Eine medizinische Helferin misst bei einem Schüler die Temperatur.
  • Vietnam erlebt derzeit seine erste große Coronawelle.
  • Foto: imago/Xinhua

Monatelang frei von Corona – und plötzlich strenger Lockdown

Durch Härte und gnadenlose Kontaktverfolgung kam Vietnam lange glimpflich durch die Coronapandemie. Doch nun steigt die Zahl der Infizierten auch dort. In Hanoi und im Süden des Landes wurde ein strenger Lockdown verhängt.

Die Regierung reagiert damit auf die erste große Coronawelle des Landes. Am Donnerstag wurden 7125 neue Fälle gemeldet, der Sieben-Tage-Mittelwert liegt bei 5140. Vor rund zwei Wochen hatte die Zahl der täglichen Neuinfektionen erstmals die Grenze von 1000 überschritten. Auch die Zahl der Corona-Toten nimmt seit einer Woche deutlich zu – insgesamt liegt das Land derzeit bei 370 Todesfällen. In der südlichen Metropole Ho-Chi-Minh-Stadt, der größten Stadt des Landes, sei die Pandemielage außer Kontrolle geraten. Die „Taz“ hatte zuerst darüber berichtet.

Vietnam: Nach Kontaktpersonen von Infizierten wird öffentlich gefahndet

Das 96-Millionen-Einwohner-Land ist bisher gut durch die Pandemie gekommen. Dreimal war das Land bisher schon mehrere Monate coronafrei – während viele europäische Länder im Lockdown verharrten. Doch der Preis für die bisher guten Zahlen ist hoch: Bei Infektionsfällen wurden ganze Gemeinden oder Straßenzüge von der Außenwelt abgeriegelt. Nach Kontaktpersonen wurde öffentlich gefahndet. Schulen und Universitäten blieben trotz der niedrigen Zahlen über Monate geschlossen und seit dem Frühjahr 2020 ist die Einreise nur sehr wenigen Menschen gestattet. Wer einreisen darf, muss drei Wochen in Quarantäne. Doch nicht etwa bei sich zu Hause oder in einem Hotel, sondern in einer staatlichen Isoliereinrichtung. Das selbe gilt auch für Infizierte und ihre Kontaktpersonen. Die Bevölkerung muss die Regeln widerspruchslos hinnehmen – vor Gericht klagen ist nicht möglich.

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Doch in einer globalisierten Welt kommt auch ein autoritär regierter Staat wie Vietnam mit seiner Null-Covid-Strategie an seine Grenzen – besonders da in vielen südostasiatischen Nachbarstaaten die Delta-Variante wütet. Es ist schlicht nicht möglich, die vielen Infizierten und ihre Kontaktpersonen in staatlichen Einrichtungen zu isolieren oder eine Millionenstadt abzuriegeln.

Isolierstationen sind Infektions-Hotspots geworden

Die Unterkünfte sind heillos überfüllt. Sie sind mittlerweile selbst Hotspots der Ansteckung geworden. Das Gesundheitssystem ist in desolatem Zustand, die hygienischen Bedingungen katastrophal. Video- oder Fotoaufnahmen sind daher in Krankenhäusern und den Isoliereinrichtungen seit einigen Tagen streng verboten. Ein Video, das es dennoch ins Netz geschafft hat, zeigt Menschen, die dicht an dicht in den Gängen schlafen.

Der nun verhängte, strenge Lockdown bringt jedoch Probleme mit sich: In Vietnam gibt es keine Sozialhilfe. Wer hier bei der Arbeit ausfällt, steht schnell vor dem Nichts. Daher sind die sozialen Folgen für die Menschen in den Betrieben, die nun teilweise dichtgemacht werden, verheerend. Zudem ist die Impfquote des Landes auf extrem niedrigem Niveau. Nach offiziellen Angaben wurden erst vier Millionen Bürger einmal geimpft, wenige Hundert zweimal. Dennoch strebt die Regierung bis Jahresende eine Herdenimmunität an – Experten zweifeln an der Umsetzung dieses Ziels. (vd)

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