Matthias Barth von der Leuphana-Universität und Carolin Stüdemann von Viva con Agua treffen sich auf ein Glas Wasser.
  • Matthias Barth von der Leuphana-Universität und Carolin Stüdemann von Viva con Agua treffen sich auf ein Glas Wasser.
  • Foto: Patrick Sun

Hier lernen die Chefs von morgen nachhaltiges Denken

Die MOPO stellt gemeinsam mit „Viva con Agua“-Geschäftsführerin Carolin Stüdemann in der Serie „Auf ein Wasser mit …“ Unternehmer:innen und Vordenker:innen vor, die eine bessere Welt schaffen. Heute spricht Carolin mit Prof. Dr. Matthias Barth von der Leuphana-Universität Lüneburg. Dort ist er Studienprogrammverantwortlicher der Fakultät Nachhaltigkeit und unterrichtet „Sachunterricht und Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“.

Carolin Stüdemann: Moin Matthias! Die Leuphana-Universität Lüneburg zählt zu den Pionieren der Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften. Seit über 30 Jahren ist sie der Forschung und Lehre der nachhaltigen Entwicklung verschrieben. Warum ist das Thema so spät im Mainstream angekommen?

Matthias Barth: Moin. Was du hier beschreibst, ist eine typische Entwicklung, wie wir sie aus der Innovationsforschung kennen. Es gibt einerseits die innovativen Vorreiter:innen, die frühzeitig zeigen, was möglich ist. Für den Mainstream braucht es die Aufmerksamkeit der sogenannten early adopters, der nächsten Gruppe von Akteur:innen, die nicht sofort ein Thema aufgreifen, aber wenn sie es tun, damit auch in der Breite Aufmerksamkeit erzielen und andere zur Nachahmung bewegen. Für die Integration von nachhaltigen Entwicklungen in Forschung und Lehre sind hier zwei wichtige Aspekte zusammengekommen: Zum einen suchen Studierende solche Programme zunehmend. Nachhaltigkeitsorientierte Studiengänge gehören nicht nur bei uns zu den gefragtesten Programmen. Zum anderen erkennen Universitäten jetzt, dass sie dieses Thema aufgreifen müssen, um ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen.

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Im Studiengang Global Environmental and Sustainability Studies erwerben Studierende Wissen und Fähigkeiten, mit denen sie zu einer nachhaltigeren Entwicklung beitragen können. Welche sind das zum Beispiel?

Im Mittelpunkt stehen für uns hier Schlüsselkompetenzen, die zu einer aktiven Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft notwendig sind. Dazu gehört beispielsweise die Fähigkeit, in systemischen Zusammenhängen denken zu können, zukunftsorientiert planen zu können und für Entscheidungen unterschiedliche Werthaltungen und Normen kritisch zu reflektieren.

Leuphana Universität Lüneburg lehrt nachhaltiges Denken

Was brauchen Studierende noch, um mit den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts umgehen zu können?

Neben den gerade beschriebenen Nachhaltigkeitskompetenzen ist dies zum einen ein fundiertes Fachwissen im breiten Themenspektrum der Nachhaltigkeitswissenschaft. Zum anderen gehört die Fähigkeit dazu, das Wissen und die Kompetenzen aktiv einsetzen zu können. Dadurch können Studierende in zukünftigen Schlüsselpositionen zu einer Nachhaltigkeitstransformation beitragen.

Studierende kommen bei euch aus verschiedenen Ländern zusammen und treffen auf Lehrende mit verschiedenen kulturellen Hintergründen. Wie beeinflusst das das Zusammenarbeiten?

Aus der Lehr-Lernforschung wissen wir, wie lernförderlich Diversität ist – oft erscheint es uns ja anstrengender und zeitaufwendiger, mit ganz unterschiedlichen Menschen zusammenzuarbeiten. In diversen Gruppen, in denen aber Akteure mit unterschiedlichen Hintergründen, Einstellungen und Expertisen zusammenarbeiten, entstehen kreativere Lösungen und es finden hochwertigere und wirksamere Lernprozesse statt, da gemeinsam mehr reflektiert und ausgehandelt wird.

Matthias Barth, Leuphana-Uni: „Diversität fördert das Lernen“

Bei „Viva con Agua“ feiern wir die Idee von Social Business, also sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltige Geschäftsmodelle. Wie werden diese Inhalte bei euch vermittelt?

Solche Inhalte finden sich an unterschiedlichen Stellen bei uns im Studiengang wieder. Einerseits in den Veranstaltungen zum Nachhaltigkeitsmanagement. Andererseits auch in unseren transdisziplinären Projektseminaren, in denen Studierende gemeinsam mit Praxisakteur:innen an Beiträgen zur Nachhaltigkeitstransformation und damit an nachhaltigen Geschäftsmodellen arbeiten. Zudem gibt es natürlich gerade in unserer Hochschule, die bereits mehrfach als gründerfreundlichste Hochschule ausgezeichnet wurde, eine Reihe von Angeboten für Social Entrepreneurs.

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Welche Rolle in der Entwicklung zu mehr Nachhaltigkeit können Universitäten darüber hinaus übernehmen?

Drei Punkte erscheinen mir hier besonders wichtig: Als Universität für die Zivilgesellschaft des 21. Jahrhunderts gilt es erstens für uns, unser Handeln noch stärker auf eine gesellschaftliche Wirkung auszurichten. Es gilt zweitens, die Befähigung zur Problemlösekompetenz und zum aktiven Gestalten einer Nachhaltigkeitstransformation noch stärker in den Mittelpunkt der Bildungsangebote zu stellen. Als Organisation mit Vorbildfunktion gilt es drittens, den eigenen Betrieb immer wieder kritisch zu beleuchten und auf positive wie auch negative Auswirkungen hin zu überprüfen.

Professor Barth: Gerechte Verteilung von Ressourcen größte Herausforderung

Was ist deiner Meinung nach die größte Herausforderung der Zukunft?

Die größte Herausforderung der Zukunft ist für mich ganz klar die Frage der gerechten Verteilung von materiellen und immateriellen Ressourcen innerhalb der planetaren Grenzen. Wenn wir akzeptieren, dass es solche Grenzen gibt, dass Güter und die Beanspruchungsmöglichkeiten unseres Planeten also endlich sind – zu unserem Glück teilen immer mehr Menschen diese Einsicht –, müssen wir uns auch der Frage stellen, wie der Kuchen verteilt werden soll.

Auf ein Wasser mit: Die Interview-Reihe von Viva con Agua und MOPO Viva con Agua
Viva con Agua
Auf ein Wasser mit: Die Interview-Reihe von Viva con Agua und MOPO

Wie wollen die Studierenden darauf reagieren? Gibt es dort schon Ansätze?

Um die Studierenden mach’ ich mir hier am wenigsten Sorgen. Diese sind aktiv, sie reagieren nicht nur, sie wollen sich engagieren. Die Frage ist eher, wie können wir als Hochschule Angebote und Freiräume schaffen, damit sich Studierende kritisch-reflexiv und kreativ mit diesen Fragen auseinandersetzen können und dabei soziales Engagement auch mit ihrem Studium verbinden können. Das ist für mich die zentrale Herausforderung, der wir uns als Hochschulen stellen müssen.

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