Hamburger Ärztin über Impfungen: Wie wählerische Senioren zum Problem werden
Wilhelmsburg –
Noch immer sind viele Menschen wegen des Impfstoffs AstraZeneca verunsichert – oder einfach nicht richtig aufgeklärt. Das erlebt auch Katharina Lindhorst: Als HNO-Ärztin in Wilhelmsburg bekommt sie mit, dass viele Patienten über 70 Jahren AstraZeneca ablehnen. Sie befürchtet, dass wir auf einem guten Impfstoff sitzen bleiben.
Seit zwei Wochen impft Lindhorst in ihrer Praxis Patienten. Darauf, welcher Impfstoff geliefert wird, hat sie keinen Einfluss, aber für die Älteren ist meistens AstraZeneca vorgesehen. Bloß lehnen den viele Impfberechtigte ab. „Wir merken zunehmend, dass ältere Patienten sich nicht mit AstraZeneca impfen lassen wollen. Dabei beruht das auf einem Missverständnis“, sagt die Ärztin im Gespräch mit der MOPO.
Hamburger Ärztin über AstraZeneca: „Lasst euch nicht verunsichern!“
Die Begründung: Der Impfstoff war zu Beginn in Deutschland für die Älteren nicht zugelassen, sondern nur für Menschen unter 60. Jetzt ist es umgekehrt – das verunsichert viele. „Dabei hatte das ja keine medizinischen Gründe. Der Impfstoff war nur nicht für Ältere zugelassen, weil es dazu keine Studien gab“, so Lindhorst. Die Engländer haben mittlerweile viele Millionen Dosen AstraZeneca ohne Komplikationen in relevanter Zahl verimpft, doch die Zweifel bleiben. „Viele hören uns nicht zu oder lassen sich gar nicht auf Diskussionen ein. Das ist extrem frustrierend“.
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Besonders unfair findet die Hamburgerin das gegenüber den jüngeren Menschen. „Die haben monatelang Rücksicht genommen und jetzt kommen die älteren und wollen sich nicht impfen lassen. Das verlängert auch den Lockdown.“
Einzelfälle sind das nicht: Über 50 Prozent der Patienten reagierten so. Lindhorst sei auch im Impfzentrum aktiv, dort seien die Reaktionen kaum anders. Daher lautet ihr dringender Appell: „Lasst euch nicht verunsichern! Wenn euch die Ärzte sagen, dass der Impfstoff gut ist, vertraut ihnen.“
Corona-Impfstoff AstraZeneca: Experten halten ihn für sicher
Auch Virologen sind wegen der Verunsicherung gegenüber AstraZeneca alarmiert. Christian Drosten hält grundsätzliche Bedenken gegen den AstraZeneca-Impfstoff für unbegründet und ist für einen breiten Einsatz des Präparats. Er sehe keine Veranlassung, das Vakzin aus schwedisch-britischer Produktion in Deutschland nicht zu spritzen, sagte der Charité-Virologe im Podcast „Coronavirus-Update“ bei NDR-Info.
Ähnlich sieht das die Hamburger Infektiologin Marylyn Addo, die am Universitätsklinikum Eppendorf selbst an einem Corona-Impfstoff forscht. Die Diskussionen um die Mittel von AstraZeneca und Johnson & Johnson, die wegen des seltenen Auftretens von schweren Nebenwirkungen in die Kritik geraten waren, schadeten der gesamten Impfkampagne, sagte Addo gegenüber NDR 90,3.
„Die über 60-Jährigen können mit einem sehr guten Gefühl in diese Impfungen reingehen. Ich wurde selber auch mit AstraZeneca geimpft und würde mich auch nochmal impfen lassen“, sagt sie. Es sei ein guter Impfstoff – mit hoher Wirksamkeit.