Hamburger Gold-Jung Zverev: „Ich habe nicht für mich gespielt“
Am Ziel seiner Träume, mit der Goldmedaille um den Hals, blickte der Hamburger Alexander Zverev ergriffen in den Abendhimmel von Tokio. Mit feuchten Augen lauschte der Tennisstar der deutschen Nationalhymne, bevor er mit dem strahlenden Lächeln eines Olympiasiegers für die Fotografen posierte. „Ich kann das mit nichts vergleichen“, sagte Zverev überwältigt, „etwas Größeres kann man im Sport nicht erreichen.“
Und deshalb konnte Zverev seine Augen gar nicht mehr von der Goldmedaille abwenden. „Unwirklich“, rief er Bundestrainer Michael Kohlmann zu, als er das Ariake Coliseum, den Ort des größten Triumphs seiner Karriere, verließ. Selbst Feierpläne wollten ihm im Glücksrausch nicht einfallen. „Ich hoffe“, sagte Zverev, „dass das deutsche Haus mehr Ideen haben wird als ich“.
Tennis-Gold für Hamburger Zverev in Tokio – das schaffte nicht einmal Boris Becker
Nervenstark, dominant und unbeirrbar – so hatte er Karen Khachanov (ROC) beim 6:3, 6:1 keine Chance gelassen und sich nach dem Wahnsinnserfolg im Halbfinale gegen den unbezwingbar scheinenden Novak Djokovic in den Geschichtsbüchern verewigt. Als einzige Deutsche hatte bislang Steffi Graf vor 33 Jahren in Seoul Einzel-Gold gewonnen, die deutschen Männer um Boris Becker und Co. hatten sich an solch einem Meisterstück die Zähne ausgebissen.
„Ich glaube, dass er das von sich auch verlangt: Dass er was Besonderes macht. Damit hat er mit Sicherheit Geschichte geschrieben“, sagte Davis-Cup-Teamchef Kohlmann: „Es war von Anfang bis Ende ein perfektes Match. Besser kann man es in so einem großen Finale nicht spielen.“
Zverev jubelt nach Olympia-Gold: „Es gibt wenige Menschen, die glücklicher sind“
So cool Zverev zuvor mit großer Wucht und dem Herz eines Champions den vierten Olympiasieg für „Team D“ in Tokio eingefahren hatte, so gelöst war er danach. „Es gibt wenige Menschen, die gerade glücklicher sind als ich“, sagte der 24-Jährige – und schmachtete wieder mit verliebtem Blick seine Medaille an. „Ich habe ein goldenes Ding um den Hals – und das ist nicht eine der 50 Ketten, die ich sonst trage“, scherzte er.
Der Olympiasieg bedeutete Zverev auch deshalb so viel, weil er anders als auf den Grand-Slam-Bühnen dieser Welt nicht als Einzelkämpfer unterwegs war. „Ich habe nicht eine Sekunde für mich gespielt“, erzählte er – sondern auch für seine Mannschaftskollegen, für die deutschen Athleten im olympischen Dorf, für ganz Deutschland. „Ja, ich habe die Goldmedaille um den Hals“, sagte er: „Aber alle daheim in Deutschland, alle hier haben mich unterstützt.“
Dabei war der Druck auf die deutsche Nummer eins am Sonntagabend riesengroß – schließlich erwarteten alle die Goldmedaille nach dem furiosen Sieg über den Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic, mit dem er den Traum des serbischen Topstars vom Golden Slam wie im Rausch zerstörte.
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Er habe das im Internet sehr wohl registriert, sagte Zverev – und machte deshalb vor dem wichtigsten Match seiner Karriere das Handy aus. „Aber jetzt vibriert es ganz schön“, sagte er nach der geglückten Mission, als die Glückwünsche eintrudelten. Und er genoss es sichtlich. „Es gibt wenige Momente“, sagte Zverev, „in denen ich mich besser gefühlt habe.“