„Verrückt“: Oberliga-Topspiel vor 3782 Fans! Altona 93 feiert Last-Minute-Party
„Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey“, schallte es nach Abpfiff durch die Adolf-Jäger-Kampfbahn, wenig später schossen Silvester-Raketen hinter den umliegenden Wohnhäusern empor. Dass das Feuerwerk dem Endstand galt, ist zwar nicht verbrieft, ein Sinnbild für die Gemütslage war es aber allemal: Im Spitzenspiel gegen die TuS Dassendorf sicherte sich Altona 93 ganz spät ein 2:2-Unentschieden und hielt den Verfolger damit in der Tabelle auf Distanz. Dabei deutete wenige Minuten zuvor noch überhaupt nichts auf ein Happy End hin.
Die Euphorie war schon vor dem Spiel riesig. Unglaubliche 3782 Zuschauer strömten in die Griegstraße, mit Abstand der Saison-Rekord. Bevor die Zuschauenden dem Spiel von den Rängen ihren Stempel aufdrücken konnten, hielten sie den Betrieb aber zunächst einmal auf: Wegen des hohen Andrangs konnte Schiedsrichter Gerhard Alexander Ludolph die Partie erst mit rund 15 Minuten Verspätung anpfeifen, kein Fan sollte den Anpfiff verpassen.
TuS Dassendorf schockt Altona 93 nach wenigen Sekunden
Die Geduld sollte sich als notwendig erweisen, denn es dauerte nicht lang, ehe die Partie ihr erstes Highlight setzte: Rund 35 Sekunden waren gespielt, als sich Kristof Kurczynski nach einer Hereingabe von rechts die Kugel zurechtlegte und überlegt zum ganz frühen 1:0 für Dassendorf einnetzte. Die Reaktion des AFC stimmte zwar, Altona übernahm die Spielkontrolle und hatte durch Rasmus Tobinski (12., 30.) zwei gute Möglichkeiten zur Führung. Einmal scheiterte der Stürmer jedoch an Schlussmann Christian Gruhne, einmal senste er aus aussichtsreicher Position über den Ball. „Wir haben einfach zu viel liegenlassen“, monierte Trainer Andreas Bergmann entsprechend.
Altona zu harmlos, Dassendorf gnadenlos
Das änderte sich in Durchgang zwei zwar, allerdings anders als erhofft: Es gab schlicht kaum noch etwas zu vergeben, trotz eines Übergewichts an Spielanteilen brachte Altona die gegnerische Defensive fast nie in Verlegenheit. Stattdessen schlugen die Dassendorfer Minimalisten mit ihrer zweiten Chance eiskalt zu, Fabian Graudenz baute die Führung mit einem Linksschuss aus der Distanz aus (61.). Im Anschluss dauerte es, ehe der AFC zur Schlussoffensive bließ, Oliver Doege (84.) und Veli Sulejmani (86.) feuerten dann aber mit zwei parierten Versuchen aus der Distanz die Startschüsse für eine Schlussphase ab, die es in sich haben sollte.
Martin Harnik über Anschlusstreffer: „Das ist zu billig“
Die Ecke im Anschluss an den zweiten abgewehrten Fernschuss brachte zunächst den Anschlusstreffer, der Sekunden zuvor eingewechselte Banyan Lyon stand am zweiten Pfosten völlig blank und brauchte nur noch einnicken (86.). „80 Minuten lang war hier eine Trauerfeier“, befand Dassendorf-Kapitän und -Spielertrainer Martin Harnik und ärgerte sich: „Dann verteidigen wir die Standard-Situation scheiße, er muss nichtmal springen. Das ist zu billig.“
Gianluca Przondziono gleicht traumhaft aus
Doch damit nicht genug: Altona nutzte sein Momentum in Perfektion, nur vier Minuten nach dem Anschluss versetzte Gianluca Przondziono die AJK in Ekstase: Einen Freistoß aus rund 25 Metern halbrechter Position zirkelte der 25-Jährige wie an der Schnur gezogen ins rechte Kreuzeck. „Ich habe die ganze Zeit schon gehofft, das ein Freistoß aus einer guten Nähe kommt und habe relativ schnell zu Veli gesagt: Den mache ich rein. Dass er reingeht, ist umso schöner“, freute sich der Torschütze.“ Der Rest waren Emotionen pur: Przondziono riss sich das Trikot vom Leib und machte sich zur Eckfahne auf, die gesamte Mannschaft stürmte hinterher. „Diese Reaktion spricht Bände“, fand der Co-Kapitän.
Beinahe wäre es für Dassendorf noch schlimmer gekommen, als Ezra Ampofo in der Nachspielzeit nach einem langen Ball auf und davon war, aber an Keeper Gruhne scheiterte. „Wenn Ezra den auch noch reinmacht, wäre ich unter die Haube geknallt“, so Bergmann. Das war am Ende aber nicht notwendig, es blieb beim 2:2.
Bergmann und Przondziono staunen über Mega-Kulisse
Durch das Remis hielt Altona Dassendorf auf Distanz, aktuell hat man fünf Zähler, allerdings auch ein Spiel mehr auf dem Konto. Während Harnik stellvertretend für die TuS den Blick bereits nach vorne richtete („Wir haben es nicht in der eigenen Hand, machen unseren Job aber weiter“), wollte man sich auf Seiten der Gastgeber noch nicht mit der Tabelle auseinandersetzen und viel lieber die gegenwärtigen Eindrücke auskosten: ein herausragendes Comeback an einer AJK, die aus allen Nähten platzte.
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„Das ist verrückt. Dass das in der Oberliga möglich ist, hätte ich nicht gedacht“, staunte Przondziono. „Der Trainer hat uns vor dem Spiel gesagt: Die Leute kommen nicht wegen Dassendorf, die Leute kommen wegen uns. In Dassendorf wären vielleicht 300 Leute da, aber hier in Altona ist es was anderes. Hier wird der Fußball gelebt.“ Bergmann schlug in die selbe Kerbe, ein „geiles Spiel“ gegen einen „geilen Gegner“ mit einer „tollen Atmosphäre“ habe er gesehen. „In dem Moment denke ich nicht an Spitzenreiter oder so einen Scheiß.“ Später, gestand der Übungsleiter werde er dann aber auch noch einen Blick aufs Tableau werfen und sich denken: „Oh, für die Tabelle ist das auch ganz gut.“
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