Filmreif: Der irre Parkhaus-Zoff im Ostseebad
Der Streit um ein Parkhaus auf Rügen hat es bis ins Kino geschafft. Am Mittwoch wurde vor Gericht verhandelt. Die Streitparteien wollen sich nun außergerichtlich einigen.
Ein Gerüst aus nacktem Stahl, dazwischen Sichtbeton und Metallgitter – das Parkhaus im Ostseebad Göhren auf Rügen sei an Hässlichkeit nicht zu überbieten, polterte der Anwalt und ehemalige DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel am Mittwoch im Landgericht Stralsund. Dabei ging es eigentlich nicht um Architektur, sondern einen Streit zwischen der Gemeinde – vertreten durch Diestel – und den Parkhausbetreibern. Die Auseinandersetzung hat es dank des Dokumentarfilms „Wem gehört mein Dorf?“ bis auf die Leinwände deutscher Kinos geschafft.
Parkhaus-Zoff im Ostseebad: Es geht um einen Erbbaupachtvertrag
Die Streitparteien wollen sich nun außergerichtlich einigen. Die Verkündigung einer gerichtlichen Entscheidung setzte das Landgericht erst für Mitte Dezember an, um für genügend Zeit zu sorgen.
Im Zentrum steht ein Erbbaupachtvertrag von 2013 zwischen der Gemeinde und der Firma PG Parkhaus Göhren GmbH. Die Firma hat gegen eine jährliche Erbpacht ein Grundstück erhalten und wurde dazu verpflichtet, das besagte Parkhaus zu bauen, das seit 2019 in Betrieb ist. Der Vertrag sieht allerdings auch vor, dass die Gemeinde eigene konkurrierende Parkplätze schließen muss. Zudem hat er eine Laufzeit von bis zu 80 Jahren und die Erbpacht ist nach Ansicht der Gemeinde zu niedrig bemessen. Sie hält ihn für sittenwidrig.
„Schlechtester Vertrag, den ich in meinem ganzen Leben gelesen habe“
„Das ist der schlechteste Vertrag, den ich in meinem ganzen Leben gelesen habe“, befand Diestel. Das Problem: Die Gemeinde hat ihm damals nach gründlicher Prüfung und langwierigen Verhandlungen zugestimmt. Wieso, das ist weder dem derzeitigen Bürgermeister Torsten Döring (SPD), noch seinem Vorgänger Wolfgang Pester (parteilos) ganz klar. Auch Pester hat ihn nur übernommen – von seiner Vorgängerin Carola Koos (CDU).
Pester rechnete vor der Verhandlung vor: Die Gemeinde habe auf dem entsprechenden Grundstück mit Parkplätzen jährlich 80.000 Euro Umsatz gemacht. Laut Vertrag stünden ihr etwas mehr als 20.000 Euro Erbpacht pro Jahr zu. Im Ergebnis seien das mehr als 60.000 Euro Verlust jährlich. Auf 80 Jahre gerechnet komme man auf einen Verlust für die Gemeinde von etwa 4,8 Millionen Euro. Damit könne man alle Göhrener Straßen sanieren.
Anstatt die vier vom Vertrag betroffenen Parkplätze zu schließen, hatte er sie seinerzeit nur aus dem Betrieb genommen, in dem er Schilder entfernte und Parkuhren verhängte. Kostenloses Parken war weiter möglich. Die Betreiberfirma sah damit den Vertrag verletzt und klagte gegen die Gemeinde. Forderungen nach Schadenersatz und Vertragsstrafen stehen im Raum.
Das könnte Sie auch interessieren: „Auf null“ – So erfolgreich ist das Alkoholverbot an beliebtem Ostsee-Strand
Zum Vertrag sagte Hans-Joachim Brauch, Anwalt der Betreiberfirma: „Der ist doch nicht durch höhere Gewalt aufoktroyiert worden.“ Es sei die Idee der Gemeinde gewesen, ein Parkhaus zu errichten und andere Parkplätze zu schließen, um den Verkehr neu zu lenken. Das Parkhaus habe mehr als eine Million Euro gekostet und müsse refinanziert werden. Auch Richter Rüdiger Rinnert verwies auf die ausgiebigen Verhandlungen und Prüfungen, die dem Vertrag seinerzeit vorausgegangen seien. Er ließ aber auch Kritik an der langen Laufzeit erkennen, die die Gemeinde in ihren Gestaltungsmöglichkeiten lange einschränke. Zudem gewährleiste er eine Art Monopolstellung des Parkhauses.
Mittlerweile sind drei Parkplätze in Strandnähe nach Aussage der Gemeinde gesperrt oder nicht mehr in ihrer Hand. Es habe bereits Kritik von Urlaubern gegeben, sagte Döring. Den vierten weiter landeinwärts gelegenen Parkplatz betreibe man weiter. Den benötige man für ein dortiges Corona-Testzentrum. Über diesen vierten Parkplatz könne man reden, sagte Brauch. Man werde aber nicht den ganzen Vertrag zur Disposition stellen. „Wir sind immer kompromissbereit“, sagte Döring. Beiden Seiten kündigten die zügige Aufnahme von Gesprächen an. (dpa/mp)