Mediziner versorgen auf der Intensivstation eines syrischen Krankenhauses einen Corona-Patienten.
  • Mediziner versorgen auf der Intensivstation eines syrischen Krankenhauses einen Corona-Patienten.
  • Foto: picture alliance/dpa | Anas Alkharboutli

Corona in Idlib: Coronavirus wütet in Rebellenhochburg

Erst Assad und der Krieg, jetzt das Coronavirus: Die Menschen in der syrischen Rebellenhochburg Idlib haben einen neuen, gefährlichen Gegner. Die Zahl der Infektionen nimmt dramatisch zu – doch viele Krankenhäuser sind zerbombt, Ärzte und Pflegekräfte geflohen.

Es sei eine „medizinische Katastrophe“, so Idlibs Ärzteverband. Die Hilfe von internationalen Organisationen werde dringend erbeten. In der nordwestlichen Provinz und Rebellenhochburg wütet die Pandemie – und trifft damit auf eine vom Bürgerkrieg verwüstete Infrastruktur.

Syrien: Coronavirus wütet in Rebellenhochburg Idlib

In der übervölkerten Enklave mit vier Millionen Menschen hat sich die Zahl der Corona-Fälle seit August auf mehr als 61.000 verdoppelt. In den vergangenen Wochen sind täglich mehr als 1500 Neuinfektionen registriert worden – am vergangenen Sonntag starben 34 Menschen. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein: Viele Infizierte melden sich nicht bei den Behörden.

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Die Weißhelme, die privaten syrischen Zivilschützer, suchen normalerweise nach Bombardierungen in den Trümmern nach Überlebenden und Leichen. Derzeit bringen sie jedoch vor allem Corona-Patienten ins Krankenhaus – oder die an Covid Verstorbenen zur Bestattung, wie der „RND“ berichtet.

In der Rebellenhochburg fehlt es derzeit an allen Ecken: Die Intensivstationen sind weitgehend voll, es herrscht Mangel an Sauerstoffflaschen, Testausrüstung fehlt und die Impfkampagne läuft nur langsam an. Hinzu kommen die extreme Armut und die Verwüstungen des Krieges. Zehntausende leben derzeit in Zeltsiedlungen – Sicherheitsabstände und regelmäßiges Händewaschen sind nicht möglich.

Pandemie in Idlib (Syrien): Corona-Maßnahmen beschlossen

Große Teile von Idlib und der benachbarten Provinz Aleppo sind unter der Kontrolle von Syriens bewaffneter Opposition – doch auch radikale Gruppen und Militante mit Verbindungen zur Terrororganisation Al-Kaida agieren hier. Sie schafften es nicht, dem Corona-Ausbruch etwas entgegenzusetzen. Die hochansteckende Delta-Virusvariante in Verbindung mit muslimische Feiertagsversammlungen sollen zu dem massiven Anstieg geführt haben.

Der politische Arm der Rebellengruppe, die Idlib verwaltet, hat nun Maßnahmen beschlossen: Einige Märkte wurden geschlossen, Restaurants dürfen nur im Freien servieren und der Schulbeginn nach der Sommerpause wurde um eine Woche verschoben. Doch viele Menschen leben hier als Tagelöhner, sie können ohne Arbeit nicht überleben – zu Hause bleiben ist für sie demnach keine Option. „Wenn sie nicht arbeiten, können sie nicht essen“, sagt Einwohner Ahmad S., auch Gesichtsmasken seien für viele Menschen unerschwinglich.

Viele Syrer können sich keine Corona-Masken leisten

Hinzu kommt, dass etliche Menschen durch den Krieg und ihre Erfahrungen zu abgekämpft sind, sich an Restriktionen zu halten. „Es ist, als ob sich die Leute an den Tod gewöhnt haben“, beschreibt Sawa Abdel R., ein Aktivist der Opposition, die Lage. „Wer nicht bei Luftangriffen der Regierung oder der Russen getötet worden ist, wird es jetzt durch das Coronavirus.“ Tatsächlich sei das Virus für manche Einwohner die kleinste Sorge: „Wir sind durch schwierigere Situationen gegangen als das Coronavirus“, sagt Ali D. gegenüber Journalisten. Er ist ohne Maske auf einem Markt unterwegs. „Wir haben keine Angst vor dem Coronavirus.“

Doch nicht nur die Corona-Fälle nehmen in Idlib zu, auch die Gewalt. Bislang hatte eine vor 18 Monaten auf Betreiben der Türkei und Russlands vereinbarte Feuerpause für relative Ruhe gesorgt – beide Länder unterstützen im Syrienkrieg rivalisierende Seiten. In den vergangenen Wochen haben jedoch Luftangriffe und Artilleriebeschuss durch Regierungstruppen zahlreiche Menschen getötet und verletzt. (vd)

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