Absage wegen rechter Verlage: Eklat auf Frankfurter Buchmesse
Nach einem Jahr Corona-Pause wollte die Frankfurter Buchmesse eigentlich mit großem Trara ihre Rückkehr feiern. Stattdessen wird seit ihrem Beginn am Mittwoch über etwas ganz anderes diskutiert: Die Messe wird überschattet von einem Absage-Eklat, der mittlerweile sogar im Ausland Thema ist. Mehrere Autor:innen weigerten sich zu kommen – was war passiert?
Jasmina Kuhnke ist Autorin. Die 39-Jährige sollte eigentlich auf der Frankfurter Buchmesse, die dieses Jahr nach einem Jahr Corona-Pause wieder stattfindet, ihren Debütroman „Schwarzes Herz“ vorstellen. Doch den für Freitag geplanten Auftritt hat Kuhnke kurz vorher abgesagt. Denn: Die Autorin hatte Angst um ihre Sicherheit.
Wie sie auf ihrem Instagram-Profil schreibt, sei ihr Auftritt im Vorfeld geheim gehalten worden, da ihre Teilnahme „wegen der Bedrohung durch Rechte“ für sie ohnehin „nur unter besonderen Schutzmaßnahmen möglich“ sei. Die Angst vor Angriffen ist nachvollziehbar: Kuhnke ist schwarz und setzt sich öffentlich für die Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung ein. Sie wurde dadurch für die rechte Szene zum Hassobjekt: Im Februar 2021 etwa wurde Kuhnkes Privatanschrift verbunden mit einem Gewaltaufruf in einem Internetvideo verbreitet. Darin heißt es, die Aktivistin solle „massakriert“ werden.
Darum sagte Autorin Jasmina Kuhnke ihren Auftritt ab
Warum aber dann die Absage ihres Auftritts? Kurz vor Start der Buchmesse habe sie erfahren, dass der Verlag Jungeuropa auch mit einem Stand vertreten sei – unmittelbar in der Nähe ihres Auftrittsortes, so Kuhnke. Verleger von Jungeuropa ist Philip Stein, den Kuhnke als „Rechtsextremist“ bezeichnet. Er habe bereits öffentlich geschrieben, dass sie „abgeschoben“ werden solle.
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Stein und andere reden zudem in einem Podcast darüber, dass sie dem Journalisten Andreas Speit auf der Buchmesse mit einer „Schermaschine“ den Kopf zu einer Skinhead-„Frisur“ rasieren und der Journalistin Andrea Röpke „in Frakturschrift das Wort Deutschland ins Gesicht tätowieren“ wollten.
„Es ist also damit absehbar, dass über den Verlag und Autor:innen hinaus auch weitere Rechtsextreme die Messe besuchen werden“, schreibt Kuhnke. Das mache „die Gefahr für mich persönlich unübersehbar gegenwärtig“ – deshalb habe sie ihre Teilnahme abgesagt. Abgesehen von ihrer persönlichen Betroffenheit empfinde sie es generell „untragbar, Nazis Raum zu bieten, sich darstellen zu dürfen“, so Kuhnke weiter.
Frankfurter Buchmesse 2021: Auch andere Autorinnen und Autoren kamen nicht
Das fanden auch andere: Mehrere Kolleg:innen von Kuhnke sagten ebenfalls ihre Termine auf der Buchmesse ab, darunter Riccardo Simonetti, Nikeata Thompson und Annabelle Mandeng. Sie kritisierten, dass die Messeveranstalter Jungeuropa und anderen rechten Verlagen eine Plattform böten. Die Buchmesse rechtfertigte das so: „Meinungs- und Publikationsfreiheit stehen für uns an erster Stelle“, hieß es in einem Statement. Alle Verlage, die sich im Rahmen der Rechtsordnung bewegten, dürften in Frankfurt ausstellen – „auch wenn wir ihre Ansichten nicht teilen“.
Kuhnkes Verlag Rowohlt erklärte dagegen, das Recht auf Meinungsfreiheit stoße „an seine Grenzen, wenn die Sicherheit und die Grundrechte anderer bedroht werden“. Ähnlich äußerte sich auch Simonetti, der auf Instagram schrieb, dass „Rassismus und rechte Gesinnung keine Meinung sind.“ Er wünsche sich, „dass die Buchmesse ihre Haltung in dieser Sache dringend überdenkt.“
Frankfurter Buchmesse war schon einmal von Eklat überschattet
Tatsächlich war es auch nicht das erste Mal, dass die Messe mit einem Eklat zu tun hat. Das fiel auch der „Washington Post“ auf, die vergangene Woche auf den Fall Kuhnke aufmerksam wurde und berichtete. 2017 war ein Auftritt des rechtsextremen Aktivisten und Publizisten Götz Kubitschek geplant. Als Protestzeichen hielt die Anti-Extremismus-Stiftung Amadeu Antonio daraufhin eine Mahnwache ab. „Verbote und Zensur sind für uns keine Option“, sagte Buchmesse-Chef Jürgen Boos damals zur Nachrichtenagentur Reuters. „Eine Idee verschwindet nicht, wenn man ihren Autor loswird.“
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Indes solidarisierte sich auch die Bildungsstätte Anne Frank in einer Stellungnahme mit Kuhnke. Es sei „ein Desaster für unsere offene Debattenkultur, wenn sich Betroffene von Rassismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit von der Frankfurter Buchmesse als der größten Debattenmesse des Landes zurückziehen, weil sie sich dort nicht sicher fühlen“, sagte Meron Mendel, der Direktor der Bildungsstätte. Wer der „giftigen Ideologie der Rechten“ auf prominenten bürgerlichen Plattformen ein Podium biete, trage „zur weiteren Normalisierung und Verbreitung von Menschenhass bei.“
Die Frankfurter Buchmesse läuft noch bis zum Sonntag. Insgesamt 2000 Verlage stellen aus, Gastland in diesem Jahr ist Kanada.