Hamburgs Not mit Fachkräften: Handwerk funkt S.O.S.
Hamburgs Handwerk schlägt Alarm: In vielen Branchen herrscht schon jetzt ein großer Mangel an Fachkräften. Die Prognosen für die Zukunft fallen ebenfalls nicht positiv aus: 2035 könnten in Hamburg weit über 100.000 Stellen unbesetzt bleiben. Die Betriebe brauchen mehr junge Menschen, die sich für Klimaschutzberufe interessieren, sagt die Handwerkskammer. Auch Zuwanderung könnte eine Chance sein.
Auf den ersten Blick scheint die Lage bei Hamburgs Fachkräften derzeit positiv. Für 2020 und 2021 weist die Handelskammer in ihrem „Fachkräftemonitor“ sogar einen leichten Überschuss aus, allein in diesem Jahr übersteige das Angebot die Nachfrage um 27.000 Personen. Allerdings herrsche als Folge der Corona-Pandemie bei vielen Betrieben derzeit kaum Nachfrage nach Fachkräften.
Handwerk sucht Fachkräfte für den Klimaschutz
Doch bereits 2023 könnten schon wieder 11.000 Fachkräfte fehlen, 2035 sogar 127.000 – eine Steigerung von 1,3 auf 16,5 Prozent. Diese Entwicklung ist auch eine Folge dessen, dass die geburtenstarken Jahrgänge der 60er bald in Rente gehen werden.
33,7 Prozent der Hamburger Unternehmen sehen den Fachkräftemangel sogar als großes Risiko für die unmittelbare Zukunft. Besonders dramatisch scheint die Lage im Handwerk. Laut „Fachkräfteengpassanalyse 2020“ der Bundesagentur für Arbeit gehören gleich sieben der zehn Berufe mit dem höchsten Mangel an qualifizierten Arbeitskräften dem Handwerk an.
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Ganz oben stehen in der Mangel-Rangliste Berufe im Tiefbau, aus dem Bereich der Leitungsinstallation, aus der Sanitär-, Heizungs-, Klimatechnik und dem Rohrleitungsbau. Im Großen und Ganzen sei das Klimaschutz-Handwerk stark betroffen, teilte die Hamburger Handwerkskammer auf MOPO-Nachfrage mit. Dazu gehören Berufe wie Elektroniker:in für Energie- und Gebäudetechnik, Tischler:in oder Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer:in – Jobs, ohne die sich aus Sicht der Kammer die Klimawende kaum möglich machen lässt.
„Wir brauchen mehr junge Menschen, die sich nicht nur für die Energie- und Klimawende begeistern, sondern ganz einfach mit anpacken wollen. Eine Aus- und Weiterbildung in den verschiedenen Berufen im Klimaschutz-Handwerk sichert nicht nur die eigene Zukunft, sondern auch die der nachfolgenden Generationen – Everyday for Future, wenn man so will“, sagte Handwerkskammer-Präsident Hjalmar Stemmann.
Es fehlt an Fachkräften – und guten Bewerbungen
„Es ist schwer, gut ausgebildete fertige Gesellen zu finden“, berichtete auch Marvin Larsen, beim Hamburger Unternehmen „Lengemann & Eggers“ zuständig für die Ausbildung. Der einfachste Weg sei es, für den eigenen Bedarf auszubilden. Bewerbungen kämen auch genug, aber die Qualität der Bewerber:innen reiche nicht immer aus. Der Heizungs- und Klimatechnikbetrieb sucht derzeit nach einem neuen Partner für ein duales Studium, setzt zudem auf Zusatzleistungen wie Bahnfahrkarten, um mehr junge Leute für das Handwerk zu begeistern.
Doch nicht nur die Jugend ist eine Chance, um den Bedarf an gut ausgebildeten Arbeitnehmer:innen in Zukunft zu decken. Auch Zuwanderung spielt eine Rolle. Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit, hatte zuletzt schon eine gezielte Massen-Integration ausländischer Fachkräfte gefordert, um „die Lücken am Arbeitsmarkt“ zu schließen.
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In Hamburg gibt es längst eine eigene Anerkennungsstelle der Handwerkskammer. Dort wird zugewanderten Menschen dabei geholfen, ihre Abschlüsse an deutsche Standards anzupassen und die Qualifikation als Fachkraft zu erleichtern. Seit 2012 regelt das sogenannte „Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen“ den rechtlichen Rahmen dafür.
Mittlerweile hat die Handwerkskammer Hamburg nach eigenen Angaben 5552 Interessenten beraten, 354 davon in diesem Jahr. Zu den beliebtesten Berufen gehören demnach Kfz-Mechatroniker:in, Friseur:in, Elektroniker:in und Anlagenmechaniker:in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik – also auch Berufe, die zum Klimaschutz-Handwerk gehören. Auch „Lengemann & Eggers“ stelle vermehrt zugewanderte Handwerker:innen ein, sagte Marvin Larsen, der Betrieb sei „absolut offen“ dafür und biete Unterstützung an, wo es geht. Man dürfe eben „nichts unversucht lassen, um Fachkräfte zu finden.“
Elbcampus: „Mission Zukunft“ hilft bei Integration
Für solche Anpassungs- und Nachqualifizierungen gibt es zudem das Projekt „Mission Zukunft“ am Elbcampus in Harburg. In drei Modulen können die zugewanderten Handwerker:innen dort Kenntnisse erwerben, die ihnen noch für eine volle Anerkennung der Berufsausbildung in Deutschland fehlen. Das Projekt läuft in Zusammenarbeit mit Ausbildungsbetrieben, auch individuelle Fortbildungsmaßnahmen sind möglich.
Als Beispiel für eine besonders gut gelungene Integration verweist die Handwerkskammer auf Amithal Abo Ammar. Der 32-Jährige absolvierte in Syrien bereits eine Ausbildung als Orthopädietechnikmechaniker und Physiotherapeut, kam später aufgrund des Krieges nach Deutschland. Die Handwerkskammer erkannte seinen Abschluss teilweise an, vermittelte Ammar anschließend für ein einmonatiges Praktikum an ein Sanitätshaus. Und dort machte er offenbar so einen guten Job, dass er nach dem Praktikum einen Anschlussvertrag bekam.