Für Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) geht es bei der Bundestagswahl um eine Grundsatzfrage: dümpeln oder anpacken?
  • Hamburgs Zweite Bürgermeisterin (Grüne) findet klare Worte zu Baerbock und dem Wahlkampf der Grünen.
  • Foto: Marius Röer

Fegebank im Interview: „Es wird mit harten Bandagen gekämpft“

Die Grünen feierten nach der Ernennung von Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin einen Höhenflug – mittlerweile ist die CDU in Umfragen wieder davongezogen. Die MOPO traf sich mit Hamburgs Zweiter Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) zum Interview. Thema: Die Lage ihrer Partei.

MOPO: Nach dem Höhenflug Ihrer Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sind die Grünen wieder drastisch in den Umfragen abgerutscht – ist der Angriff aufs Kanzleramt vorbei, bevor es richtig losging?

Katharina Fegebank: Wir starten jetzt in die heiße Phase des Wahlkampfs und da gilt: Alles ist drin.

Das müssen Sie natürlich sagen, aber Hand aufs Herz: Warum sollte es sich denn jetzt noch einmal drehen?

In den nächsten Wochen wird sich der Wahlkampf noch einmal verlagern. Es wird stärker darum gehen, in welche Richtung sich unser Land ganz grundsätzlich entwickelt. Dümpeln wir weiter vor uns hin oder gibt es den Wunsch nach echter Veränderung, um die großen Zukunftsfragen auch richtig anzugehen. Wer es schafft, über sein Kernwählerklientel hinaus Menschen zu erreichen, wird die Wahl für sich entscheiden.

Hamburger Grüne Fegebank: „Wahlkampf wird sich verlagern“

Die Wahlforschung legt nahe, dass vor allem unentschiedene Wähler:innen sich stark an den Kandidat:innen orientieren. Der CDU-Kandidat Armin Laschet gilt nicht gerade als Menschenfänger und Annalena Baerbock ist derzeit die unbeliebteste Spitzenpolitikerin des Landes. Man könnte auch von Not gegen Elend sprechen.

Wir haben mit Annalena Baerbock die richtige Frau und Kanzlerkandidatin, die eine klare Idee hat, wo es hingehen soll. Am Tag ihrer Vorstellung und in den Folgewochen haben wir erlebt, welchen Boost sie auslösen kann.

Bis sie wegen Falschangaben in ihrem Lebenslauf und Plagiaten in ihrem Buch ins Kreuzfeuer geriet …

Ja, es wurden Fehler gemacht. Fehler, über die sie sich selbst am meisten ärgert. Wir Grüne haben den Anspruch auf das verantwortungsvollste und größte Amt des Staates gestellt. Da wird mit harten Bandagen gekämpft, das ist doch völlig klar.

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Wenn Sie vom höchsten Amt im Staat sprechen: Robert Habeck würde Exekutiverfahrung mitbringen und ist in der Bevölkerung sehr beliebt. Sollten Sie nicht lieber die Kandidat:innen tauschen?

Nein.

Weil?

Wir haben insgesamt ein Spitzenteam, und Annalena Baerbock ist unsere Kanzlerkandidatin, die mit überwältigender Mehrheit nominiert worden ist, Robert Habeck unser starker Mann an ihrer politischen Seite. Es gibt keine Debatte dazu, ob wir unsere Kandidaten noch ändern.

Katharina Fegebank: Keine Debatte über Habeck als Kandidaten

Ihrer Meinung nach ist der Wahlkampf immer noch offen – warum?

Weil sich die Blicke wieder auf die wirklich wichtigen Themen richten. Natürlich ganz aktuell auf die Klimakrise und die ins Mark gehende Flutkatastrophe, die bislang richtigerweise von keiner Partei instrumentalisiert wurde.

Sie wollen die Flutkatastrophe politisch nicht instrumentalisieren? Menschen erwarten doch Antworten auf Krisen.

Oberste Priorität ist jetzt Hilfe und Solidarität für die Menschen vor Ort. Das muss jetzt im Mittelpunkt stehen. In dieser Lage eine abstrakte Debatte zu führen, wie uns die Energiewende gelingt, halte ich für nicht angemessen. Klar ist: Es wird jetzt weniger Ablenkungsmanöver im Bereich Klimakrise geben können. Denn deren dramatischen Auswirkungen sind unübersehbar.

Die Union hat mittlerweile auch den Klimaschutz für sich entdeckt – CSU-Chef Markus Söder umarmt sogar Bäume. Was unterscheidet Sie jetzt noch?

Für uns ist Klimaschutz nicht nur ein Lippenbekenntnis. Konkret: Erstens setzen wir auf eine sehr viel konsequentere und sozialere Energiewende. Zweitens der gesamte Bereich der Verkehrswende: Da sind wir Meilen vor der CDU. Allein im Bereich ÖPNV passiert viel zu wenig, den Bürgerinnen und Bürgern muss ein viel besseres Angebot gemacht werden, damit sie wortwörtlich umsteigen. Und drittens der Sektor der Landwirtschaft: Wir wollen auch den großen Bereich der Nahrungsmittelindustrie nachhaltig verändern.

Katharina Fegebank über Wahlkampf: „Harte Bandagen“

Richten wir die Augen nach Hamburg. In der Corona-Politik hört man kaum etwas von Ihnen. Haben Sie im Senat zu wenig zu sagen?

Es zählt einzig und allein, dass wir als Senat diese Krise gut managen. Alles andere interessiert die Leute nicht. Natürlich liegt der Fokus in Krisen auf den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten. Mir ist es wichtig, dass wir als Senat geschlossen auftreten und handeln. In meinen Verantwortungsbereich fällt zum Beispiel die Koordination der Pandemiebekämpfung durch die Bezirksämter. Auch der Bereich der Wissenschaft und Forschung ist ein entscheidender Impuls- und Ratgeber. Einige Behörden sind aber in der Tat stärker gefordert als andere.

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Sie rufen momentan gezielt die Studierenden zum Impfen auf – ist dort die Impfquote denn so schlecht?

Wir wissen aus datenschutzrechtlichen Gründen gar nicht, wie hoch die Impfquote bei den Studierenden ist. Ich habe das feste Ziel, dass das Wintersemester größtenteils in Präsenz stattfinden kann. Dafür braucht es eine hohe Impfquote.

Wie würde ein Präsenzsemester aussehen?

Seminare und praktische Übungen sollen in Präsenz stattfinden. Aber große Vorlesungen könnten weiter digital abgehalten werden; da gibt es auch positives Feedback von Lehrenden und Studierenden. Die Hochschulen erarbeiten gerade die konkreten Konzepte für das Wintersemester im engen Austausch mit uns. Wir wollen auf jeden Fall ein klares Hoffnungssignal an die Studierenden senden, die sehr unter dem Alleinsein in der Corona-Pandemie gelitten haben. Das Campusleben ist nicht zuletzt Begegnung und Austausch, das muss wieder möglich sein.

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