Wer steckt dahinter? Hamburgs Wohnungen werden zu Kunstgalerien
Das Kunstprojekt „eine ART Gast” von der Galerie der Villa in Ottensen ist eine ganz besondere Ausstellung – denn man kann sie nicht besuchen. Das Konzept ist dennoch so erfolgreich, dass es jetzt verlängert wird. Wer steckt hinter dem Projekt? Die MOPO hat das Atelier der Elbe-Werkstätten besucht.
„Die Arbeiten aus dem Atelier begeben sich selbst auf Wanderschaft”, sagt Justine Eckl von der Galerie der Villa, die sich zusammen mit Nadine Pedde die künstlerische Leitung des Ateliers teilt. Die Galerie der Villa ist der künstlerische Projektraum vom Betrieb West der Elbe-Werkstätten, einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Statt nur einem Ausstellungsort, gibt es bei diesem Projekt gleich mehrere: Die Kunstwerke des Projekts, auch „ART Gäste“ genannt, werden jeweils für vier Wochen an verschiedenen Orten in ganz Hamburg ausgestellt, neben Privatwohnungen und Werkshallen war auch die MOPO-Redaktion schon dabei.
Für die Ausstellung „eine ART Gast“ kommen die Kunstwerke selbst zu Besuch
Die Idee ist ein riesiger Erfolg: „Wir bekommen sehr viel Zuspruch für das Projekt”, freut sich Nadine Pedde. „Ursprünglich waren vier Durchläufe geplant. Jetzt geht es in die Verlängerung, weil so viele Leute anfragen.” Die Ausstellungsorte mussten sogar per Los ausgewählt werden, so groß war der Andrang. Entstanden ist das Projekt aus der Not heraus: Da reguläre Ausstellungen während der Corona-Pandemie nicht möglich waren, wurde die Idee der Wanderausstellung ins Leben gerufen.
Begleitet werden die Werke von Fotograf Fred Dott, der die Kunstwerke an den verschiedenen Orten fotografiert. Gestartet wurde im März, nach der dreiwöchigen Sommerpause wird dann bis September verlängert. Danach soll eine abschließende Ausstellung mit den Originalen und den Fotos entstehen, diese werden zusätzlich in einem Fotoband gesammelt. Die MOPO durfte drei der Künstler:innen bei der Arbeit im Atelier besuchen.
Biraj-Kumar Mehra ist einer der Kunstschaffenden des Projekts. Inspiration für seine Werke bekommt er oft aus Büchern, deren Motive er spielerisch in dicht bemalte, farbige Bilder verarbeitet. „Bevor ich male, sehe ich das fertige Bild auf dem leeren Papier“, erklärt der in Afghanistan geborene Künstler der MOPO. „Die leeren Flächen der Zeichnung markiere ich dann farbig, damit ich es nicht vergesse.” Vor der Galerie der Villa arbeitete er unter anderem in der Holzverarbeitung, mit der Malerei habe er aber dann seine Berufung gefunden: „Für die Kunst habe ich ein Talent”, sagt er und lacht.
Hans Hübener kommt aus Hamburg und arbeitet seit 2017 für die Galerie der Villa. Für die Ausstellung „eine ART Gast“ nutzt der abstrakt schaffende Künstler eine Maltechnik, die wie Pinsel und Tusche funktioniert. „Ich habe das bei Kim Jung Gi, einem Künstler aus Südkorea gesehen. Ich habe das dann ausprobiert, das war so inspirierend.” Die Werke für das Projekt sind geprägt von einem Verständnis für Formen und Räume: „Es sind surreale Formen von Körpern, die übertrieben, lustig, stylisch oder sexy sein können”, erklärt er. In der Zeit vor der Galerie der Villa schuf er 3D-Kunst und erstellte Animationen für Film und Videospiele.
Clever Quiroz kam 2018 zur Galerie der Villa. Der ehemalige Außenhandelskaufmann aus Ecuador nutzt schon seit seiner Jugend Materialien für seine Kunst, die er selbst sammelt: Sein ausgeprägter Blick für Details erkennt versteckte Motive in weggeworfenen Pappbechern oder in Farbresten auf Tüchern, die er dann ergänzt und zusammenfügt. „Es entstehen teilweise so viele Ideen gleichzeitig, dass ich davon selbst überwältigt bin”, erzählt der Künstler. „Deshalb versuche ich meine Ideen vorab zu skizzieren.” Mit seiner Kunst schafft er aus vermeintlich Wertlosem wieder Wertvolles, oft verarbeitet er politische Themen von Umweltverschmutzung bis hin zu Manipulation.
Die drei Künstler sind Teil einer 15-köpfigen Gruppe, die im Atelier im Friesenweg arbeiten. „Die Galerie der Villa ist eine Plattform für kunstrelevante Themen”, erklärt Justine Eckl, denn für die Projekte und Ausstellungen werden oft externe Kunstschaffende eingeladen. Nadine Pedde ergänzt: „Da ergeben sich total schöne Zusammenarbeiten von Künstler:innen.”