Geheimnisvolle Hamburger Kirche: Verschwundener Altar und ein Pastor im Zuchthaus
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Altstadt –
St. Petri überstand die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs, wurde von Napoleons Soldaten geschändet, sie war Schauplatz einer Verzweiflungstat und eines Säureangriffs, und einer ihrer Pastoren starb elendig im Hamelner Zuchthaus. Begleiten Sie uns auf einer spannenden Tour durch die Geschichte der ersten Pfarrkirche Hamburgs mitten in der City.
Die Petrikirche befindet sich auf dem höchsten Punkt der Altstadt; hier liegt die Wiege des Christentums in unserer Stadt. Schon die mächtige Eingangstür an der Bergstraße atmet Geschichte. „Sie berühren gerade Hamburgs ältestes Kunstwerk im öffentlichen Raum“, sagt Hauptpastor Jens-Martin Kruse.
St. Petri ist Hamburgs älteste Pfarrkirche
Ehrfurchtsvoll betrachten wir den Löwenkopf mit einem Ring im Maul, der als Türklopfer am Hauptportal dient. Die Umschrift verweist auf das Legen des Fundaments für den Kirchturm im Jahre 1342, und genauso alt ist das wunderschöne Bronze-Teil auch. Beim Pendant am anderen Flügel der Tür handelt es sich um eine Kopie aus dem Jahr 1849.
Erstmals erwähnt wurde St. Petri schon im 11. Jahrhundert. Damals handelte es sich aber nur um eine schlichte Holzkapelle unmittelbar an der Hammaburg – Hamburgs Keimzelle. Ab 1310 ist belegt, dass St. Petri als dreischiffige Kirche bestand.
Turmhelm von St. Petri in Hamburg 1516 errichtet
Es kam dann immer wieder zu Umbauten. 1516 errichtete Baumeister Heinrich Berndes den kupfernen Turmhelm. Mit 127 Metern war er damals der höchste Kirchturm Hamburgs und überragte sogar den Turm des nahen Mariendoms.
Bewegte Zeiten erlebte St. Petri um 1700. Damals wurde Christian Krumbholtz (1662-1725) zum Hauptpastor gewählt. Er galt als hervorragender Prediger, aber auch als „unruhiger und streitsüchtiger Geist“. Von der Kanzel aus griff er die Obrigkeiten an.
Hamburger Pastor Krumbholz sorgt um 1700 für Unruhen
Die Predigten führten zu Unruhen in der Hansestadt. Der Kaiser griff ein und schickte niedersächsische Truppen zur Niederschlagung der Tumulte nach Hamburg. 1708 verhafteten die Soldaten den aufrührerischen Pastor.
Wegen „Aufwiegelung“ wurde Krumbholtz zu lebenslanger Festungshaft verurteilt. 1711 brachte man ihn ins Zuchthaus Hameln. Hier starb der streitbare Theologe 14 Jahre später in seiner Zelle.
1811 rückten dann die Soldaten Napoleons an und räumten das Kirchengestühl raus. St. Petri wurde als Pferdestall für die Kavallerie des despotischen Korsen missbraucht.
Napoleons Soldaten missbrauchen St. Petri als Pferdestall
„Hier, schauen Sie mal, das sind noch die Spuren der Pferde“, sagt Hauptpastor Kruse und deutet auf helle Verfärbungen an einem Pfeiler im Innern der Kirche. „Dort haben die Gäule der Franzosen hingepinkelt!“
Am 7. Mai 1842 dann geschah die Katastrophe: Die Hauptkirche wurde beim Großen Brand, der ein Drittel der Stadt in Schutt und Asche legte, von den Flammen erfasst und brannte aus. Doch viele Kunstwerke konnten gerettet werden.
St. Petri in Hamburg übersteht Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg
Nur sieben Jahre später schon fand die Einweihung der im Stil der Neugotik gestalteten Kirche statt. Alexis de Chateauneuf, der nach dem Brand auch die Alsterarkaden entworfen hatte, hielt sich bei seinem Entwurf streng an das historische Vorbild.
Als eine der wenigen Hamburger Kirchen überstand St. Petri den Zweiten Weltkrieg ohne größere Schäden. Lediglich eine Bombe schlug in den Altarraum ein und richtete dort nur verhältnismäßig geringen Schaden an.
Am 27. August 1977 wurde das Gotteshaus in der City zu einem Tatort. Der geistig verwirrte „Säurespritzer“ Hans-Joachim B. (1937-2009) beschädigte das mehr als 300 Jahre alte Bild „Die Anbetung“ von Gottfried Libalt. Zuvor hatte er auch in der Kunsthalle zugeschlagen und das bekannte Gemälde „Der Goldfisch” von Paul Klee mit Säure bespritzt.
1977: Anti-Atom-Aktivist verbrennt sich in St. Petri selbst
Am 16. November 1977 kam es dann in der Kirche zu einem weiteren dramatischen Vorfall. Der Anti-Atom-Aktivist Hartmut Gründler (1930-1977) übergoss sich mit Benzin und zündete sich aus Protest gegen die Atompolitik der Bundesregierung an der Kirche an.
Er starb fünf Tage nach der Verzweiflungstat in einer Klinik. Heute erinnert eine Gedenkplatte an den Freitod Gründlers, der vielen Hamburgern unbekannt sein dürfte.
Fast alle Hamburger aber kennen natürlich den markanten Turm von St. Petri. Mit 132 Metern ist er der höchste aller Hauptkirchen in der Hansestadt. 544 Stufen führen in 123 Metern Höhe zum höchsten Aussichtspunkt Norddeutschlands. Der allerdings bei Sturm ganz schön ins Schwingen gerät.
Und im Gegensatz zum Michel gibt es hier keinen Aufzug! Doch die Mühe lohnt, die traumhafte Aussicht genießt man durch echte Bullaugen, hergestellt von der Hamburger Werft Blohm + Voss.
Feuerwehr-Smart im Kirchturm von St. Petri in Hamburg
Auf dem Weg nach oben kommt der Besucher übrigens an einem Feuerwehr-Smart vorbei. Der wurde in Einzelteilen von der Feuerwehr nach oben gehievt und erinnert daran, dass St. Petri die „Hauskirche“ unserer Feuerwehr ist.
Beim Herabsteigen vom Turm erinnert uns Pastor Kruse daran, dass ein ganz wichtiger Bestandteil der Petrikirche heute „ausgelagert“ ist. Der weltbekannte Grabower Altar, geschaffen um 1380 von „Meister Bertram“.
Sein bewundertes Hauptwerk befindet sich heute in der Kunsthalle. In diesem Jahr wird es Gespräche zwischen Kirche und Kunsthalle geben, ob es möglich ist, dass der Altar endlich an den Ort zurückkehrt, für den er vor 640 Jahren einmal geschaffen worden ist.