„Geld muss Teil der Lösung sein“: Hamburger Gründer revolutioniert das Bankkonto
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Umweltzerstörung, Ausbeutung, Klimawandel – so wie jetzt können wir nicht weitermachen. Die MOPO stellt gemeinsam mit „Viva con Agua“-Geschäftsführerin Carolin Stüdemann in der Serie „Auf ein Wasser mit …“ Unternehmerinnen und Vordenker vor, die eine bessere Welt schaffen. Heute: Jakob Berndt. Er hat nach „Lemonaid“ auch „Tomorrow“ mitgegründet, eine Banking App, die Einlagen der Kunden nutzt, um in nachhaltige Unternehmen und Projekte zu investieren. So soll das Finanzsystem zum Hebel für positiven Wandel in der Gesellschaft werden.
Carolin Stüdemann: Ein Start-up, das mit einer Milliarde Euro bewertet wird, bezeichnet man als Einhorn. „Tomorrow“ will lieber Zebra sein: Was bedeutet das?
Jakob Berndt: Einhörner zeichnen sich durch sehr starkes Wachstum aus. Wir glauben, dass Größe oder Marktanteile keinen Wert an sich darstellen – gerade in diesen Zeiten, angesichts der großen sozialen und ökologischen Herausforderungen. Wenn man genauer hinsieht, taugen viele dieser Einhorn-Unternehmen nicht zum Vorbild. Sie pfeifen allzu oft auf Arbeitnehmerrechte, Steuerpflichten, Datenschutz, Klimabilanz.
Es braucht stattdessen Start-ups, die nicht allein auf Wachstum und Profit aus sind, sondern sich als Dienstleister für Umwelt und Gesellschaft verstehen. Die auf nachhaltiges Wachstum setzen, auf Kooperation statt auf Konfrontation. Wir finden, dass das Bild der Zebras ein viel besseres Vorbild abgibt: Die Farben Schwarz und Weiß stehen als Symbol für die Vereinbarkeit von Profit und Gemeinnützigkeit, außerdem sind Zebras in der Herde stark und nicht als sture Einzelkämpfer bekannt. Und – nicht ganz unwichtig – Zebras sind echt, anders als Einhörner. Sie lösen echte Probleme, nicht fiktive Bedürfnisse.
Welches Problem löst „Tomorrow“?
Unser aller Geld, das bei konventionellen Banken liegt, finanziert in den meisten Fällen ohne unser Wissen Kohle, Rüstung und Co. Das wollen wir ändern. Wir wollen Geld als einen Hebel für nachhaltigen und positiven Wandel in der Gesellschaft nutzen. Es gibt schon seit vielen Jahrzehnten Banken, die Geld zu einem Teil der Lösung machen wollen. Allerdings stecken sie immer noch in der absoluten Nische – da wollen wir raus. Indem wir ein digitales und niedrigschwelliges Angebot bieten, alltagstauglich für alle: ein zu 100 Prozent nachhaltiges Girokonto für das Smartphone. Kostenlos, in wenigen Minuten eröffnet und so transparent, dass jedes Kind es versteht.
Die Bankenwelt hat keinen besonders guten Ruf, auch weil Außenstehende sie eben nicht verstehen. Welche Rolle spielen Glaubwürdigkeit und Transparenz für euch?
Banken haben das eigene Wirtschaften in den vergangenen Dekaden erfolgreich so intransparent und schwer verständlich dargestellt, dass die meisten Menschen meinen, es nicht zu verstehen. Durch die Bankenkrise, absurde Boni und Skandale wie CumEx haben sie das letzte bisschen Glaubwürdigkeit verspielt. Wir wollen durch radikale Transparenz und eine zeitgemäße Kommunikation mit diesem Eindruck brechen und die Menschen befähigen, mit ihrem Geld das zu tun, was zu ihren Werten passt. Put your money where your mind is!
Die Vision von Viva con Agua ist sauberes Trinkwasser für alle Menschen weltweit. Was ist eure?
Wir wollen so viel Geld wie möglich von den Bad Banks wegholen und zusammen mit unseren Kundinnen und Kunden ein besseres Morgen schaffen – für sie selbst und unseren Planeten. Dafür muss nachhaltiges Banking erst das neue Cool und dann das neue Normal werden.
Lassen sich denn mit Investitionen in ein besseres Morgen genauso gute Renditen erwirtschaften?
Klares Ja! Mit nachhaltigen Projekten lässt sich Rendite erwirtschaften, das beweisen zahlreiche Metastudien. Allerdings fehlt es aktuell an einem zeitgemäßen digitalen Angebot, und es wird jede Menge Etikettenschwindel betrieben. Deswegen entwickeln wir neben unserem Girokonto ein weiteres Produkt: ein konsequent nachhaltiges Investment-Angebot nach unseren eigenen strengen Vorgaben, das sich mit wenigen Klicks direkt über die „Tomorrow“-App kaufen lässt.
„Tomorrow“ hat mehrere Finanzierungsrunden mitgemacht. Nach deiner Erfahrung: Haben es Sozialunternehmen auf dem Start-up-Markt schwerer, hohe Summen einzusammeln?
Es gibt Investorinnen und Investoren, die ein erhöhtes Interesse an einem tatsächlich nachhaltigen Geschäftsmodell haben – sogenannte Impact Investoren. Fraglos sind sie noch in der Minderheit und die Orientierung an schnellen Wachstumsmöglichkeiten überwiegt. Aber die Tendenz ist positiv, da ist einiges in Bewegung. Akteure wie „Fridays for Future“ haben den gesellschaftlichen Diskurs so stimuliert, dass auch institutionelle Investoren oder wohlhabende Familien ihre Möglichkeiten zunehmend dafür nutzen wollen, der Klimakatastrophe Einhalt zu gebieten oder soziale Herausforderungen anzugehen.
Woher kommen dein Engagement und dein Interesse daran, unternehmerisch etwas zu verändern?
Ins Unternehmertum bin ich eher so reingestolpert, wenn ich ehrlich bin. Ich bin sehr politisch sozialisiert, im Anti-AKW-Milieu groß geworden, habe aber eine Weile gebraucht, um diesen Werten auch beruflich Ausdruck zu verleihen. Vorher habe ich eher Strategien konzipiert und Kommunikation gestaltet. Mit „Lemonaid“ habe ich dann fast zehn Jahre lang beides unter einen Hut bringen dürfen, das war fantastisch. Und mit „Tomorrow“ darf ich das nun noch einmal ganz anders angehen: viel digitaler, mit potenziell noch größerem Hebel, etwas zu bewegen. Ich empfinde es als eine großartige Herausforderung, diesen kaputten Markt aufzumischen.