieler der Zweiten Liga“, erkannte Eichner mit Blick auf den gegnerischen Spieler an. „Insofern antizipiert er diesen Ball, weil er einfach clever ist, weil er den Raum zuläuft, weil er für mich ein Topspieler ist.“
In Karlsruhe war Elfadli einer der besten Akteure auf dem Platz und war ungeachtet des Schiri-Glücks sehr happy: „Es ist einfach Freude pur“, kommentierte der 27-Jährige den ersehnten HSV-Sieg in der Fremde. „Und klar ist es irgendwo auch eine gewisse Befreiung.“ Denn der HSV ist seit Sonntag neuer Tabellenzweiter der Zweiten Liga.