Dank Merkels Hilfe: Wolf Biermanns Archiv kommt nach Berlin
Ein sehr konkretes Schicksal deutscher Zeitgeschichte kann nun in Lesesälen erforscht werden. Wolf Biermann (84) hat sein Archiv der Staatsbibliothek Berlin vermacht. Der Deal mit dem Hamburger Liedermacher wurde ganz oben eingefädelt.
Mehr als 100 große Kisten voller Tagebücher, Manuskripte, Noten, Briefe, Fotos, zeithistorischer Dokumente – der Liedermacher Wolf Biermann („Warte nicht auf bessre Zeiten“) hat der Staatsbibliothek in Berlin sein privates Archiv vermacht. Während einer Feierstunde überreichte er am Dienstag in Berlin symbolisch seine Handschrift des Liedes „Ermutigung“ mit dem bekannten Beginn „Du, lass dich nicht verhärten, in dieser harten Zeit“ an die bisherige Generaldirektorin Barbara Schneider-Kempf.
Mehr als 100 Kisten: Tagebücher, Briefe und Co.
„Ich muss mir ja nicht selber hinterher reden“, sagte Biermann und präsentierte dafür einige seiner Lieder als Beispiele verschiedener Schaffensphasen. Darunter waren neben „Ermutigung“ etwa das regimekritische „Das macht mich populär“, „Die Ballade vom preußischen Ikarus“ oder „Die Mainacht“ über seine Begegnung mit der Freiheit in Paris.
Die Staatsbibliothek hat das private und berufliche Archiv sowie die persönlichen Tagebücher des 84-Jährigen mit Hilfe des Bundes sowie der Kulturstiftung der Länder erworben. Eingefädelt wurde der Deal von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Ehepaare Merkel und Biermann kennen sich lange und sind befreundet.
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„Es ist die persönliche Geschichte Wolf Biermanns, aber es ist zugleich auch Zeitgeschichte und Politik“, sagte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) während der Feierstunde. Die Dokumente mit Tagebüchern seit 1954 seien ein „detailreicher Zyklus deutsch-deutscher Geschichte“.
Dokumentation von Wolf Biermanns Leben
Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu der auch die Staatsbibliothek gehört, nannte die Materialien „nichts Geringeres als die Dokumentation des Lebenswerkes“. Dieses ganz besondere Archiv aus acht Jahrzehnten deutscher Geschichte bilde in der Staatsbibliothek zusammen mit den Dokumenten anderer historischer Persönlichkeiten ein „geistiges Tagebuch der Deutschen“.
Biermanns Werk umfasst 24 Alben und mehr als 40 Publikationen von Gedichten, Übersetzungen, Nachdichtungen, Essays, Noten und Hörbüchern. Das Archiv wurde laut Biermann von seiner Frau Pamela über Jahrzehnte angelegt und gepflegt. Dazu gehören auch ein Ton- und Filmarchiv, eine Plakatsammlung, Kritiken oder zeithistorische Dokumente der Linken in Ost und West. Enthalten ist zudem der Nachlass der Eltern Biermanns. Biermann führte seit seinem 17. Lebensjahr Tagebücher, in mehr als 200 Büchern entstand so eine Chronik seiner Zeit.
Im Lebenswerk: Zerrissenheit und Vereinigung Deutschlands
Biermann spiegele mit seinem Werk wie kein anderer die Zerrissenheit und Vereinigung Deutschlands wider, hieß es bei der Stiftung. Der in Hamburg geborene Künstler war 1953 in die DDR gezogen und lebte in Ost-Berlin. Dauerhafte Auseinandersetzungen mit Staat und Partei gipfelten 1976 in seiner Ausbürgerung, die in Ost und West einen Sturm der Entrüstung auslöste. Biermann lebt in Hamburg, ist aber weiter eng verbunden mit Berlin und denkt nach eigenen Worten immer wieder über eine Rückkehr nach.
Die Tagebücher sollen nun digitalisiert und wie die anderen Teile des Archivs öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Staatsbibliothek Berlin zählt zu den weltweit wichtigsten Einrichtungen ihrer Art und ist die größte wissenschaftliche Universalbibliothek im deutschsprachigen Raum. (dpa/se)