FDP und Grüne: Wen wollen Sie zum Kanzler machen – Laschet oder Scholz?
Sie können sich leidenschaftlich zoffen. Über Steuererhöhungen, Tempolimits und den Königsweg im Kampf gegen den Klimawandel. Und sie werden wahrscheinlich zusammen regieren – ob nun in einem Jamaika-Bündnis unter einem Kanzler Armin Laschet (CDU) oder in der Ampel unter Olaf Scholz (SPD). Die MOPO hat FDP und Grüne an einen Tisch gebracht, hat mit den Hamburger Bundestagskandidaten Ria Schröder (FDP) und Till Steffen (Grüne) nach Gemeinsamkeiten gesucht und viele Widersprüche gefunden.
MOPO: Frau Schröder, Ihr Parteichef Christian Lindner war lange der Überzeugung, dass Armin Laschet Kanzler wird und hat sich öffentlich auf eine künftige Zusammenarbeit mit ihm gefreut. Und jetzt?
Ria Schröder: Ich kann Christian Lindners Präferenz gut verstehen, denn in NRW, wo Armin Laschet regiert, haben wir eine sehr gut funktionierende Koalition aus CDU und FDP. Wir haben aber immer gesagt, dass wir bereit sind, mit allen demokratischen Parteien Koalitionsverhandlungen zu führen.
Herr Lindner hat auch gesagt: SPD und Grüne müssten der FDP für eine Ampel schon ein sehr starkes Angebot machen. Wie müsste das aussehen?
Schröder: Mir sind vier Dinge wichtig: Wir brauchen mehr Geld für die Bildung und mehr Verantwortung beim Bund. Beim Thema Wirtschaft ist uns wichtig, dass es keine Steuererhöhungen gibt und die Schuldenbremse eingehalten wird. Wir fordern ein Ministerium für digitale Transformation. Und beim Klimaschutz werden wir keiner Regierung beitreten, die nicht den Anspruch hat, das 1,5-Grad-Ziel auch wirklich einzuhalten.
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Till Steffen: Das sind doch zwei sich widersprechende Ziele in einem. Klar müssen wir in Bildung investieren. Das kostet Geld. Und die FDP möchte dem Staat mit ihrem Programm 80 Milliarden an Steuereinnahmen abnehmen. Wenn man das macht, werden wir gar kein Geld für die Bildung haben und auch keins für die Investitionen, die wir brauchen, um unser Land klimaneutral zu machen.
Woher soll das Geld kommen, wenn es nach den Grünen geht?
Steffen: Wir brauchen einen stärkeren Beitrag von denjenigen, die auch mehr leisten können. Deshalb fordern wir ein Prozent Vermögenssteuer für alle Menschen mit einem Vermögen ab zwei Millionen Euro.
Schröder: Die Grünen haben diese Vorstellung, dass das Vermögen auf einem Bankkonto liegt. Aber das meiste steckt in der Substanz von Unternehmen, also da wo Wohlstand und Arbeitsplätze geschaffen werden. Hinzu kommt: Die meisten Emissionen stößt nicht der Staat aus, sondern die Industrie. Das heißt: Unternehmen müssen in den kommenden Jahren investieren, um klimaneutral zu werden. Das Ob entscheidet die Politik, aber das Wie können die Unternehmen am besten selbst entscheiden.
Steffen: Viele Haushalte in Deutschland häufen durchaus ein Vermögen an, das nicht in Unternehmen investiert wird. Sondern in das sogenannte Betongold, also in Immobilien. Das führt zu absurden Preisen auf dem Markt. Die Schere zwischen arm und reich geht in diesem Land immer weiter auseinander.
Schröder: Wenn es um die Schere von arm und reich geht, müssen wir in Deutschland wieder die Möglichkeit eröffnen, aufzusteigen. Die soziale Mobilität ist stark eingeschränkt – insbesondere im Bildungsbereich. Finanzbildung sollte zum Pflichtfach an Schulen werden, damit es für die Kinder keinen Unterschied macht, ob Eltern Ahnung von Aktien und Investitionen haben oder nicht.
Herr Steffen, welche Punkte wären für Sie nicht verhandelbar?
Steffen: Wir müssen die Klimawende schaffen. Das ist für uns der zentrale Punkt. Das Interessante ist, dass Sie das auch betonen, Frau Schröder. Ihr Parteiprogramm ist aber ziemlich dürftig an der Stelle. Während wir Grüne viele konkrete Maßnahmen nennen, schweigen sich die Liberalen aus.
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Schröder: Das sehe ich komplett anders. Wir haben unterschiedliche Ansätze. Die Grünen wollen sehr kleinteilig Vorschriften machen und Verbote aussprechen. Wir wollen sektorübergreifend ein Budget für CO2 festlegen, das genau vorgibt, wieviel CO2 und andere Klimagase wir noch ausstoßen dürfen. Und diejenigen, die einen Anteil an diesem Budget haben wollen, müssen dafür zahlen. Den Preis bestimmt der Markt.
Steffen: Der CO2-Preis ist auch Teil unseres Programms. Er kann aber nur ein Teil sein, denn wenn wir nur über ihn steuern, wird der Preis sehr hoch sein – für einige unbezahlbar. Ergebnis: Die einen könnten sich den Verbrenner weiter leisten, während sich andere Mobilität gar nicht mehr leisten könnten. Das ist nicht unser Ziel. Wir wollen die Klimaneutralität sozial schaffen.
Herr Steffen, ist es denkbar, dass die Grünen ein Jamaika-Bündnis eingehen, obwohl die SPD vor der Union landet?
Steffen: Wir schließen keine Koalition aus, außer mit der AfD. Aber ich sehe aktuell nicht, dass Jamaika sich noch sonderlich aufdrängt.
Schröder: Sie schließen ein Bündnis mit der Linkspartei nicht aus. Das finde ich schon bemerkenswert.
Steffen: Warum bemerkenswert?
Schröder: Man muss doch Prinzipien und Werte haben, zu denen man steht. Und die sind mit der Linkspartei nicht vereinbar. Zumindest beim Thema transatlantische Partnerschaft, beim Thema Nato und in der Außenpolitik generell gibt es doch große Überschneidungen zwischen Grünen und FDP. Ich blicke daher mit Sorge darauf, wenn die Grünen mit der Linkspartei, die wichtige Bündnisse infrage stellt, liebäugeln.
Steffen: Richtig ist, dass FDP und Grüne in vielen außenpolitischen Fragen nicht weit auseinander sind. Und dass die Linkpartei sich extrem würde bewegen müssen. Mein Eindruck ist, dass die da nur zu einem kleinen Teil bereit zu sind. Für uns ist klar: Unsere Außenpolitik ist europäisch, sie ist transatlantisch und fest an der Seite von Israel. Aber: Wenn die FDP die gleiche Nummer durchzieht wie 2017 und sich ohne verständliche Begründung aus den Verhandlungen verabschiedet, muss man eben auch über andere Varianten nachdenken.
Schröder: Wenn wir in eine Regierung eintreten, ist es für uns natürlich Voraussetzung, dass wir unsere Inhalte und Ziele umsetzen und das Land gestalten können.
Kommen wir zu einem anderen Knackpunkt – dem Verkehr. Herr Steffen, Hand aufs Herz: Fahren Sie auf der Autobahn nicht auch mal schneller als 130 km/h?
Steffen: In den Kasseler Bergen bergab, ja. Sonst nicht. Ein Tempolimit bei 130 halte ich für richtig, weil es zur CO2-Einsparung beiträgt und ohne Kosten direkt eingeführt werden kann. Es reduziert die Anzahl schwerer Verkehrsunfälle und macht Autofahren insgesamt entspannter.
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Schröder: Ich sehe das anders. Ich finde es überhaupt nicht entspannt, mit 130 zu fahren. Wenn ich schon das Auto nehme, dann fahre ich oft lange Strecken – zum Beispiel in den Urlaub nach Südfrankreich. Da fahre ich schon gern schneller. Den Klimaaspekt sehe ich. Aber das Tempolimit soll ja auch für Elektroautos gelten und das finde ich nicht logisch. Und wenn man es ins Verhältnis setzt mit dem Ausstoß der Industrie, dann wird das Tempolimit in seiner Wirkung ziemlich überhöht.
Steffen: So kann man nicht argumentieren, denn wir können doch auf keine Klimaschutzmaßnahme verzichten, wenn wir das 1,5-Grad-Ziel erreichen wollen.
Schröder: Aber sinnvoll müssen die Maßnahmen sein. Bei Koalitionsverhandlungen geht es am Ende doch um die großen Fragen, darum, wie die Zukunft aussieht, wie wir in 10 oder 20 Jahren dastehen. Am Ende denke ich nicht, dass eine Koalition solchen kleinteiligen Fragen scheitern sollte.
Wen wünschen Sie sich eigentlich als Kanzler: Armin Laschet oder Olaf Scholz?
Schröder: Ich habe mit Olaf Scholz meine Probleme, insbesondere mit seinem Weiter-So beim Thema Rente. Bei Armin Laschet weiß ich schlicht nicht, ob er den Drive hat, unser Land in die Zukunft zu führen.
Steffen: Es ist mit beiden nicht einfach – vor allem bei der Klimapolitik.