Eine Oper in der HafenCity: Hamburgs Milliardärsgeschenk
Riesenandrang bei der eilig einberufenen Sonder-Landespressekonferenz: Michael Kühnes Stiftung und die Stadt haben am Freitagmittag im Rathaus offiziell ihre Einigung verkündet: Der Milliardär schenkt seiner Geburtsstadt ein neues Opernhaus – und anders als bei anderen Mega-Bauprojekten soll das Kostenrisiko für die Steuerzahler diesmal tatsächlich bei Null liegen. „Ich möchte mich bitte einfach mal freuen dürfen“, so Bürgermeister Peter Tschentscher zu den skeptischen Journalisten. Auch Nicht-Opernfans können sich freuen: Das Bauwerk soll eine öffentliche Aussichtsplattform mit Hafenblick bekommen.
Nachdem der 87 Jahre alte Milliardär einen ersten Notartermin vor einigen Tagen platzen ließ, wurde der Vertrag nun überraschend schnell unterschrieben. Es habe in der Zwischenzeit aber keine Nachverhandlungen oder Änderungen gegeben, betont Kultursenator Carsten Brosda (SPD) und beschreibt eindringlich den Umfang des Vertragswerkes: „Die Verlesung beim Notar dauert sechs Stunden.“
Darin festgehalten ist, grob verkürzt: Der in Hamburg geborene Kunstmäzen baut mit seiner Stiftung ein Opernhaus für rund 330 Millionen Euro in der HafenCity – und das Risiko für alle Kostensteigerungen trägt ausschließlich die Stiftung. Es gibt keine Maximalsumme im Vertrag. „Ein Glücksfall für Hamburg, die Opernkunst – und für die Steuerzahler“, frohlockt der Erste Bürgermeister. Und der Kultursenator staunt immer noch: „Die Stiftung übernimmt ohne Einschränkungen alle Kosten, das ist ein herausragender Umstand, wir konnten gar nicht glauben, dass uns jemand so ein großzügiges Geschenk macht.“
Steuern zahlt der Milliardär in der Schweiz
In der ersten Hälfte des nächsten Jahrzehnts sollen die ersten Arien am Baakenhöft ertönen. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hatte Kühne bedauert, dass er die Fertigstellung seines Geschenks „wohl nicht mehr erleben werde“: „Aber gut, ich tue das für Hamburg.“ Seine Steuern zahlt der Milliardär – mit mehr als 37 Milliarden Euro einer der reichsten Deutschen – allerdings seit Jahrzehnten in der Schweiz. Das lohnt sich: Knapp 1,9 Milliarden Euro Dividende kassierte der Opernfreund 2021 allein für seine Anteile an Hapag-Lloyd.
Fünf „international äußerst renommierte Architekturbüros“ sollen nun ausgewählt werden, so Jörg Dräger, Anfang des Jahrtausends Hamburger Wissenschaftssenator und nun Stiftungsrat der Kühne-Stiftung. Welcher Entwurf für das Jahrhundertbauwerk das Rennen macht, das entscheidet eine Jury, allerdings hat Michael Kühne ein ästhetisches Vetorecht. Was dem Stifter nicht gefällt, wird nicht gebaut. Dräger beschreibt ein „zurückgenommenes Gebäude, das sich einfügt zwischen Elbphilharmonie und Elbtower.“ Oben soll eine öffentliche Fläche entstehen, von der man den Blick über den Hafen schweifen lassen kann, drum herum ein öffentlicher Park. Platz genug ist am Baakenhöft: „Sogar die Oper von Sydney würde locker darauf passen.“
Stadt bereitet Grundstück für 147,5 Millionen Euro vor
Die Stadt bereitet das Filetgrundstück mit dem spektakulären Hafenblick (Brosda: „Eines der herausragendsten Grundstücke Nordeuropas“) für den Neubau vor, sorgt etwa für den Hochwasserschutz. Die Kosten dafür sind bei 147,5 Millionen Euro gedeckelt. Für Planung und Bau hat die Kühne-Stiftung eine Gesellschaft gegründet, an der die Stadt und die Staatsoper als Minderheitsgesellschafter beteiligt werden. Nach der Fertigstellung geht das Opernhaus in das Eigentum der Stadt über und wird die Heimstatt der Staatsoper Hamburg – modern und mit allen Schikanen der Operntechnik, verspricht Jörg Dräger im Namen des Stifters: „Michael Kühne möchte die Exzellenz in der Oper fördern und dafür braucht die Oper eine neue Hülle.“
Das bisherige, denkmalgeschützte Opernhaus am Gänsemarkt soll nach dem Umzug der Oper ein Theater werden. Das Gebäude für eine Sprechbühne zu sanieren, sei billiger als für den Opernbetrieb, so der Kultursenator. Gegen die Pläne regt sich Widerstand, der Denkmalverein vermisst eine öffentliche Diskussion und fordert in einer Petition auf change.org: „Lasst die Oper in der Stadt“.
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Einen kompletten Blankoscheck stellt der Vertrag freilich nicht dar. Wenn das Projekt schon in der Planung gar zu teuer wird, gibt es einen Notausgang: Sobald die Kostenschätzung vorliegt, hat die Stiftung einmalig die Möglichkeit, sich gegen die Fortsetzung zu entscheiden. In dem Fall müsste sie alle bisher angelaufenen Kosten übernehmen. Dass die 330 Millionen Euro womöglich etwas knapp werden könnten, zeigt ein Blick in andere deutschen Großstädte, wo etwa die Sanierungen der Opern in Stuttgart und Köln jeweils eine Milliarde Euro kosten sollen.
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