Eine Familie aus Madagaskar, die von schwerer Unterernährung betroffen ist.
  • Eine Familie aus Madagaskar, die von schwerer Unterernährung betroffen ist.
  • Foto: dpa/WFP | Tsiory Andriantsoarana

15.000 Kinder sterben täglich an Hunger – „das ist Mord”

811 Millionen Menschen hungern, 15.000 Kinder sterben täglich den Hungertod: Die Ergebnisse des Welthunger-Indexes 2021 sind schockierend. Dabei könnte Hunger in nur wenigen Jahren weltweit besiegt werden – wenn es die Indus­trieländer wollten. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagt deshalb: „Hunger ist Mord.“

Den Hunger weltweit bis 2030 beenden – das ist eigentlich das Ziel der Vereinten Nationen. Doch davon sind wir weit entfernt: 47 Länder werden bis 2030 nicht einmal ein niedriges Hungerniveau erreichen, sagt Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe, die am Donnerstag den neuen Welthunger-Index (WHI) veröffentlicht hat. Am schlimmsten sind Menschen im Jemen, in Afghanistan, Syrien, Madagaskar, Somalia und anderen afrikanischen Ländern betroffen. Besonders dramatisch: Vielerorts wurden frühere Fortschritte verlangsamt oder gar umgekehrt.

Welthunger-Index 2021. dpa
Welthunger-Index 2021.
Welthunger-Index 2021.

Pandemie, Klimawandel und Konflikte sind größte Hungerursachen

Schuld sind laut WHI von der Pandemie verstärkt ausgelöste wirtschaftliche Krisen und der Klimawandel – vor allem aber die steigende Anzahl von gewaltsamen Konflikten. „Wo Krieg herrscht, werden Ernten, Felder sowie Infrastruktur zerstört und fliehen Menschen aus ihren Dörfern“, erläutert Mogge dem „RND“. Ein Teufelskreis, denn Ernährungsunsicherheit fördert wiederum Gewalt. Der Klimawandel wird die Lage durch höhere Temperaturen, mehr oder weniger Regen und häufigeres Extremwetter noch verschärfen.


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Das ist besonders bitter, weil eine Welt ohne Hunger eigentlich möglich wäre: Würde die Weltgemeinschaft 40 Milliarden Euro mehr im Jahr in nachhaltige Ernährungssysteme investieren, könnte er bis 2030 weltweit besiegt werden, nehmen Forscher an. Zum Vergleich: Das HSH-Nordbank-Debakel kostete Hamburg und Schleswig-Holstein knapp 14,5 Milliarden Euro.

Gerd Müller (CSU): Eine Welt ohne Hunger ist möglich

„Hunger ist Mord“, erklärte der Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) am Donnerstag in der „Augsburger Allgemeinen“. „Denn wir haben das Wissen und die Technologie, alle Menschen satt zu machen.“ Dass täglich 15.000 Kinder verhungerten, sei ein unglaublicher Skandal. 40 Milliarden Euro mehr im Jahr seien viel, aber machbar, sagt Müller und verwies auf die Rüstungs- und Verteidigungsindustrie, für die weltweit jährlich 2000 Milliarden Dollar ausgegeben würden.

Mathias Mogge ist Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe. dpa | Lennart Stock
Mathias Mogge ist Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe.
Mathias Mogge ist Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe.

Wie also helfen? „Die reichen Länder versuchen ihre eigenen Lösungsansätze auf die Länder des Südens zu übertragen und verkennen, das Lösungsansätze für 2-Hektar-Betriebe und nicht für 100-Hektar-Betriebe gebraucht werden“, mahnt Stig Tanzmann von „Brot für die Welt“, gegenüber der MOPO. „Entscheidend für die Überwindung des Hungers sind Lösungsansätze für Menschen, die wenig oder nichts haben. Wir sollten denen, die wenig oder nichts haben, zuhören und mit ihnen gemeinsam Lösungen entwickeln.“

Hunger weltweit: Was jeder Einzelne tun kann

Doch auch politisch gibt es Handlungsbedarf: „Mit politischen und diplomatischen Initiativen sowohl auf internationaler, aber auch nationaler Ebene könnten Kriege wie im Jemen oder Syrien beendet werden“, sagt Mogge der MOPO. „Da brauchen wir mehr Nachdruck.“ Auf der anstehenden Klimakonferenz in Glasgow müssten die Hauptverursacher der Klimakrise zudem verbindliche Zusagen machen und einhalten – und für ausreichende Finanzierung sorgen.

Retoboha (4) wird von Mitarbeitern des Welternährungsprogramms (WFP) in Ambovombe, einem der Bezirke in Madagaskar mit einer sehr hohen Zahl unterernährter Kinder, gemessen. dpa/WFP | Tsiory Andriantsoarana
Retoboha (4) wird von Mitarbeitern des Welternährungsprogramms (WFP) in Ambovombe, einem der Bezirke in Madagaskar mit einer sehr hohen Zahl unterernährter Kinder, gemessen.
Retoboha (4) wird von Mitarbeitern des Welternährungsprogramms (WFP) in Ambovombe, einem der Bezirke in Madagaskar mit einer sehr hohen Zahl unterernährter Kinder, gemessen.

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Etwas tun können aber auch wir: „Jeder Einzelne kann dazu beitragen, indem er mit Ressourcen wie Energie und Wasser sorgsam umgeht und Lebensmittel bewusst einkauft und konsumiert“, sagt Mogge. Zudem könne man mit Spenden lebensrettende Hilfe für mangelernährte Kinder ermöglichen, so eine Sprecherin des Kinderhilfswerks Unicef zur MOPO.

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