AfD-nahe Firma aus Hamburg steuert Schmutzkampagne gegen Grüne
Wenn die Grünen die Kanzlerin stellen, dürfen die Deutschen ihre Autos nicht mehr selbst fahren und auf Kinder werden CO2-Steuern erhoben – es ist die vermutlich aggressivste Schmutzkampagne, die ein Wahlkampf in Deutschland je erlebt hat: „Grüner Mist“ heißt der Feldzug, der auf Großplakaten auch in Hamburg und mit krudesten Falschbehauptungen im Netz geführt wird, angeblich finanziert von einer „unabhängigen Bürgerinitiative“ . Tatsächlich orchestriert eine AfD-nahe Firma für Politikberatung die teure Kampagne. Im Impressum gibt das Unternehmen eine vornehme Adresse am Neuen Wall in Hamburg an.
Es sind Horrorvisionen, von denen der rechte Youtuber Hagen Grell in einem Video auf der Kampagnenseite raunt: Im Fall einer grünen Regierungsbeteiligung werden „wir“ ab 2040 nicht mehr selbst Auto fahren dürfen, „sodass am Ende nur noch Grüne Bonzen in ihren Tesla-SUVs selber fahren dürfen“. Auch die „Kinderpolitik“ werde sich unter den Grünen ändern: Kinder seien für die Grünen C02-Schleudern, es könne sein, dass es sogar Steuern geben werde auf Kinder, „eventuell kann man sogar mit einer sanften Ein-Kind-Politik rechnen.“
Schmutzkampagne gegen Grüne
Weiter geht es mit den in seriösem Duktus vorgetragenen Fake-News: Die Grünen wollten ein Punktesystem nach chinesischem Vorbild einführen: „Sodass, wer viel gereist ist und seine Klimapunkte verbraucht hat, dann nicht mehr in den selbstfahrenden Zügen reisen darf.“ Auch wer viele Kinder hat, würde bestraft werden und dürfe kein eigenes Auto mehr haben. Wann und wo die Grünen auch nur so etwas Ähnliches geäußert haben sollen, spielt keine Rolle. Hauptsache, Begriffe wie „Bonzen“ und „Ein-Kind-Politik“ werden mit den Grünen verknüpft und beim Betrachter bleibt die Angst hängen, die Grünen wollten in Deutschland chinesische Verhältnisse einführen.
Klimaschutz sei „Wohlstandsvernichtung“ heißt es im Netzauftritt der Kampagne in glasklarem AfD-Vokubular. Während die Welt in Flammen steht, macht die Anti–Grünen-Kampagne Witzchen über die globale Erwärmung („egal, ob Sie schwitzen oder frieren, schuld ist immer der ‚Klimawandel’“) und geht das Spitzenpersonal persönlich an: Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth wird als „antideutsche Mullah-Freundin“ bepöbelt, Anton Hofreiter als „hochexplosiver Mähnenträger“, Cem Özdemir als „Karriere-Emigrant der ersten Stunde“ verunglimpft.
Anti-Grünen-Kampagne in Deutschen Städten
Die Schmäh-Plakate orientieren sich in Farbe und Gestaltung an den Wahlplakaten der Grünen, mit jeweils drei Schlagworten, etwa „Klimasozialismus“, „Ökodiktatur“ und „Enteignungsterror.“
In den Sozialen Medien werden klassische Fakenews verbreitet: „Die Grünen sind für schwerste Umweltverbrechen verantwortlich! Laut Progress-Studie (Uni Bielefeld) schreddern deutsche Windräder jährlich 240.000 Fledermäuse, 12.000 Mäusebussarde und 1.500 Rotmilane.“ Tatsächlich befasst sich die Studie von 2015 gar nicht mit Fledermäusen und warnt zwar tatsächlich vor negativen Auswirkungen von Windrädern auf Mäusebussarde und Rotmilanen, aber mit anderen Zahlen – und betont etwa für den Rotmilan „dass der derzeitige Ausbau der Windenergienutzung keinen generellen Bestandsrückgang durch Kollisionen bewirkt.“
Wer bezahlt das alles? Wer steht hinter diesen massiven Desinformationen, die man in dieser Wucht bisher nur aus dem US-Wahlkampf kannte? „Finanziert von der Conservare Communication GmbH“ steht im Impressum der Kampagnenseite. Das Unternehmen ist nicht nur Initiator der Schmutzkampagne, sondern gibt laut dessen Impressum auch das Onlinemagazin „Deutschland-Kurier“ heraus, für das fast 30 Abgeordnete und Mitarbeitende der AfD Artikel schreiben. Chefredakteur: David Bendels, alleiniger Gesellschafter von Conservare Communication GmbH. Wie kann sich das Kommunikationsunternehmen einen Sitz an einer der teuersten Bürolagen Deutschlands leisten? Gar nicht, sagt Bendels auf MOPO-Nachfrage: „Das ist nur die Adresse unseres Bürodienstleisters.“ Am Neuen Wall sitzt also nur eine Bürokraft, die sich um Telefonate und Post verschiedener Auftraggeber kümmert. Er selbst sei nicht in Hamburg ansässig, so Bendels.
Wie es zu der Gründung der „unabhängigen und überparteilichen Bürgerinitiative“ gekommen sei? Wer dort Mitglied sei? Wer die Geldgeber für die Kampagne sind? Da bleibt Bendels im Ungefähren: „Seit die Grünen immer radikalere Positionen vertreten, sind Bürger und Mittelständler an mich herangetreten.“
Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer der Grünen, spricht auf Facebook von einer „neuen Lügenkampagne vom rechten Rand, befeuert von einer Armee an Internet-Trollen.“