Hamburg stoppt Vergabe von Impfterminen – was das nun bedeutet
Aufregung rund um die Impfkampagne in Hamburg: Die Stadt wird erst einmal keine Ersttermine in den Messehallen mehr vergeben. Grund dafür ist die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO), AstraZeneca-Erstgeimpfte beim zweiten Mal mit einem anderen Impfstoff zu impfen. Die Politik wurde davon überrascht, die Hausärzt:innen sind sauer. Und vor allem: Die Entscheidung bedeutet einen Rückschlag für das Impftempo – gerade jüngere Menschen gucken nun in die Röhre.
Dass Politiker:innen öffentlich bekunden, von etwas überrascht worden zu sein, kommt selten vor. Doch Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) machte am Freitag keinen Hehl daraus, dass sie die die neueste Einschätzung der STIKO kalt erwischt hatte. „Wir alle waren nicht auf diese Empfehlung eingestellt“, sagte sie.
STIKO gibt neue Empfehlung für AstraZeneca-Zweitimpfung
Das oberste Impfgremium der Republik hatte am Tag zuvor mitgeteilt, dass künftig Menschen, die eine erste Dosis des Impfstoffs AstraZeneca bekommen haben, unabhängig von ihrem Alter beim zweiten Mal einen mRNA-Impfstoff (Moderna, Biontech) erhalten sollten. Hierfür ist statt des Abstands von zwölf Wochen zwischen zwei AstraZeneca-Dosen bereits ein Abstand von vier Wochen möglich. Wobei ein Abstand von sechs bis acht Wochen als ideal gilt. Grund für die neue Empfehlung ist eine nach neuester Studienlage höhere Wirksamkeit der sogenannten Kreuzimpfung.
Da in den kommenden Wochen 50.000 Zweittermine für AstraZeneca-Erstgeimpfte in den Messehallen anstehen, zog man in Hamburg die Reißleine und nahm kurzerhand alle vorher noch freien Impftermine aus dem Buchungssystem. „Wir benutzen jetzt Impfstoff, der heute morgen noch im System war, für die Zweittermine“, erklärt der Sprecher der Sozialbehörde, Martin Helfrich, die Situation gegenüber der MOPO.
Hamburg stoppt Impfterminvergabe – wie es jetzt weitergeht
Hamburg stolpert damit vom angestrebten Impfturbo erst einmal für mindestens zwei Wochen in den Impfstopp. So lange werden laut Senatorin Leonhard auf keinen Fall neue Termine eingestellt. Besonders betroffen sind davon junge Menschen, die bislang noch keine Erstimpfung erhalten haben und sich damit vorerst nicht einmal einfach schützen können.
Menschen, die aufgrund einer AstraZeneca-Erstimpfung direkt von der Änderung betroffen sind, müssen nicht selbst aktiv werden und sich einen neuen Impftermin besorgen. „Wenn sie schon einen Termin im Impfzentrum haben, müssen sie nichts tun. Sagen Sie nichts ab, verlegen sie den nicht. Nehmen sie den Termin wahr“, so Leonhard. Jede:r bekomme dann automatisch den für ihn oder sie empfohlenen Impfstoff für die Zweitimpfung. Wer trotz der neuen Empfehlung mit AstraZeneca zweitgeimpft werden möchte, kann dies vor Ort machen lassen. Leonhard betonte gleichzeitig, dass bereits doppelt mit AstraZeneca geimpfte Menschen sich nun keine Sorgen machen müssten, dass die Impfung schlecht wirke. „Die Wirkung auch gegen die Delta-Variante ist weiterhin gut bei Menschen, die schon zwei Impfungen erhalten haben.“
AstraZeneca-Impfung: So läuft es nun bei den Hausärzten
Doch nicht nur im Impfzentrum muss nun kräftig umgestellt werden. „Die Hausärzte sind jetzt sehr gefordert, in den nächsten zwei Wochen die Impfstoffe aus den Apotheken abzurufen, die sie brauchen“, so Leonhard. Das dürften viele Hausärzt:innen noch als Untertreibung auffassen. Laut dem Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung, Walter Plassmann, wird es erst einmal keinen ausreichenden Impfstoff in den Praxen geben, um Zweitimpfungen mit einem mRNA-Wirkstoff vorziehen zu können. „Bitte gehen Sie nicht spontan in eine Arztpraxis“, bittet er. „Setzen Sie sich erst mit der Praxis in Verbindung und sprechen Sie das weitere Vorgehen ab.“
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Weniger diplomatisch drückt sich der Hamburger Hausärzteverband aus. „Gerade waren wir froh, dass wir in dieser Woche ausreichend mit Biontech versorgt wurden, jetzt kommt wieder die nächste Änderung, die eine Planungssicherheit erneut gefährden kann”, beklagt die Vorsitzende Jana Husemann gegenüber der MOPO. Die unabgestimmte Empfehlung über Nacht bedeute eine Menge Mehraufwand für die Praxen. Durch den Vorstoß werde außerdem Vertrauen der Bevölkerung in die Impfkampagne erschüttert. „Das bedeutet erneut Chaos in den Praxen.”