• Sympathisch sieht er aus: der angebliche Zahnarzt aus Schweden. Doch das Profil bei Instagram ist nichts als „Fake“.
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Achtung, Frauen!: Dieser schwedische Arzt will nur euer Geld

Von der Betrugsmasche „Scamming“ hatte Monika L. (38), freischaffende Künstlerin aus Harburg, schon mal in der Zeitung gelesen. „Ehrlich gesagt habe ich mich immer lustig darüber gemacht, dass Leute so dumm sind, auf ein Fake-Profil aus dem Internet reinzufallen.“ Sie war sicher: „Mir passiert so was nie.“ Nun, es ist anders gekommen.

Monika L. ist Kunstmalerin und präsentiert ihre Bilder auch bei Instagram – gerade jetzt, in Corona-Zeiten, um überhaupt noch was zu verkaufen. „Eines Tages war da ein Mann, der alle meine Bilder markierte. Eric Eriksson nannte er sich und behauptete, aus Schweden zu sein. Ich fühlte mich geschmeichelt, habe dann Kontakt mit ihm aufgenommen und damit begann ein reger Chat-Verkehr.“

Scamming: Schwedischer Arzt zockt Frauen ab

Der falsche Eric Eriksson fing an, Komplimente und romantische Andeutungen zu machen. So wie es für das sogenannte „Love-Scamming“ üblich ist. Die Masche besteht darin, das Opfer Stück für Stück emotional abhängig zu machen. Auf eine erotische Mail am Morgen folgt ein kurzes Telefonat am Mittag.

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Eric Eriksson nannte sich der Betrüger.

Foto:

hfr

Nach Feierabend wird gechattet – und nach ein paar Wochen fragt der vermeintliche Liebhaber, den sein Opfer nie zu Gesicht bekommt, nach Geld. Irgendwelche überraschenden Arztkosten seien angefallen oder der Zugriff auf das Konto aufgrund eines Bankfehlers sei gerade gesperrt. So was.

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Diesen Weg hat auch der angebliche Eric Eriksson einzuschlagen versucht. Als Monika L. ihm klarmachte, dass sie nicht auf Partnersuche sei und er sich da keine Hoffnungen machen dürfe, brach er das Spiel nicht etwa ab, sondern änderte blitzschnell seine Taktik – und aus „Love-Scamming“ wurde „Business-Scamming“.

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Eric Eriksson präsentierte seinem Opfer Urlaubsbilder, um Vertrauen zu erzeugen. Alles war gefälscht. Wir haben die Fotos unkenntlich gemacht, weil es sein kann, dass die Fotos eines völlig Unschuldigen für den Betrug missbraucht wurden.

Foto:

Privat/hfr

Eriksson, der von sich sagte, er sei Zahnarzt, lobte die Bilder von Monika L. über den grünen Klee und sagte, er wolle einige davon für seine Praxis kaufen. „Ich war begeistert und sagte zu, nach seinen Wünschen weitere Bilder zu malen.“ Für Monika L. wurde Eric nach einiger Zeit zu einem Freund, einem täglichen Begleiter, wenn auch aus der Ferne. „Ich habe ihm nahezu blind vertraut.“

Betrugsmasche Scamming: Hamburgerin berichtet

Das hat auch Eric gemerkt – und wusste, jetzt konnte er den Fisch an Land ziehen. Es begann damit, dass er behauptete, für eine Zeit lang nach Nepal gehen zu wollen, um armen Menschen die Zähne zu richten. Dort (angeblich) angekommen meldete er sich bei seiner „Freundin“ in Hamburg und klagte darüber, in einem Dorf untergebracht zu sein, wo er leider nichts habe, um seine Wertgegenstände sicher zu deponieren. Er fragte Monika L., ob es nicht möglich wäre, dass er die Sachen zu ihr nach Hamburg schickt. Er würde alles nach Ende seines Auslandsaufenthalts bei ihr wieder abholen.

Monika L. willigte ein. Klar. Warum auch nicht?

Damit begann das Drama. Als Erstes meldete sich der (angebliche) Mitarbeiter eines (angeblichen) Paketdienstes und bat sie um Zahlung einer Zollgebühr in Höhe von 956 Euro. „Meine erste Reaktion war: Kommt gar nicht infrage. Das zahle ich nicht!“

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Monika L. googelte den Paketdienst, rief dort an und erhielt die Bestätigung, dass tatsächlich ein Paket mit der ihr bekannten Paketnummer auf dem Weg zu ihr sei. „Das hat mich überzeugt, und ich habe – nach einer kleinen Bedenkzeit – das Geld überwiesen.“

Harburg: Künstlerin erhält Mahnung

Kurz darauf wurde ihr eine Urkunde zugeschickt: der Beleg, dass das Paket die Zollabfertigung passiert habe. „Ich war froh. Alle meine Sorgen, vielleicht doch reingelegt worden zu sein, waren plötzlich weg.“

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Auch der Reisepass von Eric Eriksson war gefälscht.

Foto:

Privat/hfr

Doch die Erleichterung währte nicht lange, denn wenig später erhielt sie eine Mahnung, die so aussah, als sei sie vom Zoll: 3840 Euro an Verzugszinsen seien zu zahlen. „‚Wie bitte?‘, dachte ich, und war völlig empört. Ich habe dann die Telefonnummer, die auf der Mahnung angegeben war, angerufen und der Zollbeamte hat mir gesagt, dass sich die Mahngebühr nach dem Wert des Paketes richte – und da seien ja immerhin 125.000 Euro drin.“

Scamming: Opfer erstattet Anzeige

Als sich Monika L. weigerte, zu zahlen, setzte Eric Eriksson sie unter Druck, behauptete, er würde seine Arztlizenz und außerdem das viele Geld im Paket verlieren, wenn sie ihm jetzt nicht diesen Gefallen tun würde. Nach ein paar Tagen zahlte sie.

Erst als der angebliche Zoll sich wieder meldete und erneut eine Mahngebühr eintreiben wollte – jetzt 15.867 Euro – ging Monika L. ein Licht auf. „Ich bin dann sofort zur Polizei und erstattete Anzeige. Dem Gauner Eric Eriksson (oder wie immer er heißen mag) spielte sie noch eine Zeitlang vor, dass sie auch diesmal zahlen werde. „Ich fürchtete, dass er andernfalls seine Handynummer wechselt und dann nicht mehr von der Polizei geortet und gefasst werden kann.“

Das allerdings ist der Polizei auch so nicht gelungen.

Alles ein einziger Schwindel

Inzwischen hat Monika L. intensiv recherchiert und weiß, dass alles ein einziger Schwindel war – und dass sie mit den Betrügern sprach, als sie glaubte, es handele sich um Paketdienst- und Zollmitarbeiter.

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„Club der Teufelinnen“: Diese Frauen waren auch alle mal Opfer – jetzt jagen sie die Täter. Einige wollen unerkannt bleiben.

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Wunder

Auf zwei weitere Frauen ist sie gestoßen, die mit einem falschen schwedischen Zahnarzt exakt das gleiche Drama erlebt haben. In einem Fall nannte der Betrüger sich ebenfalls Eric Eriksson, im anderen Fall Viktor Ronnie. Die Fotos – geklaut aus dem Internet – waren in allen Fällen dieselben. Eins der anderen beiden Opfer hat einen noch größeren Schaden erlitten, nämlich 12.000 Euro – für Monika L. nur ein schwacher Trost.

„Club der Teufelinnen“ will es Tätern heimzahlen

Sie will die Geschichte nicht auf sich beruhen lassen, will andere Leute davor bewahren, ebenfalls über den Tisch gezogen zu werden. Deshalb hat sie mit dem „Club der Teufelinnen“ Kontakt aufgenommen – einer Gruppe von Frauen, die alle mal betrogen wurden und es nun den Tätern doppelt und dreifach heimzahlen. Wie sie das machen?

„Wir schlagen sie mit ihren eigenen Mitteln, mit Fake-Profilen, Fake-E-Mails, Fake-Telefonnummern“, sagt Dorothea P., die Sprecherin der „Teufelinnen“. „Scambaiting“ nennt sie das, was sie da tut. Wörtlich übersetzt bedeutet das: „Betrugsköderer“. Ziel sei es, den Tätern Zeit zu stehlen. „Solange sie mich für ein Opfer halten, kommen sie nicht dazu, andere zu betrügen.“

Verhaftung bei McDonald’s in Wandsbek

Einmal hat sie acht Wochen lang das Süßholzgeraspel eines „Michael Silver“ über sich ergehen lassen, hat so getan, als würde sie ihm alles glauben – bis der angebliche US-Arzt im UN-Einsatz ihr den Bären aufband, dass er in Syrien zwischen Bombentrümmern eine Goldkassette mit einem riesigen Vermögen entdeckt habe – Startkapital für die gemeinsame Zukunft.

„Mir hat er dann erzählt, dass er Geld benötige, um den Schatz außer Landes zu bringen. Ich habe gesagt, dass ich ihm das Geld zwar überwiesen hätte, es aber nach ein paar Tagen wieder meinem Konto gutgeschrieben worden sei, weil die Bankverbindung nicht stimme“, so Dorothea P. grinsend. „Das habe ich drei, vier Mal wiederholt, bis er die Nerven verlor und sagte, er werde jemanden schicken, der das Geld persönlich in Empfang nimmt …“ So kam es vor zwei Jahren zur Verhaftung bei McDonald’s in Wandsbek.

Seither gab es viele weitere Festnahmen: Seit Ende 2017 haben die „Teufelinnen“ schon mehr als 30 Gauner der Polizei ausgeliefert – teilweise war die MOPO mit dabei.

Dorothea P. gibt zu, dass sie nach „Scambaiting“ fast schon süchtig ist. Sie liebt den Nervenkitzel, den sie empfindet, wenn es ihr gelingt, die Täter quer durch die Welt zu hetzen – „Safari“ nennt sie das. Einmal habe sie einen Betrüger dazu gebracht, aus Paris bis auf den Gipfel des Schweizer Berges Piz Gloria zu kommen – wo aber überhaupt niemand war. „Als er begriff, dass ich ihn reingelegt habe, war er so böse, dass er mir schrieb, er werde mich töten.“

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