Gas-Preise explorieren: Vorwürfe gegen Bundesregierung
Fast jeder zweite Haushalt in Deutschland heizt mit Gas. Doch in diesem Jahr gibt es nur wenig des fossilen Brennstoffs auf dem europäischen Markt. Die Folge: steil steigende Preise. Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock vermutet dahinter eine russische Strategie – und macht der Bundesregierung schwere Vorwürfe.
Der Gaspreis hat sich seit Jahresbeginn mehr als verdreifacht und befindet sich aktuell auf Rekordniveau. Viele deutsche Energieversorger haben bereits angekündigt, die Preissteigerung an ihre Kunden weiterzugeben – oder haben es bereits getan. Von den hohen Preisen profitiert vor allem der russische Gaslieferant Gazprom, der unter der Kontrolle des Kreml und Wladimir Putins steht.
Russland liefert 20 Prozent weniger Gas an Europa
In diesem Jahr hat Russland 20 Prozent weniger Erdgas nach Europa geliefert als im Jahr 2019 – obwohl die Wirtschaft auch hierzulande wieder anzieht. Die Gasspeicher in Deutschland sind ziemlich leer, über den Winter könnte es knapp werden. China und die Türkei hingegen haben aus Russland Rekordlieferungen erhalten. Die Internationale Energieagentur (IEA) hatte Russland bereits am Dienstag aufgefordert, mehr Erdgas nach Europa zu liefern, um Engpässe zu verhindern.
Ob dies tatsächlich geschieht, ist allerdings offen. Russland hat für Oktober jedenfalls keine Transitrechte von der Ukraine erworben, über die das russische Gas bisher vor allem nach Deutschland gekommen ist.
„Wir sind in einer Erpressungssituation“
Die Grünen vermuten dahinter eine gezielte Zermürbungsstrategie. „Russland ist sehr zurückhaltend bei der Lieferung von Erdgas nach Europa“, sagte Baerbock den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND). „Ein naheliegender Grund dafür ist, dass das Putin-Regime politischen Druck aufbauen will, um die ausstehenden Genehmigungen für Nord Stream 2 zu beschleunigen.“
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„Die Leidtragenden sind die Kunden in Deutschland, deren Gaspreise steigen werden oder die im Extremfall sogar im Kalten sitzen müssen“, führte Baerbock weiter aus. „Dieses putinsche Spiel zeigt einmal mehr, welchen Bärendienst SPD und Union mit ihrem Einsatz für Nord Stream 2 Deutschland erwiesen haben.
Die Bundesregierung hat die Pipeline vorangetrieben, allen Bedenken, Warnungen und Befürchtungen zum Trotz.“ Das räche sich nun, denn Deutschland sei „in der Erpressungssituation, vor der ausgiebig gewarnt wurde“.
Forderung nach nationaler Gasreserve
Die deutsch-russische Pipeline durch die Ostsee ist vor wenigen Tagen nach jahrelanger Bauzeit fertig geworden. Allerdings gibt es noch hohe Genehmigungs-Hürden. So sieht das EU-Recht beispielsweise das Prinzip des sogenannten Unbundlings (Deutsch: Entflechtung) vor. Dieses besagt, dass die Gasproduktion und die Infrastruktur zur Lieferung nicht in einer Hand liegen dürfen, um Monopole zu verhindern. Gazprom jedoch verfügt über Produktion und Infrastruktur.
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SPD und Union haben immer argumentiert, Nord Stream 2, mit ihrem Chef-Lobbyisten Gerhard Schröder (SPD), sei für die Versorgungssicherheit Deutschlands notwendig. Baerbock fordert nun eine nationale Gasreserve einzuführen. Diese gibt es bisher nur für Öl.