An diesen Hamburger Schulen gibt es die meisten Corona-Fälle
Die vierte Welle trifft vor allem die Jungen: Nirgendwo ist die Corona-Inzidenz in Hamburg so hoch wie bei den Schüler:innen. Doch auch dort gibt es offenbar große Unterschiede – je nach sozialem Status. Was das für Eltern bedeutet und worum es derzeit in der Schuldebatte geht.
Die nackten Zahlen lesen sich erst einmal erschreckend: Die Inzidenz der 12- bis-17-Jährigen liegt bei 273,3, die der 6- bis 11-jährigen bei 201,9. Keine andere Altersgruppe kommt auch nur annähernd auf diese Werte. Die Sorgenkinder der vierten Corona-Welle sind im wahrsten Sinne des Wortes die Kinder. Und einige von ihnen noch mal mehr als die anderen.
Wie aus einer schriftlichen Kleinen Anfrage von Deniz Celik (Linke) hervorgeht, sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Bezirken zum Teil gewaltig. Während in der Altersgruppe 12 bis 17 in Hamburg-Mitte zuletzt eine Inzidenz von 434,3 gemeldet wurde, beträgt sie in Eimsbüttel nur 91,0. Die Diskrepanz bereitet dem Politiker Sorgen: „Dass die Inzidenz in Altersgruppen mit niedrigen Impfquoten am höchsten sind, ist wenig überraschend. Besorgniserregend sind allerdings die zum Teil sehr hohen Inzidenzen und ihre unterschiedliche Verteilung über die Bezirke.“ Er fordert gezielte Informations- und Aufklärungsangebote.
Hamburg: So sind die Corona-Zahlen an den einzelnen Schulen
Der Senat veröffentlicht derweil keine genauen Corona-Zahlen für die einzelnen Stadtteile. Doch der Verdacht liegt nahe, dass vor allem in ökonomisch schwachen Orte in der Stadt die Inzidenzen bei Kindern stark erhöht sind. Das Virus kann sich zum Beispiel in beengten Wohnverhältnissen leichter ausbreiten.
Gestützt wird die These von den aktuellen Corona-Fallzahlen an den einzelnen Schulen in Hamburg, die der MOPO vorliegen. Eine Anfrage der bildungspolitischen Sprecherin der Linken, Sabine Boeddinghaus, an den Senat zeigt auf, an welchen Schulen es zu den meisten Corona-Fällen kommt. Auffällig: Die Schulen mit den meisten Infektionen sind laut Sozialindex jene, wo die Schülerschaft weniger sozio-ökonomisch privilegiert ist.
So sind sieben der neun Schulen, die vom 14. August bis zum 27. August über zehn Corona-Infektionen meldeten, auf dem Sozialindex als niedrig einsortiert. Lediglich zwei Schulen gelten als sozio-ökonomisch privilegiert. Die meisten Corona-Fälle finden sich an der Schule Maretstraße, die in dem Zeitraum 19 Infektionen bei Schüler:innen verzeichnete. „Wir sehen eindeutig eine Häufung der Infektionen in den Schulen mit den drei niedrigen Sozialindexen. Besonders sticht aber der Sozialindext 6 – ökonomisch hoch gestellte Schulen – heraus, bei dem insgesamt nur 22 Infektionen gemeldet wurden. Corona und die Infektionsgefahr scheinen auch hier mit dem sozialen Hintergrund zu tun zu haben“, interpretiert Boeddinghaus die Daten gegenüber der MOPO. Bei den gemeldeten Corona-Infektionen der Schüler:innen handelt es sich nicht zwangsläufig über Ansteckungen, die im schulischen Kontext passiert sind.
Diese Schulen verzeichneten die meisten infizierten Schüler:innen (Meldezeitraum 14. bis 27. August):
Der Sozialindex geht von 1 (niedrig) bis 6 (hoch) und beurteilt die sozio-ökonomische Lage der Schule.
Platz 1: Schule Maretstraße: 19 infizierte Schüler:innen bei 817 Schüler:innen insgesamt (Sozialindex 1)
Platz 2: Max-Schmeling-Stadtteilschule: 18 infizierte Schüler:innen bei 1100 Schüler:innen insgesamt (Sozialindex 2)
Platz 3: Lisa-Meitner-Gymnasium: 17 infizierte Schüler:innen bei 896 Schüler:inen insgesamt (Sozialindex 4)
Platz 4: Grund- und Stadtteilschule Alter Teichweg: 17 infizierte Schüler:innen bei 1609 Schüler:innen insgesamt (Sozialindex 2)
Platz 5: Geschwister-Scholl-Stadtteilschule: 16 infizierte Schüler:innen bei 770 Schüler:innen insgesamt (Sozialindex 1)
Platz 6: Stadtteilschule Lurup: 14 infizierte Schüler:innen bei 1045 Schüler:innen insgesamt (Sozialindex 2)
Platz 7: Stadtteilschule Wilhelmsburg: 13 infizierte Schüler:innen bei 1118 Schülern insgesamt (Sozialindex 1)
Platz 8: Gymnasium Meiendorf: Elf infizierte Schüler:innen bei 923 Schüler:innen insgesamt (Sozialindex 5)
Platz 9: Stadtteilschule Bergedorf: Zehn infizierte Schüler:innen bei 1406 Schüler:innen insgesamt (Sozialindex 3)
Noch wichtiger ist sicherlich die Frage danach, welche Konsequenzen solche erhöhten Zahlen für die Schulkinder bedeuten. Weiterhin gilt, dass die Wahrscheinlichkeit als mit Corona infiziertes Kind in ein Krankenhaus zu kommen sehr gering ist. „Die allermeisten SARS-CoV-2 infizierten Kinder erkranken gar nicht oder nur mild“, sagte Dr. Robin Kobbe, Facharzt für Kinder und Jugendmedizin in der Infektologie des UKE der MOPO. Laut Daten des Robert-Koch-Instituts gab es deutschlandweit bislang 23 Todesfälle bei unter 20-Jährigen, von denen die große Mehrzahl schwere Vorerkrankungen hatte.
Durchlaufen lassen durch die Schulen sollte man die Pandemie allerdings nicht. „Es ist davon auszugehen, wenn sich sehr viele Kinder infizieren, dass dann auch einige schwer erkranken könnten, die im Krankenhaus behandelt werden müssen“, so Kobbe. Bislang gibt es keinen zugelassenen Impfstoff für unter Zwölfjährige. Mit einer Zulassung wird im Winter gerechnet.
Hamburg: Lolli-Tests werden erst einmal nicht ausgeweitet
Die Linkenpolitikerin Sabine Boeddinghaus kritisiert den Hamburger Senat, er würde zu wenig für den Schutz der Schüler:innen tun. „Dass die Lolli-Tests erst in der Pilotierung sind und die Luftfilter immer noch nicht in den Schulen stehen, ist Ausdruck schlampiger Vor- und Fürsorge.“ Die Schulbehörde um Senator Ties Rabe (SPD) will die Hamburger Schulen bis zu den Herbstferien mit Luftfiltern ausgestattet haben, bereits jetzt sind hunderte Klassenräume ausgestattet. Hamburg hatte als erstes Bundesland Luftfilter bestellt. Vergangene Woche lief ein Testprojekt für sogenannte PCR-Lolli-Tests an neun Schulen an. Normalerweise wird mit den ungenaueren Antigen-Schnelltests an Hamburgs Schulen getestet. „Es ist nicht damit zu rechnen, dass sehr schnell eine Entscheidung über eine Ausweitung getroffen wird“, sagte Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde der MOPO in Bezug auf die Lolli-Testungen an weiteren Schulen.
Schüler können sich künftig freitesten
Derweil wurde endlich eine Einigung über künftige Quarantäneregelungen für Schüler:innen in Deutschland erzielt. Bei der Gesundheitsministerkonferenz am Montagabend sprachen sich die verschiedenen Gesundheitsminister:innen der Länder dafür aus, künftig einheitlich zu regeln, dass so wenig Schüler:innen wie möglich bei Corona-Fällen in der Klasse in Quarantäne müssen. Außerdem sollen Kontaktpersonen, die zunächst in Quarantäne geschickt wurden aber asymptomatisch sind, die Möglichkeit bekommen sich nach frühestens fünf Tagen freizutesten. Wann die Regelung in Hamburg in Kraft tritt, ist noch nicht ganz klar. Die Sozialbehörde will nun mit den Gesundheitsämtern an einer Anpassung der bisherigen Regeln arbeiten – bislang bestand die Möglichkeit auf Freitestung hier nicht.