Stadt verliert Druckmittel: Steigen jetzt die Mieten?
Es gilt als eines der wichtigsten Mittel gegen steigende Mieten, doch jetzt hat das Bundesverwaltungsgericht das städtische Immobilien-Vorkaufsrecht in Teilen gestoppt. Auch in Hamburg wird dieses Recht angewendet. Doch um was handelt es sich genau und was bedeutet das Urteil jetzt für die Mieten in unserer Stadt?
Angesichts der happigen Mieten in Hamburg ist das für viele Menschen ein Schreckensszenario: Ein Immobiliengigant kauft ein Mehrfamilienhaus in einem günstigen Viertel, saniert es und wandelt es in luxuriöse Eigentumswohnungen um oder hebt die Mieten stark an – und die bisherigen Bewohner müssen weichen. Um das zu verhindern, gibt es in Deutschland ein Vorkaufsrecht der Gemeinden: In bestimmten Gebieten kann sie einem Investor ein Grundstück vor der Nase wegschnappen und selbst kaufen. Von Anfang 2018 bis Sommer 2021 hat die Stadt Hamburg in diesen Gebieten, die der „Sozialen Erhaltungsverordnung“ unterliegen, auf diese Weise 30 Objekte mit 361 Wohn- und 29 Gewerbeeinheiten für rund 99,5 Millionen Euro gekauft. Am häufigsten im Bezirk Altona.
Vorkaufsrecht bei Immobilien gestoppt: Mieterverein und Linke in Hamburg besorgt
Doch jetzt bringt das Bundesverwaltungsgericht dieses Vorgehen ins Wanken – denn es hat einem Unternehmen Recht gegeben, das gegen den Vorkauf der Stadt Berlin von einem Mehrfamilienhaus klagt. Allein die Erwartung, wie ein künftiger Käufer mit einem Grundstück umgehe, könne das Vorkaufsrecht nicht begründen, so die Argumentation. Und weil sich nun künftige Käufer auf dieses Urteil berufen können, könnte es sich auf die Immobilienpolitik in Hamburg auswirken. „Das Urteil zeigt, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts zum Schutz der Mietenden, was auch vom Hamburger Senat angewendet wurde, von der Rechtslage nicht gedeckt ist“, erläutert Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg, der MOPO.
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Und was heißt das konkret? Dass bereits getätigte Käufe rückabgewickelt werden müssen, gilt als unwahrscheinlich. Für eine abschließende Bewertung müsse die schriftliche Urteilsbegründung abgewartet werden, so eine Sprecherin der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) zur MOPO. Doch fest steht: Ein wirksames Druckmittel der Stadt wird eingeschränkt. Denn sie konnte auch interessierte Käufer unter der Androhung des Vorkaufrechts dazu bringen, sogenannte Abwendungsvereinbarungen zu unterschreiben – in denen dann etwa deftige Mieterhöhungen ausgeschlossen wurden. Ein wichtiges Instrument gegen Spekulanten, sagt Chychla, „doch jetzt ist es ein stumpfes Schwert.“
Wohnungspolitik in Hamburg: Senat hat Vorkaufsrecht noch nicht aufgegeben
„Dieses Urteil ist eine Katastrophe für alle Mieter:innen“, sagt Heike Sudmann von den Linken zur MOPO. „Damit wird die Tür für Spekulation mit Wohnungen und Umwandlung in Eigentumswohnungen sperrangelweit aufgerissen.“ Wenn nicht sofort die Bundesgesetze geändert würden, müssten noch mehr Mieter um ihre Wohnung fürchten. „SPD und Grüne haben im Wahlkampf den Schutz von Mieter:innen versprochen, jetzt müssen sie liefern“, sagt sie. Auch der Mieterverein zu Hamburg fordert den Senat auf, das Problem in die Koalitionsverhandlungen in Berlin zu bringen, damit nachjustiert werden kann.
Die Hamburger FDP hat das Urteil dagegen befürwortet: Es sei „höchst bedenklich“, wenn Spekulationen über Absichten eines Käufers Grundlage einer „faktischen Enteignung“ würden, sagt Katarina Blume. Dem Senat stünden mit der Sozialen Erhaltensverordnung ausreichend Steuerungsmöglichkeiten zum Schutz der Mieter zur Verfügung.
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Der Senat will an dem Vorkaufsrecht aber festhalten: Derzeit liefen Prüfungen, inwiefern das zugrundeliegende Baugesetzbuch auf Bundesebene angepasst werden könne, „um die Vorkaufsrechte zu sichern und zu stärken“, so die Sprecherin der BSW.