Auf dem Cottbuser Ostsee, einem gefluteten ehemaligen Braunkohletagebau, wird derzeitig eine große Floating-PV-Anlage errichtet.

Auf dem Cottbuser Ostsee, einem gefluteten ehemaligen Braunkohletagebau, wird derzeitig eine große Floating-PV-Anlage errichtet. Könnten die Anlagen zukünftig auch auf der Nordsee eingesetzt werden? Foto: picture alliance/dpa/Patrick Pleul

Schwimmende Anlagen: Ist Solarenergie vom Meer die Zukunft?

Der kräftige Wind auf der Nordsee wird schon lange für die Stromerzeugung genutzt. Doch eignet sich die See auch für den Einsatz von Solaranlagen? Experten sehen Vorteile – und noch viele Fragen.

Nicht nur auf Dächern und an Balkonen sind inzwischen vielerorts kleine Solarkraftwerke installiert, auch auf Freiflächen werden große Photovoltaik-Anlagen für die Energiewende aufgebaut. Doch Freiflächen-Anlagen benötigen viel Platz. Den bieten in Deutschland bislang vor allem künstliche Gewässer, auf denen mancherorts schon schwimmende Solaranlagen installiert sind. Könnten schwimmende PV-Anlagen, englisch Floating PV genannt, künftig auch auf der Nordsee eingesetzt werden? 

Welche Vorteile bieten schwimmende PV-Anlagen auf dem Meer? 

Da ist zum einen das große Flächenpotenzial, das Wasserflächen zum Beispiel zwischen Offshore-Windparks bieten und bislang energetisch ungenutzt bleibt. Außerdem könnten sich Windkraft und Solarenergie auf dem Meer kombinieren lassen, sodass schon vorhandene Stromnetzanbindungen der Windparks effizienter genutzt werden könnten, sagt Bengt Jäckel, der am Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik in Halle zu PV-Modulen forscht. 



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„In der Tagesmitte weht meistens weniger Wind, dafür scheint eher die Sonne. Abends und morgens setzt der Wind ein. Durch eine Kombination ist die Netzauslastung der Stromleitungen Richtung Land deutlich größer“, erklärt der Wissenschaftler. Mit einer höheren Auslastung ließen sich Kosten bei der Stromerzeugung senken. Für eine bestmögliche Kombination der Energieträger bräuchte es laut Jäckel allerdings auch verschiedene Speichermöglichkeiten.

Wird die Technik auf der Nordsee schon erprobt? 

Ja, zum Beispiel in der niederländischen Nordsee. Dort ist der Energiekonzern RWE an einem Pilotprojekt mit dem Unternehmens SolarDuck beteiligt. In dem „Merganser“ genannten Projekt schwimmt eine Testanlage zwölf Kilometer vor der Küste von Scheveningen auf einer Unterkonstruktion in der See. Die Anlage wird durch Ankerleinen in Position gehalten. Zwei Jahre soll dort nun untersucht werden, wie die Verankerung der Plattform mit den rauen Bedingungen zurechtkommt und welche ökologischen Auswirkungen es gibt. 

Wovon hängt der Einsatz von schwimmenden PV-Anlagen ab? 

Experten nennen eine ganze Reihe offener, technischer Fragen, an denen aktuell noch geforscht wird – zum Beispiel aus welchen Materialien die PV-Anlagen und die Trägerkonstruktionen gebaut sein müssen. „Es werden Schwimmkörper sein aus Kunststoffen oder aus Metall“, sagt Forscher Jäckel. Beides habe auch Risiken: Schwimmkörper aus Metall könnten korrodieren, bei Kunststoff bestehe die Gefahr, dass Mikroplastik ins Meer gelange. 

Auch wie schwimmende PV-Anlagen kontinuierlich Wellen und Wind auf dem Meer bestehen können, müsse noch weiter erforscht werden. „Anders als etwa bei einem Windrad auf See setzen Wind und Wellen bei Floating-PV das ganze System rund um die Uhr in Bewegung. Das ist etwas Neues“, sagt Jäckel. Daneben sei auch die Wartung und die Lokalisierung von Fehlern auf See viel komplexer. Ein Monitoring könne etwa über Sensorik erfolgen oder über Drohnen. „Das sind alles Themen, die gerade diskutiert werden“, sagt Jäckel. 

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Das zuständige Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) teilt auf Anfrage mit, aktuell könne die Behörde nicht einschätzen, ob eine Installation in der Deutschen Bucht technisch möglich sei. „Die technische Machbarkeit ist abhängig von der eingesetzten Technologie und müsste von einem Vorhabensträger untersucht werden“ Anfragen lägen bislang nicht vor. 

Wo könnten PV-Anlagen in der deutschen Nordsee stehen? 

Das ist noch gar nicht ganz klar. Der unmittelbare Küstenbereich dürfte für solche Anlagen ausgeschlossen sein, denn da liegt das schützenswerte Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer. Innerhalb des Nationalparks Wattenmeer sei eine Installation von schwimmenden PV-Anlagen aus rechtlichen und fachlichen Gründen nicht möglich, stellte kürzlich das Umweltministerium in Hannover in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage klar. 

Es bliebe noch die sogenannte Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ). In diesem Meeresgebiet gibt es aber viele verschiedene Interessen. Nach einer vorläufigen Einschätzung kämen Schutzgebiete, Vorranggebiete für die Schifffahrt und militärische Übungsgebiete nicht infrage, teilt das BSH mit. Denkbar wäre der Einsatz in dem sonstigen Energiegewinnungsbereich SEN-1. Das ist eine rund 100 Quadratkilometer große Meeresfläche in der Nordsee.

„Inwiefern eine Installation hier oder auch innerhalb von Flächen für Windenergie auf See möglich ist, hängt auch von einer konkreten Planung und der naturschutzfachlichen Prüfung ab“, teilt die Behörde weiter mit.

Welchen Einfluss hat die Technik auf die Meeresumwelt? 

Auch zu dieser Frage ist laut Experten noch Forschung nötig. „Nach unserem Kenntnisstand fehlen bislang konkrete Untersuchungen von Auswirkungen von PV-Anlagen auf Meeresorganismen und es besteht insbesondere für den marinen Bereich ein beträchtlicher Forschungsbedarf“, teilt das BSH mit. Vor allem die Größe der PV-Anlagen ist wohl ein maßgebliches Einflusskriterium. 

Ein Aspekt ist etwa die Verschattung, also wie viel Licht durch die Anlage in der Wassersäule noch ankommt. Eine ähnliche Frage stelle sich auch in der Agri-Photovoltaik, sagt Jäckel – also bei PV-Anlagen über landwirtschaftlichen Flächen. Das Bundesamt BSH listet als weitere mögliche Umweltauswirkungen unter anderem einen verringerten Austausch zwischen Wasser und Atmosphäre, Reflexionen, Schadstoffemissionen durch Korrosionsprozesse und Anziehungsprozesse für Fische und Meeressäuger auf.

Wie steht die Politik zu schwimmenden PV-Anlagen im Meer? 

Fachpolitiker haben die Technologie schon auf der Agenda – sie sehen aber ebenso noch offene Fragen. Die CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag teilt mit, für die Energiewende gelte es, alle Potenziale zu heben. Dazu gehöre, den verträglichen Ausbau erneuerbarer Energien auf der Nordsee zu prüfen. 

„Floating-Photovoltaikanlagen könnten in Offshore-Windparks eine sinnvolle Ergänzung zur Steigerung der Energieerzeugung darstellen“, sagt die umweltpolitische Sprecherin der CDU, Verena Kämmerling, auf dpa-Anfrage. Einen Wildwuchs von Industrieanlagen in der Nordsee dürfe es aber nicht geben.

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Das von Christian Meyer (Grüne) geführte Energie- und Umweltministerium in Hannover sieht Chancen für schwimmende PV-Anlagen vor allem an Land – etwa auf Speicherbecken. „Ob dies im Umfeld von Windparks auf See bei allen konkurrierenden Nutzungen möglich und sinnvoll ist, gilt es näher zu prüfen.“

Das Ministerium erwartet zudem, dass die Kosten für Photovoltaik auf dem Meer etwa durch die Befestigung am Meeresgrund, die fehlende Netzanbindung und häufigeren Reparaturen infolge von Wellengang und Stürmen höher sein dürften als vergleichbare Anlagen an Land.

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