Rot-Grün-Rot: Wie wahrscheinlich ist ein linkes Bündnis?
Achtung, die Kommunisten kommen! Dass Olaf Scholz (SPD) im Kanzlerkandidaten-Triell ein Bündnis mit der Linken nicht klar ausschloss, treibt Konservativen in diesen Tagen den Puls in die Höhe. Die Union schürt die Angst vor einem Linksruck, sogar Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mischte sich jetzt ein. Doch wie wahrscheinlich ist so ein Linksbündnis überhaupt?
Auf Bundesebene gab es das noch nie: Die Koalition 2RG, ein Bündnis zwischen SPD, der Linken und den Grünen. Doch spätestens seit dem Triell der Kanzlerkandidaten sorgt die Option für Furore. Der Grund: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte zwar strikte Bedingungen genannt, die die Linke für eine Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten erfüllen müsste – darunter ein Bekenntnis „von Herzen“ zur NATO. Doch eine kategorische Absage kam nicht.
Rot-Grün-Rot-Koalition laut Umfrage möglich
Rein rechnerisch wäre eine Rot-Grün-Rot-Koalition knapp, aber nicht ausgeschlossen: Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar hätte sie eine Mehrheit von 51 Prozent. Wie am Ende wirklich in der Wahlkabine gewählt wird, ist natürlich noch offen. Der regierungswillige Parteiflügel der Linken um Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, Co-Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow und Fraktionschef Dietmar Bartsch hat sich aber schon mehrfach für eine 2RG-Koalition ausgesprochen und Übereinstimmungen in finanz- und sozialpolitischen Themen betont.
Dass eine Einigung zustande kommt, ist trotzdem unwahrscheinlich – schließlich müsste die Linke dafür von ihren Grundsätzen abrücken: Sie fordert die Auflösung der NATO zugunsten eines neuen Sicherheitsbündnisses, das Russland mit einschließt. Zudem lehnt sie Auslandseinsätze der Bundeswehr ab. „Die Linke geht mit ihrem Programm in die Wahlauseinandersetzung und ändert dort nichts“, bekräftigte Bartsch jüngst. „Koalitionen werden nach Wahlergebnissen verhandelt.“ Auch Hennig-Wellsow sagte im „Zeit“-Interview, sie werde ihre Parteigenossen nicht um ein Bekenntnis zur NATO bitten.
Olaf Scholz will sich theoretisch alles offenhalten
Scholz hat der Linken nahezu unerfüllbare Bedingungen genannt – warum weicht er einem kategorischen „Nein“ dann überhaupt aus? Zum einen hat sich die SPD 2013 per Parteibeschluss geeinigt, ein Bündnis mit der Linken nicht mehr grundsätzlich auszuschließen. Zum anderen sitzt ihm der linke Parteiflügel um Co-Chefin Saskia Esken und den Ex-Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert im Nacken. 2019 hatte er verhindert, dass der konservativere Scholz Parteichef wurde. Seit er nun als Kanzlerkandidat antritt, gibt sich die Partei versöhnt. Sich in dieser Frage offen gegen den linken Flügel zu stellen, will Scholz aber offenbar trotzdem vermeiden – im April hatte sich Esken noch für eine 2RG-Koalition ausgesprochen.
Auch aus taktischen Gründen könnte Scholz daran gelegen sein, sich alle Optionen zumindest theoretisch offen zu halten: Etwa um sich für mögliche Verhandlungen um eine Ampel-Koalition mit der FDP den Rücken zu stärken. Dass er selbst jedenfalls andere Bündnisse bevorzugen würde, daran lässt er keinen Zweifel: In einem Social-Media-Video zieht er auch eine GroKo einer 2RG-Koalition vor.
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Und was denken die Wähler? Laut einer Meinungsumfrage des Instituts Civey für den „Spiegel“ will knapp mehr als die Hälfte der Deutschen, dass SPD und Grüne eine Koalition mit der Linken ausschließen. Laut dem ZDF-Politbarometer finden aber auch 37 Prozent eine solche Koalition gut – in dieser Umfrage von Ende August ist sie damit neben der Ampel das beliebteste Bündnis.