Virtual Reality meets Erotik: Auf St. Pauli wird Kunst neu erlebbar
„Enter Room!“ Mit einem Klick sitze ich auf einmal in einer riesigen gelben Welt, in der Schmetterlinge umherfliegen und gekachelte Brücken ins Nirgendwo führen. Ich drehe meinen Kopf nach oben und komme aus dem Staunen nicht mehr raus – denn über mir schwebt direkt ein riesiges Kunstwerk. Darauf zu sehen: Eine nackte Frau mit übergroßen Lippen, deren Körper über und über mit roter Farbe beschmiert ist.
In Realität sitze ich allerdings gar nicht in dem unendlich erscheinenden gelben Raum, sondern auf einem Bürostuhl mitten im frisch wiedereröffneten Erotic Art Museum auf St. Pauli. Alles, was sich vermeintlich direkt vor, über und unter mir befindet, sehe ich lediglich durch eine VR-Brille („Virtual Reality“), die mir um den Kopf geschnallt wurde.
VR-Show in Hamburg-St. Pauli: Erotic Art Museum wiedereröffnet
Ich drücke einen weiteren Knopf, verlasse auf einmal den Boden und schwebe durch die virtuelle gelbe Welt. Seite an Seite reihen sich dabei in der Luft verschiedene Werke des Künstlerduos „pxxy Porn“, die ich im Vorbeifliegen betrachten kann. Wenn ich will, kann ich mir auch ein ausgewähltes Exponat von ganz nah anschauen – oder hindurchfliegen.
Im Erotic Art Museum in der Bernhard-Nocht-Straße trifft ab Donnerstag Kunst auf Virtual Reality – und macht sie damit erlebbar. Die provokante Ausstellung „The Art of Cancelled Culture“ will sowohl die Themen Diversity, Cancel Culture als auch Instagram-Filter auf erotische Weise kommentieren. Unter Letzteres fällt zum Beispiel die Frau mit den unnatürlich großen Lippen.
St. Pauli: Erotic Art Museum von Instagram gebannt
„Ironischerweise wurde der Instagram-Kanal des Erotic Art Museum vor ein paar Wochen permanent von der sozialen Plattform gebannt“, erzählt Museumsleiter Ekkehart Opitz, besser bekannt als „Der Reverend“. „Unser Inhalt verstieß gegen die Richtlinien. Das ist meiner Meinung nach ein Paradebeispiel für den Zeitgeist. Erotik ist zwar allgegenwärtig, aber keiner will darüber sprechen oder noch schlimmer, sich damit wirklich befassen.“
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Aber anstatt sich anzupassen, hätte er eine „Jetzt erst recht“-Einstellung entwickelt, die er mit „pxxy Porn“ teile. Dahinter stecken die beiden Künstler Roman Gilz und Gordan Nikolic. Während Gilz stets die Fotos macht, bearbeitet Nikolic die Motive später entweder analog mit Pinsel und Farbe oder digital am Computer.
Hamburg: Virtuelle Ausstellung im Erotic Art Museum
Die Ausstellung selbst ist auf zwei reale Räume aufgeteilt. Im Eingangsbereich des Museums hängen die Exponate der Künstler an der Wand, im zweiten befinden sich eine Couch und mehrere Stühle. „Dort können sich die Besucher hinsetzen und die Museumswelt virtuell erleben“, so Opitz.
Entstanden sei die Idee Ende 2020, mitten im Corona-Lockdown. „Wir haben uns gefragt, wie Kunst möglich sein kann, ohne dass die Leute wirklich da sind“, erzählt Roman Gilz. So sei ihnen der Gedanke eines virtuellen Museums gekommen, durch das man sich auf einer eigens kreierten Website klicken kann. Die VR-Brille in den realen Museumsräumen verbinde jetzt die analoge mit der virtuellen Welt miteinander.
St. Pauli: Acht virtuelle Räume können erkundet werden
Der Vorteil: Egal wie groß die Ausstellung ist, sie braucht immer wenig Platz. Auf einem Stuhl können die derzeit acht verschiedenen virtuelle Räume erkundet werden. Der Museumsleiter vergleicht die Technik mit einer riesigen Spielwiese. „Wir wollen das noch auf weitere Punkte in der Stadt ausweiten“, sagt er. „Wie verrückt wäre das, wenn die verschiedenen Museumsbesucher sich dann in der virtuellen Museumswelt treffen und sich über Kunst austauschen – obwohl sie eigentlich Kilometer voneinander entfernt sind.“
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Ausstellungseröffnung ist am Donnerstagabend um 19 Uhr mit einer Performance der Sängerin „Die Prophetin“. Das Museum öffnet dann von Montags bis Samstags immer von 12-18 Uhr. Die VR-Shows müssen vorab online gebucht werden.