Bruder sucht nach Hilals Mörder: „Du bist der größte Feigling der Welt“
Hilal. Fünf Buchstaben nur, aber jeder Hamburger hat sofort das Bild des hübschen, dunkelhaarigen zehnjährigen Mädchens mit dem entwaffnenden Lächeln vor Augen. Vor 22 Jahren verschwand sie, nachdem sie sich im Supermarkt ein Päckchen „Hubba Bubba“-Kaugummi Geschmacksrichtung Cola gekauft hatte. Für eine Mark.
Die Familie will den Leichnam Hilals, um endlich abzuschließen
Mittwoch früh hat ihr Bruder am Ort des Verschwindens, dem Luruper Einkaufszentrum Elbgaupassage, Blumen niedergelegt. Kerzen angezündet und sich direkt an den Mörder gewandt – denn daran, dass Hilal noch lebt, glaubt niemand mehr, auch nicht die Familie. Abbas Ercan (34) hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, den Fall zu lösen. Wenn schon nicht die Polizei, dann er.
Den Mörder, der seit 22 Jahren nicht preisgibt, wo sich der Leichnam Hilals befindet, nannte er in seinem kurzen Statement „den größten Feigling, den die Welt kennenlernen durfte. Du bist wie eine kleine Maus, die sich in einem Loch verkriecht. Du hast die Tat zweimal gestanden, aber schaffst es nicht, wie ein Mann zur Wahrheit zu stehen. Und genau das macht dich zu einem Loser in aller Augen.“
„Ich gebe dir die Chance, einmal im Leben etwas Richtiges zu tun“
Und weiter sagte Abbas Ercan: „Ich gebe dir jetzt die Chance, einmal in deinem Leben etwas Richtiges zu tun. Du hast doch sowieso nichts zu verlieren. Du wirst da, wo du bist, sowieso nie wieder rauskommen. Also sei endlich ein Mann und gib uns die Chance, Hilal ordentlich zu begraben, von ihr Abschied zu nehmen, damit unser Leiden ein Ende hat. Wenn du uns dabei hilfst, dann kann ich dir vielleicht sogar verzeihen.“
Für Abbas Ercan steht fest, wer der Täter ist: der heute 47-jährige Anstreicher Dirk A, der seit vielen Jahren in der geschlossenen Psychiatrie einsitzt, weil er mehrfach Mädchen missbrauchte, eins beinahe umbrachte. Dirk A. hat zweimal gestanden, Hilal aufgelauert und sie dann ermordet zu haben, weil sie seinen „sexuellen Wünschen nicht nachgekommen“ sei. Jedesmal widerrief er sein Geständnis dann aber auch. Ist er es nun gewesen? Oder nicht? Hat er sich nur wichtig machen wollen? Spielt er Katz und Maus mit der Polizei? Wir wissen es nicht. Für die Familie ist das Auf und Ab jedenfalls eine Tortur.
Der 27. Januar 1999 war der Tag, an dem Hilal Ercan verschwand: Mit einem sehr guten Zeugnis war sie nach Hause gekommen. Ihr Papa erlaubte ihr, sich Geld aus der Schüssel über dem Fernseher zu nehmen und sich was zu kaufen. Eine Mark nahm sie sich und lief los zum Supermarkt im Einkaufszentrum, direkt auf der anderen Straßenseite, nur 169 Schritte entfernt.
„So schreit nur ein Kind, das sich wehrt“
Ein Gemüsehändler erinnerte sich später, das Mädchen auf dem Rückweg nach Hause gesehen zu haben. Schließlich beobachteten zwei Busfahrer, wie ein großer Mann mit rotblondem Haar – Typ Wikinger – ein schwarzhaariges Kind in seinen dunklen grünblauen BMW zerrte. Und eine Frau, die an der Spreestraße wohnte, hörte Schreie. „Ich stand in der Küche und habe gekocht“, so Monika Vietzen. „So schreit nur ein Kind, das sich wehrt. Dann sah ich den dunklen BMW wegfahren. Das vergesse ich nie.“
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Ob der Täter – wer auch immer es ist – diesmal sagt, wo sich Hilals Überreste befinden? Der Familie Ercan wäre es zu wünschen, die seit 22 Jahren tagtäglich durch die Hölle geht. Für sie gibt es seit dem 27. Januar 1999 nur eine einzige Frage. Sie steht im Mittelpunkt von allem. Wieder und wieder stellen sie sie: Wo um Himmels willen ist Hilal?