St. Pauli und das Projekt 34
  • Gutes Ende: In der Rückrunde spielten die Kiezkicker furios, phasenweise überragend – nach Platz 15 zur Halbzeit der Saison.
  • Foto: WITTERS

St. Pauli startet in dieser Saison das Projekt 34

Was ist der FC St. Pauli – und wenn ja, wie viele? An Etiketten mangelt es dem Kiezklub vor Beginn der mit Spannung erwarteten neuen Zweitliga-Spielzeit wahrlich nicht. Aufstiegskandidat, Aufstiegsanwärter, gar Aufstiegsfavorit oder Geheimtipp, Geheimfavorit. Die größte Herausforderung für St. Pauli ist aber nicht der Kampf um die Spitzenplätze, sondern eine gute Saison – eine ganze! Das klingt banal, ist für den Kiezklub aber seit Jahren ein echtes Problem.

Es ist verführerisch, keine Frage. Warum nicht einfach anhand der phasenweise überragenden Rückrunde der vergangenen Saison Prognosen für die kommende Spielzeit wagen, in der St. Pauli zum Auftakt am Sonntag den Nord-Rivalen Holstein Kiel im Millerntorstadion empfängt?

St. Paulis Saisonziel: Endlich eine überzeugende ganze Spielzeit

Die Logik: In der Rückrunden-Tabelle landete der Kiezklub auf Rang vier, also ist St. Pauli auch nach der Pause eines der Topteams mit Aufstiegsaussichten. Der Haken: Es gab auch eine Hinrunde. Und all die Saisons zuvor…

Es ist nicht so, dass die Mannschaft nicht das Potenzial hat, um in der bevorstehenden Spielzeit oben mitzumischen. Dafür braucht es jedoch nicht nur eine überdurchschnittliche Halbserie, sondern zwei. Und das hat St. Pauli sehr lange nicht mehr hinbekommen.

„Für uns geht es vor allem darum, mal eine komplette stabile, überzeugende und möglichst gute Saison zu spielen“, betont Sportchef Andreas Bornemann im Gespräch mit der MOPO. „Das ist unser Ziel und unser Anspruch. Damit fängt es an.“ Man könnte es auch Projekt 34 nennen.

St. Pauli und der Fluch der halben Spielzeit

Es wäre ein großer Erfolg in Anbetracht der letzten Jahre und ein wichtiger Schritt nach vorn bei der Entwicklung eines Zweitliga-Spitzenteams. „St. Pauli hat in den vergangenen Jahren mal eine gute Hinrunde oder Rückrunde gespielt, aber eben nie beides in einer Saison“, stellt Bornemann fest. „Die gehören aber einfach zusammen. Eine Halbserie kann nie der Maßstab sein.“

St. Paulis Licht-und-Schatten-Runden sind berüchtigt, die Schwankungen teilweise extrem. Sie haben den Kiezklub oft an den Abgrund gebracht, aber im Guten auch von dort gerettet und ins Rampenlicht befördert, wie vergangene Saison.

Andere Beispiele gefällig? 2018/19 unter Trainer Markus Kauczinski waren die Kiezkicker nach der Hinrunde Vierter, stürzten dann – auch unter dem neuen Coach Jos Luhukay – total ab und waren Rückrunden-17. Oder die Saison 2016/17: Platz 18 zur Halbzeit, nach furioser Aufholjagd am Ende Siebter – dank der legendären Rekord-Rückrunde (Platz drei). Man kann auch die Spielzeiten 2014/15 (Hin: Platz 18/ Rück: Platz 6) und 2013/14 (Platz 4/13) anführen.

Kiezkicker bereit für den Aufstieg? In Prognosen hoch gehandelt

Die einzige (!) Saison in den vergangenen zehn Jahren, in der St. Pauli sowohl in der Hin- als auch Rückrunde einen einstelligen Tabellenplatz belegte, ziemlich stabil agierte und punktete, war die Spielzeit 2015/16, die der Kiezklub als Vierter beendete (Hinrunde 3. Platz/Rückrunde 7. Platz).

Um sich selbst zu den Aufstiegskandidaten oder auch nur Aufstiegsaspiranten zählen zu können, sollte erst einmal eine überzeugende, gute ganze Saison her. Wenn diese St. Pauli in die Spitzengruppe und womöglich am Ende in die Bundesliga bringt – umso besser! Das – und nicht mangelnder Ehrgeiz – dürfte der Hauptgrund für St. Paulis verbale Zurückhaltung in diesen Tagen sein, in denen die Kiezkicker in einigen der obligatorischen Saison-Prognosen hoch gehandelt werden.

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„Jeder Experte darf seine Meinung haben und auch kundtun“, sagt Bornemann. „Das ist kein Problem für uns, aber auch nichts, mit dem wir uns aufhalten.“ St. Pauli habe sich in der ersten Jahreshälfte „Respekt und Anerkennung erspielt“, das sei spürbar und „ja schön, wenn uns viel zugetraut wird“. Man tue aber letztlich gut daran, die Dinge „realistisch einzuordnen. Das heißt nicht, dass wir keine Ambitionen haben“.

Bei St. Pauli weiß man sehr wohl um die Qualität und das Potenzial der Mannschaft. „Wir wollen uns auch nicht kleiner oder schlechter machen als wir sind“, sagt Bornemann, „aber hohe Ziele zu formulieren, macht eine Mannschaft nicht automatisch besser.“

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