• Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). 
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„Das ist frustrierend“ – UKE-Intensiv-Chef appelliert an Politik

Am Sonntag wurde deutschlandweit so wenig geimpft wie seit dem 7. Februar nicht mehr – Virologen warnen davor, dass die derzeitige Impfquote nicht ausreicht, um gut durch den Winter zu kommen. Prof. Dr. Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am UKE, berichtet über die aktuelle Lage auf der Intensivstation in Hamburg, warum das Personal manchmal frustriert ist und appelliert an alle, sich impfen zu lassen.

MOPO: Herr Prof. Kluge, wie ist die Lage derzeit bei Ihnen auf der Intensivstation? 

Prof. Dr. Stefan Kluge: Aktuell ist es übersichtlich. Wir haben sieben Corona-Intensivpatienten bei uns, ein weiterer wird noch aus einem anderen Krankenhaus zu uns verlegt. Allerdings halten wir für den Fall der Fälle Betten zurück und haben 14 Betten im Intensivbereich reserviert. Das ist nicht wenig. Aber uns zermürbt, dass eigentlich alle Intensivpatienten momentan ungeimpft sind. 

Kann man von einem typischen Corona-Intensivpatienten sprechen?

Uns erschreckt, dass unsere ungeimpften Intensivpatienten fast alles Menschen mit Risikofaktoren sind. Sie sind zum Beispiel übergewichtig, haben Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder sind schwanger und schon ein wenig älter. Das Personal ist ein Stück weit frustriert, weil sich jeder mit einer Impfung gegen schwere Corona-Verläufe schützen könnte.

Kommt die Impfkampagne zu schleppend voran? 

Ich hätte mir im vergangenen Jahr nie vorstellen können, dass wir heute an einem Punkt sind, wo die Impfkampagne stagniert. Das ist frustrierend und hier muss die Politik noch aktiver werden.

Was schlagen sie vor?

Es müssen noch viel mehr Impfangebote geschaffen werden. Bei der Impfquote liegt Bremen immer noch deutlich vor Hamburg. Daher ist es super, dass wir in der Elbphilharmonie oder im Fußballstadion impfen, aber es gibt Menschen, die haben nur einen sehr begrenzten Bewegungsradius. Problematisch ist auch in vielen Fällen eine Sprachbarriere. Da muss man in den Stadtteilen weitere Impfangebote mit Ansprache und Anreizen schaffen. Das ist die Chance, um jetzt noch Leute von der Impfung zu überzeugen.

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Wie stehen Sie dazu, dass nun vor allem die Hospitalisierungsrate als Indikator zur Beurteilung der Infektionslage herangezogen wird?

Das halte ich für einen richtigen Schritt, auch wenn man die Inzidenz auf keinen Fall vergessen darf. Die Berliner Corona-Ampel ist zum Beispiel etwas, das ich sehr vernünftig finde. Dort werden die Hospitalisierungsrate, die Bettenbelegung auf den Intensivstationen und die Sieben-Tage-Inzidenz kombiniert. Ich habe wenig Verständnis dafür, dass die Politik sich nicht auf eine Ampel einigen kann. Ich verstehe nicht, warum die Bundesländer dies nicht einheitlich lösen können. 

Befürchten Sie bald wieder zunehmend ältere Menschen auf den Intensivstationen, weil der Impfschutz nachlässt?

Es ist nicht so, dass nun nach einem halben Jahr plötzlich der Schutz vor Corona aufhört. Auch ältere Menschen haben immer noch Antikörper, der Impfschutz ist nur nicht mehr so perfekt wie vorher, aber immer noch vorhanden. Ein 72-Jähriger, der ungeimpft ist und keinen Immunschutz hat, ist deutlich gefährdeter. 

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