Frau auf dem Weg ins Gericht
  • Klara P. (M) mit ihren Anwältinnen Fenna Busmann (l.) und Katrin Hawickhorst. (Archivbild)
  • Foto: dpa

Mutter saß unschuldig in Haft: Zwei Festnahmen in Hamburger Mordfall

Wird der Fall nun aufgeklärt? Im Mai 2022 wurde ein Gastronom in Borgfelde in seiner Wohnung ermordet. In Verdacht geriet eine Mutter, die anschließend sieben Monate in Haft saß. Unschuldig, wie sich später herausstellte. Jetzt hat die Polizei möglicherweise die wahren Täter geschnappt.

Ermittlungen führten die Beamten auf die Spur eines 38-Jährigen und eines 36-Jährigen. Spezialeinsatzkräfte und Zivilfahnder der Hamburger Polizei nahmen den Älteren am vergangenen Wochenende in seiner Wohnung in Farmsen-Berne vorläufig fest, wie die Polizei jetzt mitteilte. Der andere konnte zunächst fliehen, wurde aber einen Tag später in Nordrhein-Westfalen geschnappt. Die beiden Männer sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Nach Informationen des „Abendblatt“ soll noch ein weiterer Verdächtiger auf der Flucht sein.

Der Fall sorgte für Schlagzeilen, weil eine völlig unbescholtene Frau zum Justizopfer wurde. Am 12. Mai 2022 wurde der 69-jährige Gastronom von seinem Neffen tot in seiner Wohnung an der Bürgerweide in Borgfelde aufgefunden. Jose-Benito R. wurde gefesselt, sein Schädel eingeschlagen und er wurde erstickt. Weil die Wohnung durchsucht war, schloss die Polizei ein finanzielles Motiv nicht aus. Am Tatort fanden die Ermittler unter einem Fingernagel des Opfers und an seiner Kleidung die DNA-Spuren der 38-jährigen Klara P. (Name geändert).

Mord an Gastronom: Mutter sitzt sieben Monate unschuldig in Haft – ohne ihr Baby

Die Frau, die erst ein Jahr zuvor aus Kolumbien nach Hamburg gekommen war und kein Wort Deutsch sprach, wohnte damals mit ihrem sechs Monate alten Sohn im Kirchenasyl. Zwei Kinder hatte sie in ihrer Heimat zurückgelassen. Am 27. Juni 2022 hatte sie ihr Baby anonym in einem Krankenhaus zur Welt gebracht und es zunächst zur Adoption freigegeben – wohl auch aus Angst vor ihren Angehörigen. Später entschied sie sich jedoch, ihr Kind bei sich zu behalten.

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Obwohl sie zur Tatzeit im neunten Monat schwanger war, glaubten Polizei und Staatsanwaltschaft, Klara P. hätte den Senior mit bloßen Händen getötet. Mord aus Habgier, lautete der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Am 14. Dezember 2022 wurde sie verhaftet, ihr Baby wurde in die Obhut des Jugendamtes gegeben. Erst drei Monate später durfte sie ihren kleinen Sohn das erste Mal wiedersehen. Als eine Kollegin am 18. Juli 2023 der Polizei erklärte, Klara P. habe zur Tatzeit mit ihr zusammen in einem Hostel an der Kieler Straße geputzt, wurde sie aus der Frauen-U-Haft in Billwerder entlassen – nach sieben schmerzhaften Monaten ohne ihr Kind. Sogar an seinem ersten Geburtstag konnte sie nicht mit ihm zusammen sein, weil die JVA ein Betriebsfest feierte. Den Geburtstagskuchen, den sie gebacken hatte, teilte sie mit den Mitinsassinnen, ein Stück hob sie für den Besuch des Kleinen am folgenden Tag auf.

Jose-Benito R. wurde in seiner Wohnung an der Bürgerweide ermordet. Polizei
Nach Mord an Ex-Gastronom in Borgfelde – zwei Tatverdächtige in Haft.
Jose-Benito R. wurde in seiner Wohnung an der Bürgerweide ermordet.

Weil die Staatsanwaltschaft und die zuständige Kammer des Landgerichts das Alibi jedoch nicht glaubwürdig hielten, wurde Klara P. im Juni 2023 der Prozess gemacht. Sie soll den Gastronom „unter einem Vorwand aufgesucht, ihn im Flur zu Boden gebracht und nach Geld und Wertgegenständen durchsucht haben“, hieß es in der Anklage. „Dabei soll sie ihm mehrere Rippen gebrochen und ihm die Atemwege zugedrückt haben“. Angeblich soll Klara P. ihr Opfer über eine Datingplattform kennengelernt und die Tat „gemeinsam mit einem weiteren, bislang unbekannten Mittäter ausgeführt haben“.

Mutter von Mord an Gastronom freigesprochen

Ihre Verteidigerinnen Fenna Busmann und Katrin Hawickhorst erklären bereits am ersten Prozesstag: „Sie können diese Hauptverhandlung nach vier Tagen mit einem Freispruch enden lassen“. Ein Gutachten, das die Anwältinnen auf eigene Rechnung in Auftrag gegeben hatten, gab eine plausible Erklärung für die DNA an der Kleidung. Wenige Tage vor dem brutalen Mord hatte sich Klara P. auf die Stellenanzeige des Mannes gemeldet, der eine Köchin und Haushaltshilfe suchte. Klara P. erschien zum Probearbeiten in der Wohnung des Opfers, wie Chatverläufe zwischen ihr und dem Rentner zeigten. Laut ihren Anwältinnen hatte sie dabei zahlreiche Kleidungsstücke gebügelt. Auch das Motiv der Habgier ergab aus Sicht der Verteidigerinnen keinen Sinn, da am Tatort zwei Handys, ein Tresor, ein Laptop und Bargeld gefunden wurde.

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Der Prozess endet für die dreifache Mutter am 28. August 2023 mit einem Freispruch. Auch die Staatsanwaltschaft hatte im Verlauf des Verfahrens darauf plädiert. Anwältin Fenna Busmann sprach von einem „Versagen der Strafverfolgungsbehörden“ und auch der Vorsitzende Richter zeigte sich bedrückt: „Der Freispruch ist auch beängstigend, weil der Täter oder die Täterin weiterhin auf freiem Fuß ist.“

217 Tage saß Klara P. im Gefängnis. Für die Tage in U-Haft sollte sie nach ihrem Freispruch entschädigt werden: 75 Euro bekommt sie für jeden Tag in Gefangenschaft, insgesamt also 16.275 Euro. Geld, mit dem sie sich jedoch weder die verlorene Zeit mit ihrem Kind zurückkaufen, noch die quälenden Monate in der U-Haft rückgängig machen kann.

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