Thrombose: Die lautlose Gefahr im Gefäß
Durch die Gefäße des Körpers pulsiert das Blut und verteilt Nährstoffe. Was passiert, wenn diese verstopfen? Wie gefährlich sind Thrombosen und warum nennt man sie auch die lautlose Gefahr? Etwa 40.000 Menschen sterben jedes Jahr an einer Lungenembolie. Dr. Jasmin Woitalla-Bruning ist die leitende Oberärztin des Zentrums für Venen und Dermatochirurgie am Tabea Krankenhaus in Hamburg-Blankenese. Sie ordnet die Gefahr im Gefäß für uns ein.
MOPO: Welche Blutgefäße haben wir in unserem Körper?
Dr. Jasmin Woitalla-Bruning: Wir unterscheiden zwei Arten von Gefäßen: Die Arterien sind die Gefäße, die das sauerstoffreiche Blut vom Herzen zu den Organen transportieren, um sie damit zu ernähren. Die Venen transportieren das sauerstoffarme Blut wieder zurück zum Herzen und der Lunge, um es dann wieder neu mit Sauerstoff anzureichern.
Wenn alle Gefäße gleichzeitig verstopfen, wären wir nicht mehr lebensfähig?
Das stimmt. Dann würden die Organe nicht mehr versorgt werden. Aber das kommt Gott sei Dank nicht vor.
Was ist eine Thrombose?
Wenn das Blut in einem Gefäß nicht mehr so fließen kann, wie es sollte, dann sprechen wir von einer Thrombose. Dabei kann das Gefäß zum Teil verstopft sein oder schlimmstenfalls ist es komplett verstopft. Meistens treten Thrombosen in den Beinen auf und können sowohl Venen wie auch Arterien betreffen.
Wie entsteht eine Thrombose?
Da gibt es drei verschiedene Faktoren, die die Entstehung einer Thrombose begünstigen. Zum einen die Zusammensetzung des Blutes: Sind viele Zellen und wenig Flüssigkeit vorhanden? Dann die Stase, also die Verlangsamung des Blutflusses, und drittens besteht eine Gefäßwand-Schädigung z. B. durch eine Entzündung in der Gefäßwand, an der das Blut dann langsamer vorbeifließt.
Starkes Schwitzen soll auch eine Thrombose begünstigen?
Wenn jemand einen fiebrigen Infekt hat, kann das schon ein Risikofaktor sein. Dazu kommt dann meistens auch noch Bettlägerigkeit und ein Flüssigkeitsverlust. Aber keine Angst vor starkem Schwitzen in der Sauna. Den Flüssigkeitsverlust dort füllt man ja in der Regel wieder schnell auf.
Wie groß ist das Risiko, eine Thrombose zu bekommen?
Man sagt, dass einer von 1000 Menschen pro Jahr an einer Thrombose erkrankt. Es ist aber auch abhängig vom Alter. Je älter man ist, desto größer ist das Risiko.
Eingangs sprach ich von der lautlosen Gefahr. Warum ist das so?
Ein großer Anteil von Patient:innen merken gar nicht, dass sie eine Thrombose haben. Denn viele Thrombosen verlaufen symptomfrei. Deswegen lautlos. Und Gefahr? Eine Thrombose ist per se immer eine kritische Situation. Wir hatten ja schon darüber gesprochen, dass die Venen das Blut zurück zum Herzen und der Lunge führen. Es kann sich immer ein Thrombus, also ein Stückchen aus dem Gerinnsel, lösen und plötzlich durch das Herz bis in die Lunge wandern und dort eine Lungenembolie verursachen. Das Herz muss jetzt dagegen anpumpen und die Folge wäre eine akute Herzinsuffizienz.
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Eine Thrombose ist also ein medizinischer Notfall?
Ja, das würde ich so sagen.
Gibt es Anzeichen, die auf eine Thrombose hindeuten?
Häufig berichten Patient:innen von Schmerzen in den Beinen. Oft ist auch ein Bein, eine Wade oder ein Fuß geschwollen. Wenn es sich schon um eine ausgeprägte Thrombose handelt, dann kann die Haut glänzen. In der Sprechstunde erfrage ich dann eventuelle Risikofaktoren: Wie lange dauert die Schwellung schon an, gab es einen Langstreckenflug oder auch familiäre Vorbelastungen? Mit dem Ultraschall können wir dann sehr gut die Gefäße darstellen – eine schmerzfreie Untersuchung – und fast immer eine eindeutige Diagnose stellen. Zur Sicherheit kann man auch noch etwas Blut abnehmen und nach typischen Gewebe-Abbaustoffen im Labor suchen lassen. Röntgen-Untersuchungen mit Kontrastmittel benötigt man heute so gut wie gar nicht mehr. Anders sieht es natürlich bei einer akuten Lungenembolie aus: Dann kommt es zu Herzrasen, kaltem Schweiß, Luftnot und einem Stechen in der Brust. Dabei müssen nicht immer alle Symptome vorhanden sein. Das ist aber auch schon ein medizinischer Notfall.
Wie wird eine Thrombose behandelt? Muss man ins Krankenhaus?
Nein, heute reichen in der Regel Tabletten. Das Marcumar kennt der eine oder andere vielleicht. Es gibt aber mittlerweile neuere Präparate. Die nimmt man ein- oder zweimal täglich. Dazu muss noch ein Kompressionsstrumpf getragen werden. Durch die Medikamente kann der Körper keine weiteren Thromben bilden und vermindert das Risiko, dass sich dieser Pfropf löst. Natürlich wird auch weiterhin regelmäßig per Ultraschall untersucht. Wenn die Thrombose aufgelöst ist, kann auch das blutverdünnende Medikament in der Regel abgesetzt werden.
In der Regel?
Das ist davon abhängig, welches Gefäß betroffen war. War es am Ober- oder Unterschenkel? Oder sogar im Beckenbereich? Gab es vielleicht doch Komplikationen? Oder konnte sogar ein Auslöser wie eine Operation bestimmt werden? Kann ich der Thrombose einen Auslöser zuordnen, dann ist nach der Therapie die Behandlung in den meisten Fällen damit auch abgeschlossen. Aber wenn z. B. eine schwere Blut-Gerinnungsstörung in Verbindung mit einer Thrombose vorliegt, dann würde man tatsächlich überlegen, wie lange man das Medikament verschreibt. Männer haben auch ein erhöhtes Risiko, eine weitere Thrombose zu bekommen. Es gibt also verschiedene Faktoren, die dazu führen können, dass man eine lebenslange Therapie empfiehlt.
Würde der Körper eine Thrombose auch selbst abbauen können?
Wenn man sich einen blauen Fleck, ein Hämatom, eingefangen hat, dann baut der Körper diesen auch Stück für Stück selbst ab. Oder denken Sie an eine Entzündung im Körper. Wir haben in uns die „Blut-Polizei“ und die Zellen, die den Gewebemüll wieder abbauen. So kann es sein, dass kleine Thrombosen auf diese Art und Weise unbemerkt wieder abgebaut werden.
Kann man selbst etwas tun, um einer Thrombose vorzubeugen?
Eine gesunde Ernährung bzw. eine gesunde Lebensweise ist immer gut. Das heißt, wer sich regelmäßig bewegt, wer viel trinkt, der hat schon mal per se eine bessere Grundvoraussetzung, gesund zu leben, und auch ein geringeres Risiko, eine Thrombose zu bekommen. Da sind wir wieder bei den Bausteinen: Bei wenig Bewegung fließt das Blut langsamer. Das Blut wird dicker, wenn wenig getrunken wird.
Wie sieht es mit Kompressionsstrümpfen auf Urlaubsreisen aus?
Es gibt das Economy-Class-Phänomen. Die Abstände zum Vordermann sind enger und damit ist der Winkel zwischen Ober- und Unterschenkel kleiner. Man kann sich die Gefäße in der Kniekehle und Leiste eher abklemmen. Aber man trinkt auch zu wenig und es hängt auch mit dem niedrigerem Luftdruck im Flugzeug zusammen. Das alles begünstigt die Entstehung einer Thrombose. Dagegen kann man einen Reisestrumpf tragen, den man in Apotheken kaufen kann. Wer dann noch weite Kleidung trägt, klemmt sich im Beckenbereich nichts ab. Am Gang sitzen hat auch noch den Vorteil, dass man ab und zu mal aufstehen kann.
Dieses Interview ist ein Auszug aus dem Podcast „Butter bei die Nierchen“. Wenn Sie wissen möchten, ob Corona Auswirkungen auf eine Thrombose hat oder ob häufiger Männer oder Frauen erkranken, dann hören Sie die aktuelle Folge. Die – und weitere Folgen – können Sie direkt hier hören: