Darum schicken Imker ihre Königinnen zur Paarung an die Nordsee
Baltrum ist eigentlich nicht gerade als Schlaraffenland für Bienen bekannt. Auf der autofreien Nordseeinsel findet sich nämlich nur wenig Nektar. Trotzdem steuern Imker aus ganz Deutschland die Insel jeden Sommer an, um ihre Bienenköniginnen begatten zu lassen. Wozu der ganze Aufwand?
Behutsam lädt der Kran des Frachtschiffes „Baltrum II“ Paletten mit Dutzenden bunten Kisten von der Pier am Hafen von Neßmersiel an Bord. Das Schiff hat an diesem frühen Sommermorgen besonders wertvolle Fracht, die es auf die ostfriesische Insel Baltrum bringen soll. In den rund 300 bunten Kästchen, jedes etwa doppelt so groß wie ein Schuhkarton, befinden sich Bienenvölker. Nach und nach stapeln sich die Kästchen an Deck zwischen Getränkekisten, Klopapier und Postcontainern.
Imker nutzen Baltrums Abgeschiedenheit
„Alle an Bord“, ruft Detlef Kremer fragend über Deck – und meint damit gut ein Dutzend Imker, die die Bienenkisten nach Baltrum bringen. Kremer leitet die Belegstelle für Bienen des Landesverbandes Niedersächsischer Buckfastimker auf Baltrum. Denn die Nordseeinsel ist wie andere Eilande auch ein idealer Ort für die Bienenzucht. „Belegstelle“ heißt die Einrichtung, „belegen“ ist ein anderes Wort für „begatten“ ist. Der 72-Jährige kümmert sich um die An- und Abreise der Kisten und hält den Kontakt zu den Imkern.
Die Zucht von Bienen, die kilometerweit fliegen, sei gar nicht so einfach, erklärt Kremer, während das Frachtschiff gen Baltrum fährt. Einer Bienenkönigin könne man ja schlecht zeigen, mit welcher männlichen Biene, Drohne genannt, sie sich paaren soll. Deshalb nutzen die Züchter die Abgeschiedenheit der sonst Nordseeinsel. „Große Wasserflächen überqueren Bienen nicht“, erklärt Kremer. Auf Baltrum paaren sich die Königinnen mit ausgewählten Drohnen, die schon ein paar Wochen zuvor auf die Insel gebracht wurden – so lassen sich die Eigenschaften der Brut steuern.
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Die Plätze der Belegstelle auf Baltrum sind bei Bienenzüchtern aus ganz Deutschland begehrt. Die Kapazität übersteige die Nachfrage der Züchter, erklärt Kremer, der die Stelle bereits seit 19 Jahren betreut. „Wir sind ausgebucht.“ Der Zuchterfolg sei auf der Insel größer als bei Belegstellen auf dem Festland, erklären die Imker. An diesem Tag bringen Imker vom Bodensee, aus Sachsen, Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Königinnen zur Paarung.
Und da die Königinnen nicht alleine reisen, finden sich in jedem der verschlossenen Begattungskästchen auch etwa eine Handvoll Arbeiterinnen – quasi als kleiner Hofstaat. Peinlichst genau achten die Züchter vorher darauf, keine fremde Drohne mit auf die Insel zu bringen – diese könnte die ganze Zucht ruinieren.
Bienenzucht auf Baltrum: „Abenteuer und Freiheit“
Einer der Imker ist Heiner Buschhausen. Hinter dem 53-Jährigen aus Herten aus Nordrhein-Westfalen und seinen Kolleginnen und Kollegen liegt eine lange Nacht. Da Bienen wärmeempfindlich sind, machten sich die Imker mit ihren Kisten nachts auf den Weg an die Küste. Denn bei Wärme wollen die Bienen ihre Kisten verlassen. „Es ist ein wenig Abenteuer und Freiheit“, sagt Buschhausen, der seit sechs Jahren jeden Sommer seine Bienen nach Baltrum bringt, mit Blick auf die Überfahrt.
Auf der autofreien Insel angekommen geht die Arbeit erst richtig los: Mit dem Pferdefuhrwerk werden die Bienenkisten an den Rand eines abgelegenes Dünengeländes am Wasserwerk der kleinsten der Ostfriesischen Inseln gebracht. Von dort verteilen die Imker – stets zwei Kisten in den Händen – die Bienen auf dem weitläufigen Gelände. Jeder folgt einer eigenen Philosophie: Wo sollen die Kisten stehen? Wie sollen sie ausgerichtet sein? Für den Paarungsflug soll alles perfekt sein. Nach kurzer Zeit bildet sich ein buntes Mosaik aus Kisten in der Dünenlandschaft.
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Die Drohnen seien „fliegende Spermapakete“, erklärt Imker Buschhausen mit einem Augenzwinkern, während er seine rund 50 Kisten verteilt. Ihre einzige Aufgabe sei die Begattung der Königinnen. Eine Königin wird dabei in der Luft von mehreren Drohnen begattet, danach fallen die Drohnen tot vom Himmel. Die Königin kehrt danach in ihre Kiste zurück und beginnt mit der Brut – auf diese Weise wird das Erbmaterial der Drohnen in die Völker weitergegeben.
Mit der Bienenzucht sei es ein wenig so, wie bei der Zucht von englischen Rennpferden, meint Buschhausen, der seit 15 Jahren Imker im Nebenerwerb ist. „Natürlich will man das schnellste Rennpferd im Stall haben.“ Buschhausen und seinen Kollegen geht es dabei naturgemäß nicht um Schnelligkeit. Vielmehr sollen die Bienenvölker möglichst vital, sanftmütig und robust gegen Krankheiten sein – und dazu am besten auch noch einen ordentlichen Honigertrag bringen. Am Ende sei der Dienst der Züchter aber auch ein wichtiger Beitrag zur Landwirtschaft, erklärt Belegstellenleiter Kremer – denn ohne Bienen blieben viele Pflanzen unbefruchtet.
Baltrum: Bienenzucht ist wichtig für Landwirtschaft
Solche Belegstellen wie auf Baltrum gibt es auch auf anderen Nordseeinseln. Der Landesverband der Imker Weser-Ems unterhält etwa Einrichtungen auf Langeoog, Wangerooge, Norderney und Juist und stellt dort ausgewählte Drohnenvölker zur Verfügung. Allerdings wird dort eine andere Bienenrasse als auf Baltrum gezüchtet. Die Stellen auf den übrigen Inseln werden so laut Verband pro Jahr mit rund 6500 Königinnen aus ganz Deutschland und aus EU-Ländern beschickt.
Einige Zeit, nachdem die ersten Kisten auf Baltrum ausgebracht sind, beginnt es schon zu summen und zu brummen. Die Sonnenstrahlen locken die ersten Arbeiterinnen aus den nun geöffneten Kisten hervor – bis die Königinnen sich auf ihren Paarungsflug machen, wird es noch einige Tage dauern. Sie verlassen die Kiste dafür nur einmal.
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Detelf Kremer wird noch vier Mal auf die Insel kommen, um die An- und Abreise der Kisten zu organisieren. Immer nach 14 Tagen gibt es einen „Bienenwechsel“ und die Imker holen ihre Königinnen wieder von der Insel. Am Ende könnten so zwischen 1200 und 1500 begattete Königinnen die Insel verlassen – nach einem Sommer auf Baltrum. (dpa/mp)