„Das ist scheiße!“: Vierte Niederlage, wieder kein Tor – St. Pauli in der Krise
Finstere Mienen, hängende Schultern, klare Worte. Nach der vierten Niederlage in Serie ist die Stimmung beim FC St. Pauli im Keller. Das 0:2 gegen Borussia Dortmund im eigenen Stadion war ein echter Tiefschlag – ein Wirkungstreffer. Denn schon wieder waren die Kiezkicker lange die bessere Mannschaft. Und schon wieder gelang der so wichtige Führungstreffer nicht. Und schon wieder blieben die Braun-Weißen ohne Tor. Der Vorsprung auf die Abstiegsplätze schmilzt, der Druck nimmt zu – und das ist den Spielern anzumerken. Dass die Konkurrenz ebenfalls verliert, ist allenfalls ein schwacher Trost.
So niedergeschlagen, auch so leise, hat man Hauke Wahl nach einem Spiel dieser Saison selten erlebt. Der Abwehr-Routinier ist so etwas wie der Seismograph der Stimmungslage im Team, einer der oft auch in der Niederlage die guten Dinge nach vorne oder Kampfgeist und Zuversicht versprüht. Diesmal war das anders.
Hauke Wahl konsterniert: „Tut einfach extrem weh“
„Ich muss ehrlich sagen, dass es mir gerade echt schwerfällt, hier überhaupt irgendwas Positives mitzunehmen“, bekannte Wahl in den Katakomben des wieder einmal ausverkauften Millerntorstadions. Ja, in der ersten Halbzeit habe die Mannschaft mit den Fans im Rücken mal wieder gezeigt, was möglich ist, „aber ich bin ganz ehrlich, dass ich gerade ganz weit weg davon bin, irgendwas Positives mitzunehmen, weil einfach eine weitere Niederlage, die vierte jetzt in Folge und das tut einfach extrem weh“.
Es war kein Zufall, sondern beschreibt das kollektive Gefühl, dass David Nemeth die gleichen Worte wählte. „Es tut extrem weh“, beschrieb der Innenverteidiger seine Gemütslage. „Vor allem nach der ersten Halbzeit kassieren wir einfach zu schnell das Tor.“ Und dann gleich noch eins. „Es hat uns das Genick gebrochen“, resümierte Wahl. Der BVB hatte aus wenig viel gemacht. „Wir reden über zwei Tore: Das eine Pingpong und das andere ist nach einer Ecke entstanden. Das kann nicht passieren.“
St. Pauli startet stark, verpasst aber wieder mal die Führung
Hinten nicht wach und konsequent genug – und das galt wiederholt auch vorne. Das war das eigentliche Problem des Spiels. St. Pauli war es, wie auch schon beim 0:2 in der Vorwoche in Mainz, trotz überlegener erster Halbzeit nicht gelungen, den Führungstreffer zu erzielen. Eine Führung ändert bekanntlich einiges. Und bei einem Rückstand haben die Kiezkicker Probleme. Oder wie es BVB-Trainer Niko Kovac nach der Partie formulierte. „Wenn Du das erste Tor heute schießt, bist Du auf der Siegerstraße. Das habe ich meinen Jungs auch gesagt.“
Chancen waren ausreichend da. Elias Saad (3./7.), Jackson Irvine (14.), Noah Weißhaupt (25.) oder Wahl (34.) hatten Gelegenheiten, bei denen sie aber entweder den Ball um Zentimeter verpassten oder einfach nicht auf das Tor brachten. „In der ersten Hälfte haben wir unsere Gelegenheiten nicht genutzt“, wusste Keeper Nikola Vasilj um das Problem. „Und dann, ob unglücklich oder nicht, kriegen wir das Gegentor. Danach wurde es schwierig für uns. Am Ende des Tages haben sie ihre Gelegenheiten genutzt und wir unsere nicht.“ Und Saad haderte: „Wir probieren es ja auch, aber irgendwie will der Ball nicht rein. Das letzte Stück Glück fehlt.“
Elfer? Kiezkicker ärgern sich über Schiri-Entscheidungen
Aufreger: In der 32. Minute war Weißhaupt im Duell mit Ramy Bensebaini, der den Wirbelwind klar festhielt, zu Boden gegangen. Nach Meinung des Gefoulten ein Elfmeter. Dafür, dass die Pfeife von Schiedsrichter Tobias Stieler stumm geblieben war und sich auch nicht der VAR eingeschaltet hatte, gab es in den Reihen der Kiezkicker nach dem Spiel wenig Verständnis.
In der ersten Halbzeit hatten die Dortmunder, die vor einer Woche Union Berlin mit 6:0 zerlegt hatten, offensiv kaum stattgefunden, weil St. Pauli wie so oft überragend das eigene Tor verteidigt hatte. Vasilj war kaum geprüft. Die beste BVB-Chance hatte Adeyemi in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit als sein Schuss nur um Zentimeter am Pfosten vorbeirollte und die Gastgeber Glück hatten.
Dortmunder Doppelschlag duch Guirassy und Adeyemi
Das rächte sich nach der Pause. Die St. Paulianer hatten die zweite Halbzeit zu passiv begonnen, was den zunehmend drückenden Dortmundern Raum eröffnete, den er in den ersten 45 Minuten nicht gehabt hatte. Und prompt gingen die Dortmunder in Führung. Das 0:1 durch BVB-Torjäger Guirassy (14. Saisontor) war in mehrfacher Hinsicht ärgerlich. Zum einen hatte Nemeth den Ball im direkten Zweikampf nicht entscheidend klären können und der Stürmer den flippernden Ball eiskalt in die Maschen geschoben. Aber: Kurz vor der Szene hatte Guirassy Nemeth bei einer Flanke im Strafraum umgerissen. Nach Meinung der Hamburger ein klares Foul, dass gepfiffen hätte werden müssen.
Der von Wahl angesprochene Genick-Brecher war dann das 0:2 durch Adeyemi (58.), bei dem St. Pauli nach einem eigenen und schlecht zu Ende gespielten Angriff in einen Konter gelaufen war. Adeyemi vernaschte zunächst Philipp Treu, der bei seinem Klärungsversuch schlecht aussah und ließ dann auch noch Eric Smith alt aussehen, bevor er eiskalt einschoss. Braun-weiße Einladung zum Tor dankend angenommen.
Alexander Blessin ärgert sich über „dumme Tore“
„Wir haben dumme Tore kassiert“, ärgerte sich Blessin. Darüber müsse man reden. Denn das war auch schon beim 0:2 in Mainz so, dass sich seine Mannschaft nicht gerade geschickt angestellt hatte bei den Gegentoren.
Nach dem zweiten Gegentor wirkten die Kiezkicker sichtlich angeknockt. Sie hatten Probleme, wieder mehr Kontrolle und Rhythmus ins eigene Spiel mit Ball zu bringen, vieles blieb Stückwerk. Die Dortmunder spielten die Führung clever ins Ziel und die Partie verflachte.
Was sich die St. Paulianer ankreiden lassen mussten: Es gab keine echte Schlussoffensive, keine finale Drangphase. Wirklich gefährlich war nur noch der Schuss des eingewechselten Danel Sinani, der BVB-Keeper Kobel zu einer der wenigen Paraden zwang (86.). Aber immerhin fielen die „Boys in Brown“ auch nicht auseinander und ließen sich abschießen, wie zuletzt Union.
Gut für St. Pauli: Auch Bochum und Heidenheim verlieren
Das Beste an diesem Nachmittag war aus St. Pauli-Sicht, dass Bochum und Heidenheim ebenfalls keine Punkte holten. „Wenn die auch verlieren, ist das gut für uns“, sagte Treu. „Aber darauf will ich gar nicht schauen. Ich will einfach meine Spiele gewinnen und mir gar keinen Stress machen, immer nach den Gegnern hinter uns zu schauen.“
St. Pauli hat als Tabellen-15. nur noch vier Punkte Vorsprung auf die Bochumer, denen vom Sportgericht der Sieg gegen Berlin zugesprochen worden war, und sechs Zähler vor Heidenheim. Vor ein paar Wochen war das Polster spürbar dicker.
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Treu redete Klartext: „Wir sind mitten im Abstiegskampf und der wird auch bis zum Ende gehen, das wissen wir alle“, betonte der Außenverteidiger. „Wir haben uns eine gute Ausgangslage geschaffen, die schrumpft jetzt immer mehr. Das ist scheiße und jetzt geht’s weiter, um einfach Punkte zu holen.“ Und dann gelang es ihm sogar doch noch, in der Stunde der schmerzhaften Niederlage den Blick kämpferisch nach vorne zu richten: „Wir sind tagtäglich am Arbeiten. Wir müssen das Glück erzwingen. Und das wird auch kommen. Wir können das – und wir dürfen jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken.“
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