Kampf um das Künstler-Kraftwerk – mit Promi-Unterstützung
Ein Investor aus Berlin, der ein verfallendes Industriedenkmal schick machen will, und ein Kulturverein, der um sein Zuhause kämpft – und um Förder-Millionen von Bund und Stadt: Das sind die beiden Lager, die sich im alten Kraftwerk Bille in Hammerbrook gegenüberstehen. Dabei haben die Aktivisten vom „Hallo e.V.“ prominente Unterstützer auf ihrer Seite.
Schon seit Jahrzehnten ist Hamburgs ältestes erhaltenes Kraftwerk Heimat von Künstlern und Kreativen, die in den fünf Gebäuden arbeiten – für wenig oder gar keine Miete plus Betriebskosten. Einer der Mieter ist der Kulturverein „Hallo“, der in dem 120 Jahre alten Areal jährlich das Festival „Hallo Festspiele“ veranstaltet, Führungen durch das Gebäude anbietet und ein Stadtteilzentrum namens „Schaltzentrale“ gegründet hat, das allen Anwohnern offensteht.
Der Verein „Hallo e.V.“ hätte nun gerne Planungssicherheit, wo er bleiben kann, wenn das Kraftwerk saniert und zum Bürokomplex mit angeschlossenem Kulturzentrum aufgehübscht wird. Denn das ist es, was der jetzige Eigentümer, die in Berlin ansässige Kraftwerk Bille Hamburg GmbH (KBH) vorhat. Das Kalkül: Die Künstler sorgen für das Flair, die Firmen für die Mieteinnahmen.
Künstler wollen Teil des Hamburger Bille-Kraftwerks kaufen
Bei dieser Art von Stadtentwicklung will „Hallo“ nicht mitmachen. „Die ,Hallo Festspiele‘ haben das Areal kulturell aufgewertet“, sagt Vereinssprecherin Nina Manz im Gespräch mit der MOPO. Nun will der Verein auch selbstbestimmt dort kulturell weiterarbeiten und den Anwohnern eine Plattform bieten, sich aktiv in die Entwicklung des Stadtteils abseits von Investoren-Interessen einzubringen.
Dafür hat „Hallo“ mit dem Bezirk Hamburg Mitte einen Plan erarbeitet: Der von ihm bereits genutzte vordere Teil des Kraftwerks, das Zählerwerk, soll an die Schweizer Stiftung Edith Maryon verkauft werden. Die Organisation übernimmt Immobilien, meist aus Schenkungen oder Erbschaften, um sie der Spekulation zu entziehen und an gemeinnützige Projekte zu vermieten. Die Stiftung würde das Zählerwerk dann als Erbbaurecht an die Genossenschaft „Werk“ des „Hallo e. V.“ vergeben. Für dieses Konzept hat „Hallo“ auch Fördergelder vom Bund und von der Stadt bewilligt bekommen: zusammen neun Millionen Euro.
Investor gegen Verkauf des Kraftwerks Bille an Kulturverein „Hallo“
„Wir hatten bereits die Zusage der vorherigen Eigentümergesellschaft, einen Gebäudeteil als Gemeingut zu sichern“, sagt Manz. Doch die habe den Komplex im Herbst 2020 an KBH verkauft – und plötzlich sei die Abmachung hinfällig gewesen. „Man hat uns Anfang Januar einen anderen Gebäudeteil als Alternative angeboten“, sagt Manz. „Wir haben das auch geprüft, doch vor zwei Wochen hieß es plötzlich: Wir verkaufen gar nicht mehr – mit der Begründung, dass man nun eigene Pläne habe und sich eine Kooperation mit einer Genossenschaft nicht vorstellen kann.“
KB-Geschäftsführer Lars Neubauer sagt, er habe den „Hallo“-Vertretern bei einem Treffen im April vorgeschlagen, in der Kesselhalle Räumlichkeiten für einen bestimmte Zeitraum günstig zur Verfügung zu stellen. Vorbild sollte die Leipziger „Baumwollspinnerei“ sein, die Neubauer bereits mit der vorherigen Kraftwerk-Bille-Eigentümergesellschaft MIB auf ähnliche Weise zum Kunst- und Kreativ-Quartier umgestaltet hatte.
Das könnte Sie auch interessieren: Jetzt wird die ganze Stadt zur Bühne
Das Prinzip: Wenn es Fördergelder gibt, wolle er „eine Miete für den heutigen Bestand und Zustand ansetzen und alle Sanierungs- und Umbaukosten, die über eine mögliche Förderung in das Projekt fließen, gegen diese Miete aufrechnen, so dass das Gebäude über eine festgelegt Laufzeit mietfrei zur Verfügung steht.“ Das schrieb Neubauer nach dem Treffen an Jakob Ungerer, der beim Bezirk Mitte für die Entwicklung des Bille-Kraftwerks zuständig ist. Gibt’s hingegen keine Förder-Millionen, wolle KB einen städtebaulichen Vertrag mit der Stadt aushandeln, in dem Nutzung, Höchstmieten und anderes festgelegt würden.
Kraftwerk Bille: Deichkind und Elbphilharmonie-Chef unterstützen Petition
„Wir haben der Stadt Angebote gemacht, einen Kulturstandort zu schaffen, und das machen wir auch“, versichert Neubauer im Gespräch mit der MOPO. Ein Verkauf auch nur eines Teils des Kraftwerks komme aber nicht in Frage.
Als Gründe nennt KWB vor allem technische und bauliche Gründe, die es unmöglich machen würden, einen einzelnen Gebäudeteil zu verkaufen und nur den Rest des Komplexes zu sanieren. Der „Hallo e. V.“ hingegen vermutet etwas ganz Anderes hinter dem Umdenken des Investors.
„Die KBH hat deutlich gemacht, dass die Millionen-Fördersummen von Bund und Stadt Hamburg für das WERK-Konzept sie nicht interessieren“, sagt Manz. „Denn die mögliche Steuerersparnis durch die Denkmalabschreibung im Rahmen der Gebäudesanierung ist für die Investoren lukrativer. Darüber hinaus kann das sanierte Gebäude nach zwölf Jahren nochmal verkauft werden.“
Doch „Hallo“ gibt sich nicht kampflos geschlagen. Neben mehreren Kulturveranstaltungen hat der Verein auf der Plattform „Campact“ eine Petition für den Verkauf „zu einem fairen Preis“ gestartet – und bereits 150 Erstunterzeichner gewonnen (mehr Infos auf hallohallohallo.org). Darunter sind die HipHop-Elektro-Künstler Deichkind, Kampnagel-Chefin Amelie Deuflhard und Elphi-Intendant Christoph Lieben-Seutter.