Weihnachten mit drei kleinen Wundern
Wieder ist es Zeit für die Weihnachtsgeschichte, für die fünfte, seit ich meine Kolumne vom Meer schreibe. Ich könnte über einen Fischer berichten, den ein Massengutfrachter vor der Küste von Indonesien im weiten Meer entdeckte.
Drei Tage lang trieb der Seemann dank einer Rettungsweste auf den Wellen. Die Crew eines Fangbootes, auf dem er anheuerte, hatte ihn vor die Wahl gestellt: Ins Meer springen oder direkt sterben? Wochenlang war er an Bord zuvor geschlagen und misshandelt worden. Dass er die Torturen überlebte, ist eine Art kleines Weihnachtswunder. Den Rest regelt hoffentlich die indonesische Polizei.
Ich könnte über die Freilassung von Captain Paul Watson schreiben, der im Sommer in Grönland festgesetzt worden war. Er sollte an Japan ausgeliefert werden, wegen eines Vorfalls mit einem japanischen Walfangschiff in der Antarktis, lange her. International gab es Proteste, auch bei uns, wo sich die Sängerin Sarah Connor verdient machte.
Nun entschied das dänische Justizministerium, den Walfanggegner freizulassen. Womöglich wäre Watson, Mitte 70, sonst in einem japanischen Gefängnis gestorben. Dass er nun heim zu seiner Familie darf, so kurz vor dem Fest: noch so ein kleines Weihnachtswunder.
Gar nicht mit dem Fest der Nächstenliebe vereinbar ist hingegen die Nachricht, dass die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ ihr Rettungsschiff „Geo Barents“ aus dem Mittelmeer abzieht. Ein Schiff, das seit Juni 2021 mehr als 12.000 Geflüchteten in Seenot das Leben rettete. Warum nur?
NGO beklagt „absurde italienische Gesetze“
„Absurde italienische Gesetze“, beklagt die NGO und nennt das „Piantedosi-Dekret“. Damit schreibt die rechtsgerichtete italienische Regierung den Kapitänen vor, dass sie Gerettete in oft weit entfernten Häfen absetzen müssen. „Seitdem das Piantedosi-Dekret in Kraft getreten ist, hat die Geo Barents ein halbes Jahr allein mit dem langwierigen Anfahren und Ablegen verbracht“, heißt es im Statement.
Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
Alle aktuellen Folgen dieser Kolumne finden Sie hier.
In der Zwischenzeit dürfen die Crews nicht helfen, selbst dann nicht, wenn es einen Notfall in der Nähe gibt. Und die Behörden finden immer wieder Gründe, Schiffe festzusetzen, Retter zu strafen und mit Geldstrafen zu belegen.
Das könnte Sie auch interessieren: Sie sind die unsichtbaren Helden des Meeres
Ich weiß nicht, wo Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihr „verstörender Innenminister“ Matteo Piantedosi (Süddeutsche Zeitung) den Heiligen Abend verbringen. Vermutlich zelebrieren die das Fest, wie sich das für Rechtspopulisten gehört, besonders feierlich und sie hören die biblische Geschichte über Hilfe für Arme und Notleidende, schließen ganz fest die Augen und sind mit sich im Reinen.
Möge ihnen beim Verlassen der Kirche die größte Möwe Italiens auf die Jacken scheißen. Auch das wäre doch ein schönes kleines Weihnachtswunder.
Allen Lesern ein frohes Fest!