Oke Göttlich bei einer Pressekonferenz

Sieht viel Diskussionsbedarf: St. Paulis Boss Oke Göttlich (Foto: imago/Oliver Ruhnke)

Brisanter TV-Geld-Gipfel: St. Pauli-Boss will „fatale Entwicklung“ stoppen

Es sind ausgesprochen kurzweilige acht Tage für Oke Göttlich. Nach dem 0:1 gegen Frankfurt warten die Auswärtsspiele in Bochum (Mittwoch) und Heidenheim (Samstag) auf den Präsidenten des FC St. Pauli, und auch zwischendurch ist keine Zeit zum Durchatmen. Denn am Donnerstag steht die Außerordentliche Mitgliederversammlung der DFL in Frankfurt an, in der es um die Verteilung der TV-Gelder geht. In der „Frankfurter Rundschau“ bezogen Göttlich und Werder Bremens Boss Klaus Filbry zum heiß diskutierten Thema schon einmal klar Stellung.

Rund 1,3 Milliarden Euro kommen aus der nationalen und internationalen Medienvermarktung der 1. und 2. Liga zusammen. Vor allem Klubs aus dem Unterhaus wollen künftig nicht mehr nur mit Krumen vom großen Kuchen abgespeist werden, aber auch Erstligisten wie eben der FC St. Pauli und Werder Bremen streben eine gerechtere Verteilung des Geldes an.

St. Pauli und Werder mahnten schon vor sechs Jahren

„Wir haben bereits vor sechs Jahren gemeinsam mit Klubs wie Werder, Mainz 05 und Borussia Mönchengladbach darauf hingewiesen, dass die Einnahmen der Europacupteilnehmer eine deutliche Verstärkung des Ungleichgewichts darstellen“, erklärte Göttlich. „Es wurde darüber debattiert mit dem enttäuschenden Ergebnis, dass die Steigerung der Einnahmen aus europäischen Wettbewerben in den letzten drei Verteilungsdebatten, also seit zwölf Jahren, nicht in Betracht gezogen wurden.“ Allein das überkompensiere die aktuellen Forderungen der sich selbst als Lokomotiven der Liga bezeichnenden Klubs um ein Vielfaches, weswegen die Forderungen aus dieser Richtung nach mehr Geld absurd seien.

Filbry zeigte sich auf derselben Welle unterwegs: „In der 2. Liga bekommt der Erste das 2,25-fache des Letzten. In der ersten Liga ist es unter Miteinberechnung der internationalen Erlöse ein Verhältnis von 14:1 beim Vergleich des Tabellenführers mit dem Schlusslicht.“ Dass das für die Attraktivität der Bundesliga, die von einem spannenden Wettbewerb lebe, so nicht gesund sein könne, sei unschwer zu erkennen. „Wir müssen endlich anfangen, die Ich-Perspektive zu verlassen und uns damit beschäftigen: Was sind die Herausforderungen der Liga als Ganzes?“

Göttlich wehrt sich gegen „Bild der sozialistischen Gleichverteilung“

„Der FC St. Pauli wird beargwöhnt, weil viele uns mit dem Bild der sozialistischen Gleichverteilung verunglimpfen wollen“, sagte Göttlich. „Gleichwohl muss es eine laute Interessenvertretung geben, um sich überhaupt in Nuancen einem etwas besseren Verteilungssystem anzunähern, das die Vermarktbarkeit der Ligen unterstützt.“ Nationaler Livefußball sei ein Must-Have für Medienhäuser, die in einem der wirtschaftsstärksten Länder der Welt zukünftig auch Geld verdienen wollten. „Denn die unbeantwortete Kernfrage lautet nach wie vor: Warum können bevölkerungsärmere Länder höhere oder ähnlich hohe TV-Erlöse erzielen als Deutschland? Deswegen sollten auch die TV-Anbieter ein Interesse haben, dass sich die Verteilung hin zu spannenderem Sport verändert.“

Oke Göttlich sieht Grenzen der Solidarität erreicht

Allerdings sei die Lage aktuell ziemlich festgefahren. „Wir garantieren wenigen Spitzenklubs Sicherheit, um ihre Chance auf Erfolg deutlich zu erhöhen“, stellte Göttlich fest. Das widerspräche der Leidenschaft, dem Naturell und dem Kern des Sports. „Richtig wäre, es so zu organisieren: Das Geld folgt dem Sport und nicht der Sport dem Geld. Diese Perspektive haben wir ein Stück weit verloren. Das ist eine fatale Entwicklung, die uns an die Grenzen der Solidarität und eines demokratischen Miteinanders führt.“ Das sollte man bei der Versammlung besprechen, das sei das Thema.

Göttlichs Prognose: Bundesliga bald nur noch unter der Woche

Grundsätzlich malte Göttlich eine eher dunkle Zukunft für die Bundesliga. „Wir werden eine Verschiebung des Rahmenterminkalenders erleben, der eine Gefahr für die nationalen Ligen darstellt“, meinte er. „Ich sage jetzt voraus: In fünf bis spätestens zehn Jahren werden wir die Diskussion haben, dass die Champions League am Wochenende spielen will. Die Bundesliga kann dann zusehen, ob sie dienstags und mittwochs noch Termine findet. Ich freue mich auf die Diskussionen, die wir dann mit der Fanseite haben werden.“

Obergrenze bei Gehalt und Kadergröße gefordert

Filbry brachte derweil ein weiteres Instrument der Regulatorik ins Gespräch: die Gehaltsobergrenze. „Das wäre ein Mittel, um den Wahnsinn einzugrenzen, der bezüglich der Gehälter passiert. Aus meiner Sicht ein wichtiger Baustein, um Wettbewerbsintegrität wieder herzustellen“, betonte er und fand in Göttlich einen absoluten Fürsprecher. „Ich bin mir sehr sicher, dass Bayern München eine Gehaltsobergrenze absolut befürworten würde, um die Kaderkosten zu begrenzen“, sagte der Hamburger. Nichts zu tun, sei keine Lösung. „Denn wir stehen in einem bodenlosen Wettbewerb, der die Kosten immer weiter hoch und die Vereine an den Rand ihrer Möglichkeiten treibt. Eine Aufmerksamkeit dafür zu schaffen, dass vieles schiefläuft, ist wichtig.“

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Zudem müsse man sich auch über eine Kader-Obergrenze unterhalten. „Es kann nicht angehen, dass Manchester City als Multi-Club-Owner-System Hunderte von Spielern unter Vertrag hat, diese auf dem Erdball verteilt und dann mal guckt: Welche von meinen 180 Aktien wird genug werden, um für City in der Champions League zu spielen? Mit solchen Strategien machen wir den Sport kaputt.“

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