Kennen Sie alle? Das ist das neue Ampel-Kabinett
Bei der FDP ging’s zackig. Bei den Grünen nicht ohne Zank. Und bei der SPD hat’s gedauert. Aber jetzt steht die Riege der Ampel-Minister:innen. Jünger, weiblicher, einen Hauch diverser als zuvor. Eine Personalie stach bei der SPD-Vorstellung am Montag besonders hervor: der auch umstrittene, aber von vielen herbeigesehnte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Die MOPO stellt das Kabinett der kommenden vier Jahre vor.
So gut gelaunt hatte man den designierten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schon lange nicht gesehen. Fast sprang er auf die Presse-Bühne im Willy-Brandt-Haus, konnte sich ein breites, schelmisches Grinsen nicht verkneifen. Sogar ein paar Scherze baute der sonst so dröge Scholzomat ein. Vielleicht war es Image-Pflege. Vielleicht aber auch wirkliche Erleichterung, schließlich hatte die SPD sich die Entscheidung nicht ganz leicht gemacht. Was vor allem an den Themen Gesundheits-Ressort und Parität lag.
„Frauen haben die Hälfte der Macht“, sagte Scholz nicht ohne Stolz bei der Vorstellung. Auch wenn er sich dafür eines kleinen Rechentricks bedienen musste. Wie in der Gesellschaft sollte das Kabinett zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern bestehen, das hatte er im Vorfeld versprochen. Klappt auch, wenn er sich selbst als 17. Mitglied nicht mitzählt. Acht Ministerinnen, acht Minister – vor allem Grüne und SPD mussten dafür viele Frauen benennen, da die FDP vor allem Männer ins Rennen schickt.
Scholz-Kabinett: Das sind die neuen Minister:innen
- dpa Bundeskanzler: Es ist, als würde der Co-Trainer plötzlich zum Chef befördert werden. Olaf Scholz (63, SPD), zuletzt Finanzminister und Vizekanzler schaute sich im Wahlkampf viel von Angela Merkel (CDU) ab und gewann überraschend. Schon von 2007 bis 2009 war der Rechtsanwalt Arbeitsminister unter Merkel, von 2011 bis 2018 Bürgermeister seiner Heimatstadt Hamburg.
- dpa Kanzleramt: Er ist seit den 90ern mit Olaf Scholz befreundet und sein engster Mitarbeiter: Der Hamburger Wolfgang Schmidt (51, SPD) wird entsprechend auch das Kanzleramt leiten. Der studierte Jurist lernte Scholz in einer WG in Altona kennen.
- dpa Innen und Heimat: Die Juristin Nancy Faeser (51, SPD) soll erste weibliche Innenministerin werden. Derzeit ist sie Fraktions- und Landes-Chefin der hessischen SPD. Und war dort Obfrau im NSU-Untersuchungs-Ausschuss.
- dpa Arbeit und Soziales: Das Arbeitsministerium ist das einzige, das keinen neuen Chef bekommt. Hubertus Heil (49, SPD) bleibt dort im Sattel. Er gilt als durchsetzungsstark und fleißig – und zwar bei typischen SPD-Themen wie Rente, Arbeitsmarkt und Hartz IV.
- dpa Verteidigung: Früher eine Männerdomäne, seit 2013 aber in Frauenhand. Rechtsanwältin Christine Lambrecht (56, SPD) ist die dritte Verteidigungsministerin in Folge nach Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU).
- dpa Gesundheit: Karl Lauterbach (58, SPD) war lange für seinen trockenen Humor und die Fliege am Kragen bekannt. Seit der Corona-Pandemie ist der Epidemiologe und Gesundheitsökonom in Talkshows omnipräsent. Den Humor hat er noch, die Fliege nicht mehr.
- AFP Entwicklung: Die Rheinländerin Svenja Schulze (53, SPD) war seit März 2018 Umweltministerin und wäre auch gerne in diesem Amt geblieben. Nun also Entwicklungs-Zusammenarbeit. Sie ist Germanistin und Politologin.
- AFP Bauen: Die Potsdamerin Klara Geywitz (45, SPD) wurde bundesweit bekannt, als sie 2019 im Duo mit Scholz für den SPD-Vorsitz kandidierte – und verlor. Die Politologin gilt als Kennerin der ostdeutschen Länder, will aber unbedingt mehr als Quotenfrau sein.
- dpa Wirtschaft und Klimaschutz: Für die Grünen ist es das zentrale Ministerium, in dem nun die Fäden im Kampf gegen den Klimawandel zusammenlaufen sollen. Robert Habeck (52) wird es als Vizekanzler leiten. Er war Minister in Schleswig-Holstein und Schriftsteller und Publizist.
- dpa Außen: Annalena Baerbock (40, Grüne) wollte Angela Merkel als Kanzlerin ablösen und wird nun stattdessen als erste Frau das Auswärtige Amt leiten. Gegenüber China und Russland will sie einen härteren Kurs fahren und Nord Stream 2 am liebsten stoppen.
- imago images/Arnulf Hettrich Landwirtschaft: Der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir (55) ist der erste Bundesminister mit türkischen Wurzeln. Der Posten fiel dem Sozialpädagogen erst nach langem Gerangel zu. Der linke Grünen-Flügel hätte sich Anton Hofreiter gewünscht.
- Thomas Imox Umwelt: Steffi Lemke (53, Grüne) hat als Bundesgeschäftsführerin elf Jahre lang die Geschicke der Grünen gelenkt – schnörkellos, unkompliziert und geradeheraus. Die Ostdeutsche aus Sachsen-Anhalt ist gelernte Diplom-Agraringenieurin.
- dpa Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Anne Spiegel (40, Grüne) ist mit Baerbock die jüngste Ministerin. Beide werden am 15. Dezember 41. Spiegel hat Erfahrung sowohl mit Ampel-Regierungen als auch mit ihrem Zuständigkeits-Bereich. Sie studierte Politik, Philosophie und Psychologie.
- Michael Kappeler/dpa Finanzen: Das Finanzministerium ist die vielleicht wichtigste Trophäe der FDP aus den Verhandlungen. Habeck hätte es auch gerne gehabt, die Liberalen setzten sich aber durch. Minister wird mit Christian Lindner (42) der Parteichef, aber ohne den Status des Vizekanzlers.
- dpa Verkehr und Digitales: Das Verkehrsministerium hatten viele eher bei den Grünen gesehen. Nun soll es der FDP-Generalsekretär und Jurist Volker Wissing (51) leiten. Tempolimit wird es mit ihm nicht geben. Die Großbaustelle Digitales liegt auch in Wissings Händen.
- dpa Bildung: Bettina Stark-Watzinger (53, FDP) ist die einzige Frau in der FDP-Ministerriege und bundesweit das wohl am wenigsten bekannte Gesicht. Im Mai wurde die Volkswirtin mit 91 Prozent als Beisitzerin in das FDP-Präsidium gewählt – nur knapp weniger als Lindner.
- dpa Justiz: Dieses Ressort übernimmt FDP-Mann Marco Buschmann (44). Er hat Jura in Bonn studiert und arbeitete bis 2009 als Anwalt in Düsseldorf. Lange kritisierte er unermüdlich Corona-Maßnahmen, die am Bundestag vorbei verfügt wurden.
Spötter dürften nun sagen, jemand wie Nancy Faeser wäre andernfalls nie ins Kabinett gekommen. Nancy wer? Ja, die Hessin stand bundespolitisch bisher vielleicht wirklich nicht in der ersten Reihe. Aber hat sich in ihrem Bundesland um die Sozialdemokratie verdient gemacht, und sollte bei der nächsten Landtagswahl als Spitzenkandidatin antreten. Scholz betonte ihre Verdienste als SPD-Obfrau im hessischen NSU-Untersuchungs-Ausschuss. Die künftige Innenministerin – die erste Frau in diesem Amt, wie der künftige Kanzler hervorhob – nannte auch gleich ihre Prio Nummer Eins: Die Bekämpfung des Rechtsextremismus’.
Scholz stolz: „Frauen haben die Hälfte der Macht“
„Sicherheit wird in dieser Regierung in den Händen starker Frauen liegen“, leitete Scholz dann auch die Vorstellung von Christine Lambrecht ein, die Verteidigungsministerin wird. Wobei „Vorstellung“ das falsche Wort ist, derzeit leitet sie ja schon das Justizministerium und seit Mai auch kommissarisch den Bereich Familie. Beide Ressorts gingen aber an die Mit-Koalitionäre FDP und Grüne – Scholz befand Lambrechts Arbeit für gut und will sie im Kabinett halten. Unter anderem sagte sie, dass sie Auslandseinsätze stets aufs Neue evaluieren wolle, also auf ihre Notwendigkeit prüfen.
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Als einziger im gleichen Amt bleiben wird der bisherige und künftige Arbeitsminister Hubertus Heil. Als „echtes Schlachtross, ein Niedersachsen-Ross“ führte Scholz ihn ein. Und erntete damit einige Lacher im Presserund.
Das neu geschaffene Bauministerium geht an Klara Geywitz. Mit ihr im Tandem war Scholz einst gegen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans unterlegen im Kampf um den Parteivorsitz. Sie ist, neben der Grünen Steffi Lemke, eine von nur zwei Ostdeutschen im künftigen Kabinett – hier wäre etwas mehr Diversität sicher gut gewesen.
Ampel-Kabinett: Mehr Diversität wäre gut gewesen
Lemke übernimmt das bisher von Svenja Schulze geführte Umweltministerium. Auch mit deren Arbeit war Scholz aber so zufrieden, dass sie nun Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung werden soll.
Kanzleramtsminister wird der Hamburger Scholz-Vertraute Wolfgang Schmidt. Das werde niemanden überraschen, sagte Scholz. Die größere Überraschung, zumindest für einige, war dann doch die Ernennung Lauterbachs.
Die Grünen-Minister:innen stellten sich nachmittags nach dem Votum ihrer Partei für den Koalitions-Vertrag noch einmal gemeinsam der Presse. Annalena Baerbock (Außen), Robert Habeck (Klima und Wirtschaft), Steffi Lemke (Umwelt), Cem Özdemir (Landwirtschaft) und Anne Spiegel (Familie) übernehmen Ministerien, die dank Corona-, Klima- und außenpolitischer Krisen nicht ganz einfach zu handhaben sein werden. Özdemir ist der einzige mit sichtbarem Migrations-Hintergrund im Kabinett, betonte wie stolz ihn dies nun mache: „Es war mir sicher nicht in die Wiege gelegt.“ Allerdings: Bei einem Bevölkerungsanteil von 26 Prozent ist ein Migrant immer noch sehr wenig.
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Spiegel indes betonte, dass die Zusammenarbeit der Ampel auch auf Bundesebene gut funktionieren werde. In Rheinland-Pfalz war sie schon für das Familien-Ressort zuständig, als Volker Wissing (FDP) dort Verkehrsminister war, genau wie jetzt in Berlin. Von der FDP komplettieren noch Christian Lindner (Finanzen), Marco Buschmann (Justiz) und Bettina Stark-Watzinger (Bildung) das künftige Team.
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