Julian Köster streitet sich mit zwei Brasilianern um den Ball.

Harter Test: Julian Köster und Co. taten sich im letzten WM-Test gegen Brasilien in Hamburg lange sehr schwer. (Foto: WITTERS)

„Dämpfer“: Deutsche Handballer trotz Sieg im letzten WM-Test in Hamburg alarmiert

Gewonnen, aber nicht überzeugt. Bejubelt, aber nicht in Feierlaune. Deutschlands Handballer haben die WM-Generalprobe gewonnen, konnte beim 28:26 (13:17)-Sieg gegen Brasilien aber nicht überzeugen und muss sich bis zum WM-Auftakt erheblich steigern, um dort um Medaillen spielen zu können. Erst in den Schlussminuten gelang es dem Olympia-Silbermedaillengewinnern, dass Spiel in der Hamburger Barclays Arena noch umzubiegen und die rund 12.500 Zuschauenden in der ausverkauften Halle von den Sitzen zu reißen. Der Bundestrainer macht sich Sorgen, Spielmacher Juri Knorr fordert ein „höheres Level“, Kapitän Johannes Golla hofft auf einen Warnschuss-Effekt.

Zwei WM-Tests in drei Tagen, zwei Siege. Das klingt besser als es war. „Ich bin natürlich nicht zufrieden, mit keinem von beiden“, sagte DHB-Coach Alfred Gislason und versuchte gar nicht erst, irgendetwas schön zu reden. „Nach den guten Trainingsleistungen hätte ich gedacht, dass wir besser spielen. Wir waren nicht so stabil. Natürlich macht mir das Sorgen, ich hätte das besser erwartet.“

DHB-Team schlägt Brasilien in Hamburg, überzeugt nicht

Viel Zeit ist nicht mehr. Am kommenden Mittwoch steht im dänischen Herning das erste Vorrundenspiel gegen Polen an. Das muss mehr kommen, um zu gewinnen. „Das war ein kleiner Dämpfer. Wir haben gelernt, dass nichts von alleine geht. Wir müssen auf ein höheres Level kommen“, weiß Knorr, mit fünf Toren erfolgreichster Schütze gegen die Brasilianer, die bis zehn Minuten vor Spielende noch geführt und den Gastgebern erhebliche Probleme bereitet hatten.

Schlechte Generalprobe, gute Premiere bei der WM? „Ich hoffe, dass das Spiel ein gewisser Wachrüttler war“, sagt DHB-Spielführer Golla und mahnt: „Wir haben immer gesagt: wenn wir nicht unsere Top-Leistung abrufen, bekommen wir gegen jeden Gegner Probleme. Wir brauchen harte Arbeit, um zu gewinnen. Wir haben ein erfolgreiches Jahr hinter uns, aber wir sind nicht auf dem Level, dass wir Mannschaften wie Brasilien im Vorbeigehen schlagen. Wir brauchen harte Arbeit, um zu gewinnen.“ Fast wären sie gestolpert.

Katastrophale Chancenverwertung: „Darf nicht passieren“

Erschreckend war die Chancenausbeute, insbesondere in Halbzeit eins, in der die deutschen Spieler reihenweise frei am brasilianischen Keeper Rangel Luan Da Rosa (15 Paraden) scheiterten. Gislason raufte sich die Haare, das Publikum stöhnte immer wieder auf. Es war zum Verrücktwerden, wie beste und auch gut herausgespielte Chancen verballert wurden. „Durch die Bank verwirft jeder von uns ein, zwei Freie. Dann wird es einfach schwierig“, meinte Rückraumspieler Julian Köster. „Das gibt so Tage, aber natürlich darf das so nicht passieren.“ Aber es mangelte ebenso in Sachen Tempo, Timing und Durchschlagskraft.



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Auch die Abwehr hatte zwei Tage nach dem erst in der Schlussphase souveränen 32:25-Sieg in Flensburg in den ersten 30 Minuten immer wieder Probleme, stand zwar grundsätzlich nicht schlecht, verteidigte aber nicht immer bis zum Schluss konsequent und konzentriert durch und kassierte auch aufgrund von Mängeln in der Abstimmung mehrere Tore am Rande des brasilianischen Zeitspiels. „Wir kriegen trotzdem nur 26 Gegentore. Wir dürfen nicht alles schlechtreden, müssen uns aber in einigen Situationen besser helfen“, meinte Köster.

Andreas Wolff noch nicht in WM-Form

Torwart Andreas Wolff bekam kaum einen Ball zu fassen, haderte mit seinen Vorderleuten und auch mit sich, wirkte frustriert und genervt. Vier Paraden in 40 Minuten – nicht das, was Wolff kann und von sich erwartet. Ein unbefriedigender Nachmittag für den frischgebackenen Vater, der in Flensburg aufgrund der Stunden zuvor erfolgten Geburt nicht gespielt hatte.

Wolffs Stellvertreter David Späth, nominell die Nummer zwei im Team, machte es besser, lieferte nach seiner Einwechslung in den letzten 20 Minuten der Partie fünf Paraden (darunter ein Siebenmeter) und hatte Anteil daran, dass die Aufholjagd gelang. Nach eine Viertelstunde vor Schluss lag das DHB-Team mit 19:22 zurück, konnte erst in der 50. Minuten zum 23:23 ausgleichen und zwei Minuten vor dem Ende erstmals seit den Anfangsminuten mit 27:26 in Führung gehen.

Bundestrainer Gislason lobt Moral seiner Mannschaft

Bei aller berechtigter Kritik musste Gislason „trotzdem auch loben, dass die Mannschaft zulegen konnte, leistungsmäßig und auch von der Konzentration. Dann gewinnen wir ein Spiel, in dem wir eigentlich nur 15 Minuten besser waren.“ Die letzten 15 Minuten. Köster war „stolz, dass wir das Spiel noch umgebogen haben“ und Golla betonte: „So ein Moral-Sieg kann auch wichtig sein. Das wird uns nicht verunsichern, aber wir haben was zum Nachdenken und zum Analysieren. Wir freuen uns auf die WM.“

Am Sonntag steht noch einmal Regeneration und Packen im Teamhotel am Tierpark Hagenbeck an, am Montag reist der DHB-Tross dann per Bus ins WM-Quartier im dänischen Silkeborg, unweit des Spielortes Herning. In der Vorrundengruppe A sind neben Polen auch die Schweiz (17. Januar) und Tschechien (19. Januar). Deutschland in allen drei Duellen gilt als Favorit, muss sich aber gegenüber den beiden Testspielen deutlich steigern, um dieser Rolle gerecht werden zu können und Aussicht auf Edelmetall zu haben.

Wen streicht Gislason noch aus dem WM-Aufgebot?

Mit 17 Spielern will Gislason die Reise nach Norden antreten, zwei Spieler aus dem 19-Mann-Kader der Vorbereitung werden nicht mehr dabei sein. Der dritte Keeper Joel Birlehm sowie ein Feldspieler, über den der Bundestrainer noch entscheiden und ihn dann informieren wird. Vermutlich trifft es den dritten Kreisläufer Tim Zechel, kurz vor dem Start der Vorbereitung für den verletzten Jannik Kohlbacher nachnominiert.

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