St. Paulis Präsident Oke Göttlich
  • St. Paulis Präsident Oke Göttlich blickt positiv ins neue Jahr.
  • Foto: imago/Oliver Ruhnke

St. Pauli-Boss Göttlich über den Aufstieg: „Erste Liga ist wunderbar, aber…“

Spitzenreiter, Jahresbester, Spaßfabrik, heißer Aufstiegskandidat. Der FC St. Pauli hat ein außergewöhnliches Fußballjahr hinter sich und beste Aussichten, ein noch größeres folgen zu lassen. Die Verantwortlichen des Kiezklubs planen zweigleisig – wie in den vergangenen Jahren. Mit dem Unterschied, dass es diesmal um die beiden höchsten Spielklassen geht. Präsident Oke Göttlich freut sich über den braun-weißen Boom und auf das, was kommt.

Die Nordseeküste ist ein verdammt guter Ort, um den Kopf freizubekommen und, wenn es sein muss, ihn sich von einer steifen Brise freipusten zu lassen.  Göttlich wird die Weihnachtstage mit seiner Familie in seiner Heimat Sankt Peter Ording verbringen. Abschalten. Auftanken. Auch mal genießen – trotz neuer Corona-Sorgen.

„Es ist mal etwas anderes für uns, die in der Verantwortung stehen, so etwas mitzubekommen und auch begleiten zu dürfen“, sagt Göttlich über den sportlichen Höhenflug des Kiezklubs, dem er seit 2014 als Präsident vorsteht.

Großer Spaßfaktor beim FC St. Pauli

Der Spaßfaktor sei angesichts der nicht nur erfolgreichen, sondern auch attraktiven Spielweise enorm hoch – auch das in den letzten Jahren eher eine Rarität. „Das ist natürlich fantastisch und macht total Freude, diesem Team beim Fußballspielen zuzuschauen“, schwärmt der 46-Jährige.

St. Pauli, vor einem Jahr noch Tabellen-17., ist auf dem besten Weg in die Bundesliga – erstmals nach elf Jahren. Die Ausgangslage könnte mit sechs Punkten Vorsprung auf einen Nichtaufstiegsplatz besser kaum sein. Im neuen Jahr werden die Kiezkicker mehr denn je die Gejagten. Die Erwartungen werden steigen, der Erfolgsdruck auch. Motto: Wenn nicht jetzt, wann dann?!

St. Pauli-Präsident Göttlich will von Druck nichts wissen

„Ich spüre überhaupt keinen Druck“, wiegelt Göttlich ab, „weil wir als FC St. Pauli jeden Tag mit sehr vielen Themen extrem hart am Wind segeln. Das ist genau das, was diesen Verein ausmacht.“ St. Pauli wolle „den besten Kurs finden und möglichst als Erster über die Ziellinie gehen.“ Das sei auch der „Anspruch“.

Die Tatsache, dass St. Pauli seit Monaten vor dem HSV rangiert und auch die letzten Derbys dominierte, will Göttlich nicht als Wachablösung in der Stadt werten. Er kümmere sich nicht darum und „das steht uns nicht zu“, findet er. „Der HSV ist ein großer Verein über Jahrzehnte und wir sind ein Stadtteilverein, der immer weiter versucht, sich zu verbessern und gerne das kleine Viertel ist, das neue Dinge anstößt. Und wenn wir mit dem Neuen auch mal vor dem großen Nachbarn liegen, dann freut uns das.“


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Das darf auch am Saisonende gerne so sein, aber Göttlich weiß, dass der Aufstieg alles andere als ein Selbstgänger und das bisher Erreichte nur die halbe Miete ist. „Alle, die momentan für irgendetwas gelobt werden, dürfen gerne in der Rückrunde beweisen, dass es auch nachhaltig ist.“

Göttlich warnt vor Einzelinteressen

Als größte Gefahr für den gemeinschaftlichen Erfolg sieht St. Paulis Präsident neben Verletzungen vor allem Einzelinteressen, die dem Ziel im Weg stehen könnten. „Ein großer Störfaktor könnte nur darin liegen, dass eine Unzufriedenheit aufkommt, aufgrund von Entscheidungen, die dann größere Dinge infrage stellt. Da müssen wir aufpassen.“

Spieler könnten mit ihrer Rolle unzufrieden sein oder damit, dass sie vom Verein (noch) kein neues Vertragsangebot bekommen,  „wahnwitzig attraktive Angebote“ (Göttlich) könnten dem ein oder anderen Kiezkicker den Kopf verdrehen. Das ist nicht unnormal. Entscheidend sei der Umgang damit. „In dem Moment darf sich nicht ein Misstrauen ausbreiten, das zersetzend wirkt“, betont Göttlich. „Das ist das wichtigste.“ Gleichzeitig dürften die Verantwortlichen  nicht aufhören, unangenehme Fragen zu stellen und, wenn nötig, unbequeme Entscheidungen im Sinne der Verbesserung zu treffen. Das wäre der „größte Fehler“.

St. Paulis große Lust auf die Bundesliga

Göttlich macht keinen Hehl daraus, dass er große Lust auf Bundesliga am Millerntor hätte. „Als Funktionär durfte ich die erste Liga noch nicht mitmachen. Ich kenne Erstligaspiele des FC St. Pauli von der Tribüne. Ich habe sie geliebt“, erzählt der frühere Fan, räumt aber ein: „Ich weiß, welche Ergebnisse da auch auf einen zukommen können.“

Die Bundesliga, weiß Göttlich, ist größtmögliche Bühne für St. Pauli, längst nicht nur sportlich. „Ich habe es immer gesagt seit Beginn meiner Amtszeit: wir wollen den größtmöglichen sportlichen Erfolg, weil wir dann natürlich eine viel größere Wirkung mit all unseren Themen auch in gewisse Bereiche hinein haben, die von gesellschaftlicher Relevanz sind“, erklärt er. „Und dafür ist der Fußball unser Träger und unsere Plattform.“

Die Planungen für ein Erstliga-Szenario lassen Göttlich nicht euphorisch werden. Er sieht es ganz nüchtern. „Die Erste Liga ist wunderbar, aber das Geld, was dann zusätzlich kommt, wird genauso ausgegeben wie in der Zweiten Liga. Es ist die gleiche Planung, nur mit größeren Zahlen.“ Dass es mehr Spaß macht, die Bundesliga zu planen als die 3. Liga, versteht sich von selbst.

Göttlich will mit St. Pauli die Menschen glücklich machen

Der Verein ist strukturell bereit für das Oberhaus, in einigen Bereichen „mit Sicherheit gut genug aufgestellt“, in anderen „muss man sich anpassen”, so Göttlich.. „Wir werden Gas geben müssen.“

Seine Wünsche für 2022 will Göttlich angesichts der Pandemie nicht auf Punkte, Siege oder einen Aufstieg beziehen. Vielmehr sei es neben allgemeiner Gesundheit und einer hohen Impfquote „der größte Wunsch“ und „das Schönste: viele Menschen fröhlich und glücklich zu machen, die den FC St. Pauli anfeuern.“

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Eine Mannschaft, die nicht nur fußballerisch beeindruckt, sondern auch charakterlich außergewöhnlich gut zum Verein, seinen Werten und dem Viertel St. Pauli passe. „Die Chemie ist gerade wahnsinnig gut“, sagt Göttlich. „Ich habe Lust, mit diesem Team und allen Beteiligten durch dick und dünn zu gehen.” 2022 kann kommen.

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