Nach dem Aus der Ampel-Koalition wird heute im Bundestag über den Antrag von Bundeskanzler Scholz auf die Vertrauensfrage abgestimmt.

Nach dem Aus der Ampel-Koalition wird heute im Bundestag über den Antrag von Bundeskanzler Scholz auf die Vertrauensfrage abgestimmt. Foto: picture alliance/dpa/Christoph Soeder

Angst vor der AfD: Warum die Grünen heute nicht für Scholz stimmen sollen

Erst zum sechsten Mal in der bundesdeutschen Geschichte entscheidet der Bundestag am Montag über die Vertrauensfrage. Kanzler Olaf Scholz (SPD) will damit den Weg für Neuwahlen am 23. Februar freimachen. Warum es dazu kam und wie es danach weitergeht.

Warum stellt Scholz die Vertrauensfrage?

Mit dem Bruch der Ampel-Koalition am 6. November schied die FDP aus der Regierung aus. Seitdem regiert der SPD-Kanzler nur noch mit den Grünen und hat keine Mehrheit mehr im Parlament. Die Vertrauensfrage nach Artikel 68 Grundgesetz eröffnet den Weg zu Neuwahlen, wenn der Kanzler sie verliert. Diesen Weg will Scholz nun beschreiten.

Wer stellte bisher die Vertrauensfrage?

Es gab sie bisher fünf Mal: Erstmals wurde die Vertrauensfrage 1972 von SPD-Kanzler Willy Brandt gestellt. Es folgten Helmut Schmidt (SPD, 1982), Helmut Kohl (CDU, 1982) sowie Gerhard Schröder (SPD, 2001 und 2005). Drei Mal hatten Vertrauensabstimmungen bisher Neuwahlen zur Folge.

Was würde passieren, wenn Scholz die Vertrauensfrage gewinnt?

Dann wäre der Weg zu Neuwahlen zunächst verbaut. Scholz hätte dann die Möglichkeit, später nochmals die Vertrauensfrage zu stellen. Ein Scheitern der Neuwahl-Pläne gilt aber als unwahrscheinlich. Die Grünen-Fraktion hat ihren Abgeordneten bereits empfohlen, sich bei der Abstimmung zu enthalten – was wie ein Votum gegen Scholz wirkt. Hintergrund sind Befürchtungen, AfD-Abgeordnete könnten für Scholz stimmen, um Chaos im Parlament zu erzeugen. Laut Fraktionsführung wollen dies drei AfD-Abgeordnete tun.

Wie geht es nach der gescheiterten Vertrauensfrage weiter?

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat 21 Tage Zeit, um über Neuwahlen zu entscheiden. Entscheidet er sich, dazu den Bundestag aufzulösen, müssen binnen 60 Tagen Bundestagswahlen stattfinden. Beim angestrebten Neuwahltermin am 23. Februar könnte Steinmeier die Entscheidung frühestens am 25. Dezember treffen. Wegen der Weihnachtsfeiertage wird aber davon ausgegangen, dass Steinmeier den Beschluss ab dem 27. Dezember bekannt gibt.

Bedeutet die Auflösung des Bundestag, dass das Parlament nicht mehr entscheidungsfähig ist?

Nein, das ist eher ein technischer Begriff im Grundgesetz. Das Parlament bleibt bis zur Bildung eines neuen Bundestags nach der Wahl voll arbeitsfähig, kann Beschlüsse fassen und Gesetze beschließen.

Ist die Regierung weiter handlungsfähig?

Auch die Regierung bleibt nach geltendem Recht im Amt, bis sich nach der Wahl ein neuer Bundestag konstituiert. Sie sieht sich laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit „voll handlungsfähig“. Allerdings regiert Kanzler Scholz nun mit den Grünen nur noch in einer Minderheitsregierung. Damit kann die Regierung ohne Unterstützung aus der Opposition keine neuen Vorhaben beschließen.

Welche Gesetzesvorhaben könnten dennoch beschlossen werden?

Scholz erachtet Beschlüsse bei Kindergeld, Steuern, Deutschlandticket und Energiepreisen für notwendig. Mit der FDP haben sich SPD und Grüne inzwischen auf die Erhöhung von Kindergeld, Kinderfreibetrag und Kinderzuschlag verständigt sowie auf den Abbau der sogenannten kalten Progression. Dabei sollen schleichende Steuererhöhungen durch Lohn- und Preissteigerungen über die Anpassung von Grundfreibetrag und Steuertarif verhindert werden.

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Die Union ist jedoch nur in sehr engen Grenzen zur Zusammenarbeit bereit. Als sicher gilt die Unterstützung beim Vorhaben, das Bundesverfassungsgericht im Grundgesetz besser abzusichern. Als möglich gilt auch die Zustimmung zu Änderungen bei der Besoldung von Bundeswehrsoldaten bei Auslandseinsätzen mit Blick auf die dauerhafte Stationierung einer Brigade in Litauen sowie zur Verlängerung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr im Mittelmeer, im Roten Meer und im Südsudan.

Wie geht es nach der Wahl weiter?

Der neue Bundestag muss sich nach Artikel 39 Grundgesetz spätestens 30 Tage nach der Wahl konstituieren. Danach wäre die bisherige Regierung nur noch geschäftsführend im Amt. Koalitionsverhandlungen für die Bildung einer neuen Regierung sind bis dahin voraussichtlich noch nicht abgeschlossen. Vielfach wird mit einer Übergangsphase bis Ende April oder Anfang Mai gerechnet, bis sich eine neue Regierung gebildet hat.

Wäre nach der Wahl auch eine geschäftsführende Regierung entscheidungsfähig?

Eine geschäftsführende Bundesregierung besitzt dieselben Befugnisse wie eine regulär im Amt befindliche Regierung. Gängige Praxis ist jedoch, dass sie keine Entscheidungen trifft, die eine nachfolgende Bundesregierung binden. Dies betrifft insbesondere finanzielle oder personelle Entscheidungen oder Abkommen mit anderen Staaten. (afp/mp)

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