„Schluss mit der Sippenhaft“: Der Kiez ist stinksauer auf Tschentscher
Der Kiez ist sauer – und zwar auf Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und den Senat. Während im Rest der Stadt immer weiter gelockert wird, herrscht rund um die Reeperbahn seit knapp einem Monat Alkoholausschankverbot ab 23 Uhr. Viele Clubs, Bars, Restaurants und Hotels stehen vor dem Ruin. In einem offenen Brief wenden sie sich an den Senat und fordern, das pauschale Verbot auf St. Pauli zu kippen.
„Was wir auf St. Pauli gerade erleben, ist die Umkehrung des gesunden Menschenverstandes”, so Axel Strehlitz, der unter anderem die „WunderBar” und den „Sommersalon” auf dem Kiez betreibt. „Statt die Gäste kontrolliert genießen zu lassen, werfen wir sie um 23 Uhr vor die Tür und entziehen sie so jeglicher Aufsicht”.
Hamburg: Kiez-Gastronomen wenden sich an Senat
Aber nicht nur Strehlitz ist richtig wütend. In dem offenen Brief sprechen sich der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) Hamburg, die „IG St. Pauli/Hafenmeile“, der Verein „barkombinat” und mehr als 40 Kiez-Gastronomen gegen die Sonder-Maßnahmen auf der Meile aus. Darunter sind Wirte der „Alten Liebe”, der „Bermuda Bar”, vom „Bahnhof Pauli“, von „Susi’s Show Bar”, der „Olivia Jones Bar” und viele mehr.
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Die Kiez-Macher sehen in den Maßnahmen eine Unverhältnismäßigkeit. Während Tanzveranstaltungen im Freien mit bis zu 250 Personen wieder erlaubt seien, werde das Alkoholausschankverbot „totgeschwiegen”, wie es in dem Brief heißt. Dabei liegt die Inzidenz in Hamburg seit Wochen unter einem Wert von 20. Vor einigen Tagen wurde sogar die 10er-Marke unterschritten. Am Sonntag wurde 8,8 vermeldet.
St.Paulis Wirte schreiben offenen Brief an Senat
„Es ist die Ungleichbehandlung der hier ansässigen Gastronomien, die sich genauso an die Regeln halten wie anderswo in der Stadt, die großes Unverständnis erzeugt”, sagt Hannes Vater (Schmidts Tivoli) vom DEHOGA Hamburg. Nach sieben Monaten Lockdown hätte die Lust auf die Wiederbelebung St. Paulis „nicht größer sein können” – natürlich mit entsprechenden Hygienekonzepten. Die Sommermonate sind gerade für die kleinen Clubs, Bars und Restaurants überlebenswichtig.
Auch Olivia Jones meint: „Monatelang hieß es: Wenn die Inzidenzwerte runter sind, sich die Intensivstationen leeren und mehr getestet und geimpft wird, dann dürft ihr wieder. Stattdessen werden jetzt dem Kiez neue Sonderregeln aufgedrückt. Vorsorglich. Weil anderswo die Feierstimmung explodiert ist. Die meisten Wirtinnen und Wirte aus der Nachbarschaft kommen sich nur noch verkauft, verraten und vergessen vor.”
Gastronomen fordern Lockerung von Alkohol-Ausschankverbot
Der Senat verabschiedete die Alkoholverbote aus Vorsorge. Schließlich kam es in der Vergangenheit in Schanze, Kiez und Co. immer wieder zu Ansammlungen hunderter bis tausender feierwütiger Menschen – ohne Maske und Abstand. Aber gerade diese „notorischen Regelbrecher” sollten nicht in einen Topf mit denen geschmissen werden, die sich an die Regeln halten, heißt es in dem Brief.
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Daher die Forderung: „Augenmaß statt Sippenhaft”. St. Paulis Hotspot-Ausschankverbot solle wieder auf die Tagesordnung der Hamburger Politik und zumindest schrittweise gekippt werden. Die Gastronomen fordern in dem Brief klare Aussagen, an welche Kriterien weitere Lockerungen und Perspektiven geknüpft werden. „Das alles wären kleine Schritte für den Senat, aber große Sprünge für die Gastro-Vielfalt auf St. Pauli.” (lmr)