Pandemie-Expert:innen müssen mit vielen Anfeindungen leben - das ergab eine neue Studie.
  • Pandemie-Expert:innen wie der Virologe Christian Drosten müssen mit vielen Anfeindungen leben - das ergab eine neue Studie.
  • Foto: dpa | Michael Kappeler

Erschreckend: Der Hass auf die Pandemie-Erklärer

„Ich hoffe du stirbst“: Solche Drohungen haben Fachleute in der Corona-Pandemie oft bekommen – einfach nur, weil sie ihren Job machten. Nämlich: uns das Coronavirus zu erklären. Eine aktuelle Studie zeigt nun, wie erschreckend das Ausmaß dieser Anfeindungen ist.

Ärzt:innen, Epidemiolog:innen und Virolog:innen, die vor der Kamera, auf Twitter oder in Zeitungen Studien kommentieren: In der Pandemie ist das Alltag geworden. Eine Umfrage des Fachblatts „Nature“ wirft nun ein Schlaglicht auf die krassen Reaktionen, die viele wegen ihrer Präsenz in der Öffentlichkeit erfahren haben. Es geht dabei um Hassbotschaften, Morddrohungen und sogar körperliche Angriffe.

Beschimpfungen, Drohungen, Angriffe: Das müssen Expert:innen erdulden

Vorweg: Es handelt sich nicht um eine wissenschaftlich begleitete, repräsentative Umfrage. Das Ausmaß des Problems lässt sich damit nicht exakt bemessen – aber erahnen. 321 Expert:innen, die mit Medien über Corona gesprochen hatten, beteiligten sich an der Studie. Die meisten kamen aus Großbritannien, Deutschland und den USA.


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Gut die Hälfte der Befragten gab an, manchmal, in der Regel oder immer nach Medienauftritten Troll-Kommentare oder Anfeindungen erlebt zu haben – bis hin zu Morddrohungen in 47 Fällen. Sechs Forschende gaben an, körperlich attackiert worden zu sein. Einzelne berichten von aggressiven Mails, gehackten Accounts oder Webseiten und Beschwerden an den Arbeitgeber.

„Nature“ nennt auch Fallbeispiele: Der australische Epidemiologe Gideon Meyerowitz-Katz etwa erhielt die meisten Drohungen – überraschenderweise – von Menschen, die das Anti-Wurmmittel Ivermectin als angebliches Präparat gegen Covid-19 verteidigten. „Leute mailen mir anonym von komischen Accounts ,Ich hoffe du stirbst‘ oder ,Wenn du in meiner Nähe wärst, würde ich dich erschießen‘“, so Meyerowitz-Katz. Auch die Frage des Virusursprungs ist laut Bericht ein heißes Eisen – und natürlich Impfungen.

Auch Virologen Drosten und Brinkmann betroffen

Auch in Deutschland gibt es Betroffene: Virologe Christian Drosten etwa berichtete bei einem Kongress in Berlin, dass es ihm „ziemlich unangenehm“ sei, beim Einkaufen erkannt zu werden – daher gehe er mit Sonnenbrille und Mütze raus. Seine Kollegin Melanie Brinkmann erzählte dem „Spiegel“, sie habe öfter „Angst“ und ihre beiden älteren Söhne auch bereits gebeten: „Guckt bitte, ob ihr Leute seht, die vor dem Haus herumgehen und sich merkwürdig benehmen.“

Virologin Melanie Brinkmann. Julian Stratenschulte/dpa
Virologin Melanie Brinkmann.
Virologin Melanie Brinkmann.

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Ein neues Phänomen ist der exzessive Hass zwar nicht. „Die Pandemie wirkte jedoch wie ein doppeltes Brennglas. Alle Dynamiken, die wir in der Forschung bereits beschrieben hatten, traten nun in hoher Konzentration und Blitzgeschwindigkeit zutage“, erklärt Konstanze Marx von der Uni Greifswald. Sie sehe Handlungsbedarf im „generellen Diskursklima“, also auch in Medien und Politik. Gebraucht werde ein Klima der Wissenschaftsfreundlichkeit.

Bitter: In der Fachwelt wird befürchtet, dass der Hass zu Rückzug und Selbstzensur von Expert:innen führen und andere abschrecken könnte, selbst öffentlich aufzutreten. Ein Trost aber bleibt, zeigt die Umfrage: Nach positiven Erfahrungen nach Medienauftritten gefragt, stimmten 83 Prozent der Aussage zu, sie hätten ihre Botschaft an die Öffentlichkeit bringen können. (mik/dpa)

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