Dieser Hamburger war der erste jüdische Richter Deutschlands
Von der Riesserstraße in Hamm hat vielleicht mancher Hamburger schon gehört. Sie ist benannt nach Gabriel Riesser (1806-1863), einem großen Kämpfer für jüdische Gleichberechtigung und Demokratie. Der kluge Jurist hätte es verdient, dass eine breite Allee nach ihm benannt wird und nicht nur eine kaum 200 Meter lange Nebenstraße. Nun hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dem Hamburger aber in einem Buch nachträglich die verdiente Ehrung verschafft.
„Wegbereiter der deutschen Demokratie“, so lautet der Titel des im Beck-Verlag erschienen Werks, dessen Herausgeber der Bundespräsident ist. Und besser kann die Rolle des mutigen Hamburgers Riesser nicht eingeordnet werden. Riesser war das sechste Kind von Frommaid Cohen und Eliesser Lazarus ben Katzenellenbogen, der einst aus dem Nördlinger Ries nach Hamburg gezogen war, um hier rabbinisches Recht zu studieren. Die Familie nahm den Namen Riesser an, und Eliesser kam in der Hansestadt als Kaufmann und „Lotterie-Kollekteur“ zu Wohlstand.
Gabriel Riesser: „Wegbereiter der deutschen Demokratie“
Sein Sohn Gabriel Riesser studierte Jura, machte seinen Doktor mit Auszeichnung und bewarb sich an Universitäten um eine Dozenten-Stelle – vergeblich. Auch die Zulassung als Anwalt verweigerte ihm seine Heimatstadt Hamburg. Und das nur, weil er Jude war. Und obwohl Jude damals ein Schimpfwort war, gründete Riesser 1832 eine Zeitschrift und nannte sie ganz bewusst „Der Jude. Periodische Blätter für Religions- und Gewissensfreiheit“. So fand der Jurist sein Lebensthema: den Kampf für die Emanzipation der Juden in Deutschland.
Lost Places
Der Autor: Thomas Hirschbiegel (l.) ging 1977 direkt von der Schule zur MOPO, war erst zehn Jahre Fotoreporter und dann ab 1987 Redakteur mit dem Spezialgebiet Polizei, Architektur und Stadtentwicklung.
Der Fotograf: Florian Quandt begann seine journalistische Tätigkeit beim „Elbe Wochenblatt“, absolvierte ein Redakteurs-Volontariat beim „ Pinneberger Tageblatt“ und ist seit 2005 Fotoreporter bei der MOPO.
Wie wichtig sein Anliegen war, zeigten 1835 brutale Übergriffe gegen Juden in der Hamburger Innenstadt. Sie hatten es gewagt, wie alle anderen Hamburger zum Kaffeetrinken in den Alsterpavillon am Jungfernstieg zu gehen.
Wiege des liberalen Judentums liegt in der Poolstraße
Um 1840 setzte sich Riesser zusammen mit dem Bankier Salomon Heine für den Bau des 1844 fertiggestellten jüdischen Tempels an der Poolstraße (Neustadt) ein – der Wiege des liberalen Judentums.
Fünf Jahre später schlug Riessers große Stunde. 1849 wurde er fürs Herzogtum Lauenburg Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung und galt hier bald als bester Redner überhaupt. Sätze, die er hier gesprochen hat, haben bis heute Gültigkeit. Auf judenfeindliche Äußerungen anderer Abgeordneter entgegnete Riesser: „Ich nehme das Recht in Anspruch, vor Ihnen aufzutreten im Namen einer seit Jahrtausenden unterdrückten Klasse, der ich angehört durch die Geburt. Sollen wir Juden es für unser Unglück erachten, dass wir deutsch reden? Sollen wir darum schlechter behandelt, soll uns die Freiheit vorenthalten werden dürfen?“
Das könnte Sie auch interessieren: Antisemitismus bei Hamburgs Polizei: „Juden brauchen wir hier nicht“
Riesser bekam starken Beifall, und die Nationalversammlung verabschiedete Paragraf 146 der Paulskirchenverfassung, der allen Deutschen, egal welcher Religion, staatsbürgerliche Rechte zusicherte. So konnte Riesser endlich Hamburger Bürger mit allen Rechten werden. Er wurde Bürgerschafts-Vizepräsident, Obergerichtsrat und damit der erste jüdische Richter in Deutschland. Gabriel Riesser starb mit nur 57 Jahren an einer Zahnwurzelentzündung.