Korvettenkapitänin Claudia Neben vor ihrem U-Boot U34 auf dem Marinestützpunkt Eckernförde.

Korvettenkapitänin Claudia Neben vor ihrem U-Boot U34 auf dem Marinestützpunkt Eckernförde. Foto: Christian Charisius/dpa

U-Boot-Kommandantin: Wochenlang allein mit 28 Männern

Im Einsatz ist sie wochenlang ohne Kontakt nach Hause – und allein mit 28 Männern. Das Fahren auf einem U-Boot sei speziell, sagt Deutschlands erste U-Boot-Kommandantin Claudia Neben.

Ihre Besatzung nennt sie Chefin, Frau Kap’tän oder Kommandantin. „,Die Alte‘ wird nicht gesagt bei mir an Bord“, sagt Neben. Verboten habe sie das aber nicht. „Die Jungs finden das respektlos.“ Die 35-Jährige ist Deutschlands erste U-Boot-Kommandantin. Noch bis Ende kommenden Jahres führt sie das Kommando der Besatzung Delta an Bord von U34.

Wolfgang Petersens Meisterwerk „Das Boot“, in dem die Crew den Kommandanten „den Alten“ nannte, hat Neben natürlich oft gesehen, konnte sich mit der dortigen Männerwelt aber nicht anfreunden. „Das ist der Lieblingsfilm meines Vaters, das hat mich schon geprägt“, sagt die Norddeutsche. Dass die Tochter nun selbst auf der U-Boot-Brücke stehe, erfülle ihre Familie mit Stolz.

Nach dem Abitur ging Neben zur Bundeswehr. „Weil ich die große, weite Welt sehen wollte.“ Zuerst fuhr sie Fregatte. Doch dort gab es ihr zu viele Menschen, ständig seien Neue hinzugekommen. „Am Ende des Studiums der Staats- und Sozialwissenschaften in München bin ich beim U-Boot hängen geblieben. Dabei hatte ich außer im Urlaub auf Fehmarn vorher keines betreten.“ Seit Oktober 2023 befehligt sie die Soldaten von Delta, einer der fünf Besatzungen der Marine, ist seit April einzige Frau an Bord.

„U-Boot-Fahren ist speziell“

Nur drei der rund 150 deutschen U-Boot-Fahrer sind Frauen. „U-Boot-Fahren ist speziell“, sagt die gebürtige Lüneburgerin. Raumangst sei hinderlich. „Es gibt wenig Platz an Bord, und wir haben immer noch die ,warme Koje‘. Das muss man wollen, sich den Schlafplatz mit einem Kameraden zu teilen.“ Bis vor kurzem gehörte der Crew eine weitere Frau an. Sie entschied sich jedoch für einen anderen Weg.

U-Boot-Kommandantin Claudia Neben steigt in den Turm von U34. Christian Charisius/dpa
U-Boot-Kommandantin Claudia Neben steigt in den Turm von U34.
U-Boot-Kommandantin Claudia Neben steigt in den Turm von U34.

Auch in der Handelsschifffahrt sind Frauen unterrepräsentiert, das ändert sich aber langsam. „In der deutschen Seeschifffahrt sind Frauen auf dem Vormarsch“, sagt die Präsidentin des Verbands Deutscher Reeder, Gaby Bornheim. „Über sieben Prozent der Seeleute sind weiblich – ein guter Wert im internationalen Vergleich, wo der Anteil im Durchschnitt nur bei rund zwei Prozent liegt.“

Kommandantin Neben entscheidet allein

U-Boote sind angesichts der veränderten geopolitischen Lage als strategische Waffe wichtiger denn je. „U-Boote haben eine multifunktionale Rolle“, erklärt der Militärhistoriker Sönke Neitzel. „Sie sind einerseits wichtig für die Aufklärung: Man sieht sie nicht, man hört sie nicht, weil sie sehr leise sind. Und man kann mit U-Booten Aufklärung betreiben.“ Zudem könnten sie Spezialkräfte unbemerkt an Strände bringen und gegnerische Schiffe bekämpfen.

Eine Rolle spielten sie auch in der Debatte um nukleare Teilhabe, sagte Neitzel. „Natürlich könnten sie auf deutschen U-Booten auch Marschflugkörper einsetzen, französische Marschflugkörper zum Beispiel oder Marschflugkörper mit französischen nuklearen Gefechtsköpfen.“ U-Boote bänden in enormem Maße die gegnerische Abwehr. „Wenn man U-Boote in die Ostsee stellt, dann muss ein Gegner sehr viele Abwehrschiffe parat haben.“

Im Idealfall bleibt das High-Tech-Boot unentdeckt

Nach Ostern läuft U34 wieder aus. „Wir können irgendwo hinfahren, ohne dass der andere weiß, dass wir da sind“, sagt Neben. Im Idealfall bleibt das High-Tech-Boot unentdeckt. „Wir haben keinen Radar unter Wasser, sondern nur Sonar. Wir nehmen alles passiv auf, weil wir uns nicht bemerkbar machen wollen.“ Die Aufklärungsergebnisse seien deutlich anders als durch Überwasserschiffe.

„Wir betreiben nationale Aufklärung“, mehr sagt Neben über ihre Aufträge nicht. „Unsere deutschen U-Boote sind immer noch ,State of the Art‘, es sind die besten nicht-nuklearen U-Boote der Welt. Wir sind sehr leise unterwegs. Uns muss man erst einmal finden.“ Das wisse sie aus Manövern mit anderen Nationen. Und mit seinen Hydrophonen – einer Art Unterwassermikrofonen – kann U34 vom Meeresgrund sehr weit lauschen.

„Kalter-Krieg-Szenarien sind für uns nichts Neues“

Wenn eines der aktuell sechs deutschen U-Boote ausläuft – vier weitere sind bereits bestellt – sind stets Gefechtstorpedos an Bord. Abgefeuert hat Neben bislang nur Übungstorpedos. „Wir trainieren seit jeher immer für das, was sich nun geopolitisch wieder anbahnt“, sagt Neben. „Kalter-Krieg-Szenarien sind für uns nichts Neues.“ Die Zeitenwende sei aber auch bei der U-Boot-Flotte angekommen: „Die Ersatzteillage ist nun deutlich besser.“

Im Einsatz muss die Kommandantin allein entscheiden. „Ich kann nicht im Marinekommando nachfragen, wie das letzte Fernschreiben gemeint war. Ich interpretiere es und ziehe dann meine Schlüsse daraus“, sagt sie. Die Verantwortung für das Boot und 28 weitere Menschenleben liegt letztlich allein bei ihr.

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Bevor sie die Chefin wurde, musste sich Neben wieder und wieder beweisen. Bei sogenannten Schülerfahrten prüften ihre Vorgesetzten sie: zum Ende der Wachoffizier-Ausbildung, dann erneut vor dem Schritt zur Kommandantin. Rund ein Viertel der Prüflinge fällt nach Angaben der Marine durch.

„Ich brauche jeden von den 28 und die mich genauso“

„U-Boot-Fahrer sind alles Teamplayer“, sagt Neben. Ohne den Smut (Koch), den Elektrikmeister oder ihren 1. Wachoffizier könne sie nicht zur See fahren. „Ich brauche jeden von den 28 und die mich genauso.“ Im Gegensatz zur übrigen Besatzung hat sie aber eine eigene Kabine, kann hinter sich die Tür schließen. „Ich habe sogar ein Waschbecken und einen eigenen Schreibtisch.“

Was nach U34 kommt, weiß Neben noch nicht. „Die Bundeswehr ist ja ein sehr vielseitiger Arbeitgeber.“ Sie könne sich das Ausland vorstellen. „Ich habe ja noch mindestens 25 Dienstjahre, da wird sich noch einiges ergeben.“

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