Mitten in der Nacht: Orcas attackieren Hamburger Segel-Crew
Es ist etwa ein Uhr nachts nahe der spanischen Küstenstadt Cádiz: Heiko Tiedemann von der Segel-Abteilung des FC St. Pauli steuert die Jacht über den Atlantik, während die beiden übrigen Mitglieder der Hamburger Crew schlafen. Plötzlich erschüttert ein starker Ruck das Boot. Es sind drei Orcas, die das Boot angreifen.
„Ich dachte zuerst, wir wären über eine Fischerboje gefahren“, erzählt der 55-jährige Hamburger im Gespräch mit der MOPO. „Aber dann habe ich das Pusten gehört und wusste direkt: Das sind Orcas.“
Im Mittelmeer: Orca-Attacke auf Hamburger Segel-Crew
Vor allem rund um die Straße von Gibraltar gibt es in den letzten Wochen vermehrt Angriffe durch die bis zu acht Meter langen, fleischfressenden Wale. „Die haben es neuerdings auf Segler abgesehen“, so Tiedemann.
Erst Anfang Juli wurden drei Briten auf ihrer Luxus-Jacht von 20 der Tiere angegriffen, die das Boot immer wieder rammten. Nun ist das Boot, das Tiedemann mit einem anderen St.-Pauli-Mitglied und einem Hamburger Skipper ins spanische Málaga überführen soll, dran.
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Immer wieder rammen die Orcas, auch Schwertwale genannt, das Boot. „17 Mal waren es, ich habe genau mitgezählt“, erzählt der Segler.
Wal-Attacke auf Jacht: Orcas rammen Boot mit Hamburger Crew
Zum Glück weiß er genau, was jetzt zu tun ist: „Sofort den Motor ausmachen, die ganze Elektrik runterfahren und ruhig verhalten, damit die Tiere das Interesse verlieren“, sagt er. Doch es dauert, bis das Poltern der Maschine verstummt. „Das war total stressig. Denn bei einem Schiffsdiesel dauert das ein paar Sekunden.“
Etwa eine Dreiviertelstunde lang hätten die Wale intensiv „mit ihnen gespielt“, erinnert sich Tiedemann. Sie seien vor allem gegen das Ruder und den Kiel geschwommen, hätten das Boot gedreht und mit Wasser getränkt.
„Das war schon richtig Action“, so der Hamburger. Als die Tiere schließlich weiterschwimmen, wartet die Crew noch eine Viertelstunde, bevor sie in Richtung Málaga weiterfährt. Den Hafen erreicht sie am nächsten Nachmittag.
FC St. Pauli Segeln: Jacht sollte von Frankreich nach Spanien
Dort hätten sie die Jacht aus dem Wasser gehoben. „Wir waren total erschrocken“, erzählt der Winterhuder. „Vom Ruder fehlte gut ein Drittel. Der Bootskiel war auch lose und hatte ein gut einen Zentimeter großes Loch.“ Die Jacht soll jetzt in die Nähe von Barcelona überführt und dort repariert werden.
Tiedemann ist seit drei Jahren Mitglied in der noch relativ jungen Segel-Abteilung des Kiezklubs. Der private Eigentümer der Jacht hatte eine Crew in Hamburg gesucht, die das Schiff von der französischen Hafenstadt Quiberon in der Bretagne bis nach Málaga am Mittelmeer bringt. Der Skipper hatte ihn und noch einen weiteres FC-St.-Pauli-Mitglied daraufhin gefragt, ob sie dazu Lust hätten. Zu dritt machten sie sich Anfang Juli auf die achttägige Reise.
Immer mehr Orca-Attacken in Spanien und Portugal
Warum die großen Wale vermehrt Boote angreifen, ist noch nicht klar. Bereits im vergangenen Sommer häuften sich die Meldungen aus Spanien und Portugal, in denen immer öfter von Begegnungen zwischen Orcas und Seglern in der Straße von Gibraltar berichtet wurde.
„Dieses gezielte Vorgehen von Orcas gegen Segelboote ist definitiv etwas ganz Neues“, sagte der Meeresbiologe Fabian Ritter damals der „Süddeutschen Zeitung“. Er vermutete unter anderem, dass es sich immer um die gleichen Wale handele – pubertierende männliche Tiere.
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Heiko Tiedemann wird der nächtliche Orca-Angriff jedenfalls im Gedächtnis bleiben. „Wir hatten zwar alles vorher durchgesprochen, aber so wirklich kann man sich da nicht drauf vorbereiten“, sagt er.