Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung, fordert einen „Freedom Day“ für Deutschland.
  • Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung, fordert einen „Freedom Day“ für Deutschland.
  • Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Alle Regeln weg? Streit um deutschen „Freiheitstag“

Alle Corona-Beschränkungen mit einem Schlag weg – davon träumen viele Menschen. Nun fordert der Chef der Kassenärzte, Andreas Gassen, einen solchen „Freedom Day“, einen „Tag der Freiheit“ nach britischem Vorbild, auch für Deutschland. Doch der Gegenwind ist heftig.

„Es braucht jetzt eine klare Ansage der Politik: In sechs Wochen ist auch bei uns Freedom Day! Am 30. Oktober werden alle Beschränkungen aufgehoben!“, sagte Gassen der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ („NOZ“). „Das gibt jedem, der will, genug Zeit, sich noch impfen zu lassen. Meine Wette: Dann sind wir Ende Oktober bei einer Impfquote von 70 Prozent oder noch höher, weil sehr viele Menschen das Angebot dann doch schleunigst annehmen werden.“

Corona: Großbritannien feiert Freiheitstag am 16. Juli

In Großbritannien hatte Premier Boris Johnson bereits am 16. Juli den „Freedom Day“ ausgerufen. „Dort ist das Gesundheitssystem nicht kollabiert. Das muss Mut machen, zumal das deutsche Gesundheitssystem deutlich leistungsfähiger als das britische ist“, argumentiert Gassen. Allerdings: In Großbritannien liegt die Quote der vollständig Geimpfen bei über 81 Prozent. In Dänemark, das ebenfalls komplett geöffnet hat, sogar über bei über 90 Prozent. In Deutschland beträgt die Quote 62,5 Prozent.


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In Großbritannien halbierte sich nach dem „Freedom Day“ die Ansteckungsrate zunächst. Aktuell liegt die Inzidenz bei 350. Die Zahl der Corona-Todesfälle liegt auf einem neuen Rekordniveau.

Gassen erntete auf breiter Front Ablehnung. Als „ethisch nicht vertretbar“, bezeichnete SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach den Vorschlag. Die Welle der Pandemie, die dann käme, wäre zu groß, warnte er auf Twitter. Besser wäre eine Öffnung, wenn 85 Prozent geimpft seien. Bis dahin sollte die 2G-Regel gelten.

Noch 20 Millionen Deutsche ohne Corona-Impfschutz

Kanzleramtschef Helge Braun hält „derzeit nicht viel“ von einem „Freiheitstag“. „Denn es kann gut sein, dass es noch eine weitere Welle geben wird“, sagte er zur Begründung. Gut vier Millionen Menschen hätten sich bis heute infiziert, aber 20 Millionen noch keinen Impfschutz. Das zeige, wie groß die Welle werden könnte.

Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen nannte Gassens Forderung „zynisch“. Man könne nicht so tun, als sei die Pandemie nun ein ein Privatvergnügen und Ungeimpfte letztlich selbst Schuld an einer Infektion. Außerdem widerspreche die Forderung der Haltung der Mehrheit der niedergelassenen Ärzte.

Sogar FDP reagiert zurückhaltend auf Gassens Vorstoß

Und sogar die FDP reagiert mit Zurückhaltung: Gesundheitsexperte Andrew Ullmann hält eine Diskussion
über eine Aufhebung der Corona-Regeln zwar für richtig. Es sei aber zu früh dafür, ein konkretes Datum wie den 30. Oktober zu nennen, sagte Ullmann.

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Die Inzidenz ist in Deutschland nach einer längeren Wachstumsphase wieder gesunken. Aktuell liegt sie bei 70,5. Experten erklären das unter anderem mit einer hohen Dunkelziffer an Infizierten und dem Durchbrechen von Infektionsketten bei Schülern – durch regelmäßige Testungen. Gesundheitsminster Jens Spahn (CDU) warnt trotzdem vor einer Überlastung des Gesundheitssystems.

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